20 Juli 2011

Die Presse und der Fall Toribío

Anfang Juli kam es in Toribío, in der kolumbianischen Provinz Cauca, zu einem Angriff von rund 400 Gueriller@s der FARC-EP auf Polizei- und Militäreinheitenin diesem Ort. Seit mehreren Wochen finden militärische Offensiven der Regierungsarmee gegen die Guerilla statt. In dem Medien wird die Offensive angeheizt und propagandistisch ausgeschlachtet. Im Folgenden soll ein Dokument der FARC-EP bezüglich der Kämpfe um Toribío veröffentlicht werden. 

Seit einigen Wochen finden in den kolumbianischen Provinzen Cauca, Tolima und Huila militärische Offensiven gegen die FARC-EP statt. Begründet werden die Offensiven mit einer zunehmenden Schlagkraft der Guerilla. Kenner gehen bei der Schlagkraft aber eher von einer Akzeptanz der Guerilla in den ländlichen Gebieten Kolumbiens aus. In der Presse wird der Feldzug von Armee und Polizei als ein Feldzug gegen die führenden Köpfe der FARC-EP und im Besonderen gegen den Anführer Alfonso Cano dargestellt. Damit soll die FARC-EP nachhaltig geschwächt werden. Verschiedene Medien, wie zum Beispiel die landesweit erscheinende und in den Händen der Familie des Präsidenten Santos befindliche Zeitung „El Tiempo“ berichten ausführlich über die Militäroperationen und den seit einigen Wochen immer wieder fast feststehenden Tod des Anführers. In dieser Propagandaschlacht wird aber nicht über die Repressionen und „Kollateralschäden“ der Zivilbevölkerung berichtet, die sich bei den Kämpfen und Operationen mit den FARC-EP ergeben. Und wie im Fall des Ortes Toribío (Cauca) wird bei Verlusten und Zerstörungen die Schuld ausschließlich der Guerilla gegeben. Die Armee verkörpert in der Berichterstattung die Behüterin der Menschenrechte. Während die FARC-EP mehrmals in den letzten Monaten auf die Notwendigkeit einer politischen Lösung des sozialen und bewaffneten Konflikts hinwiesen, setzt der Staat weiterhin auf eine militärische Lösung des Problems. Dass aber soziale Ungerechtigkeit, Armut und fehlenden politische Partizipation nicht mit Gewalt zu lösen sind, gilt für die kolumbianische Regierung nicht. Und das zwischen beiden Fronten, also zwischen Regierung bzw. Armee und der Guerilla, die Zivilbevölkerung noch mehr zu leiden hat, wird in den Medien nicht wird nicht eingesehen, geschweige denn medial verarbeitet. Dort werden mittels der staatlichen Propaganda eine Notwendigkeit der Militäroperationen und eine „humanitär“ handelnde Armee vermittelt, die Opfer und Schäden werden nur den Aufständischen zugeschrieben. Diese Propaganda funktioniert deshalb so gut, weil es kaum Möglichkeiten einer kritischen Berichterstattung gibt. Und sollte es diese kritische Berichterstattung oder Meinungen einmal geben, werden sie automatisch als Unterstützer der Guerilla dargestellt, was im schlimmsten Fall den Tod durch Paramilitärs bedeutet, die seit mehr als drei Jahrzehnten mit der Regierung zusammen arbeiten.

Im Zuge der Kämpfe um den Ort Toribía, bei dem es Verluste in der Bevölkerung gab, wurde vom westlichen Kommando der FARC-EP eine Erklärung veröffentlicht, die hier nun ebenfalls präsentiert werden soll. Natürlich kann mit dieser Erklärung nicht der bewaffnete Konflikt erklärt werden, weder soll der Artikel den bewaffneten Konflikt und die Kämpfe entschuldigen. Der Artikel und das Dokument der FARC-EP dienen ausschließlich dokumentarischen Zwecken.


Veröffentlicht vom Comando Conjunto Central (FARC-EP) am 16. Juli 2011

An die Bevölkerung des Ortes Toribío

Am 9. Juli führten Einheiten der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo (FARC-EP) einen Angriff auf die Polizeistation und ein Kommando einer Spezialeinheit der Armee durch, die in Häusern eines Wohngebietes der Gemeinde Toribio stationiert waren. Viele der vom Angriff betroffenen Häuser, wurden zum Zeitpunkt des Angriffs von Angehörigen der Polizei und der Armee angemietet oder von ihren Besitzer an ihnen überlassen.

Wir bedauern den Tod und die Verwundung von Zivilisten sowie andere Schäden, die durch die Kämpfe verursacht wurden. Wir betrachten den Staat als allein Verantwortlichen für den Schaden, weil dieser militärisches Personal und Infrastruktur in mitten der Zivilbevölkerung unterhält. Gleichzeitig appellieren wir an die Medien objektiv und unparteiisch sein, denn in den übermittelten Informationen wurden zu keiner Zeit die Dutzenden von Verlusten sowie die Schäden an der militärischen Infrastruktur erwähnt, die durch Polizei und Armee verursacht wurden.

Es befinden sich militärischen Einheiten mitten in der Bevölkerung, um angeblich „die Zivilbevölkerung zu schützen", aber was sie in der Realität wollen ist, dass durch die Präsenz in der Bevölkerung die Aufständischen auf Angriffe verzichten. Im Zusammenhang mit der Intensivierung des Krieges, der als charakteristisch für Kolumbien gilt, verletzt die Regierung damit die Regeln des humanitären Völkerrechts, welche von der Regierung unterzeichnet wurden und zu welcher das Büro der Vereinten Nationen in Kolumbien noch keine Stellung bezogen hat.
So bestimmt das Erste Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen von 1977, Artikel 58 - Vorsichtsmaßnahmen gegen die Wirkungen von Angriffen:
„Soweit dies praktisch irgend möglich ist, werden die am Konflikt beteiligten Parteien aufgefordert:
a) sich unbeschadet des Artikels 49 des IV. Abkommens bemühen, die Zivilbevölkerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte, die ihrer Herrschaft unterstehen, aus der Umgebung militärischer Ziele zu entfernen;
b) es vermeiden, innerhalb oder in der Nähe dicht bevölkerter Gebiete militärische Ziele anzulegen;
c) weitere notwendige Vorsichtsmaßnahmen treffen, um die Zivilbevölkerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte, die ihrer Herrschaft unterstehen, vor den mit Kriegshandlungen verbundenen Gefahren zu schützen.“

Es ist auch üblich, dass Einheiten der Armee und Polizei ihre Macht ausnutzen und mittels ihrer Waffen oder Waffengebrauch die Bevölkerung einschüchtern sowie die Mobilität einschränken und sie als Guerilleros oder Unterstützer der Guerilla bezeichnen. Dadurch werden auch die fundamentalen (zivilen und politischen) Grundrechte der Menschen verletzt. In anderen Fällen sind sie zur Zielscheibe von Schüssen, Maschinengewehrfeuer und wahllosen Bombardierungen geworden oder dem Töten von Dorfbewohnern wie es sich in der Gemeinde Toribío vergangenen Juni ereignet hat, als die Polizei den jungen Wilmer Ovidio Yatacué Yonda im Ortsteil Sesteadero getötet hat. Auf diese Art und Weise verstoßen sie gegen den Artikel 93 der kolumbianischen Verfassung.

„Die durch den Kongress ratifizierten Verträge und Konventionen erkennen die Menschenrechte an und verbieten die Einschränkung im Fall eines Ausnahmezustandes.

Die in dieser Charta verankerten Rechte und Pflichten stimmen mit den von Kolumbien ratifizierten internationalen Verträgen über Menschenrechte überein."

Angesichts des oben genannten und um weitere Schäden an der Zivilbevölkerung zu vermeiden ist notwendig, den Bau von Anlagen der Polizei im Stadtgebiet zu verhindern und in keinster Weise sollen die Bewohner von Toribío ihre Häuser der Polizei und Armee bereitstellen oder vermieten und darauf bestehen, dass ihre Kommandos und Einheiten die besiedelten Gebiete verlassen.

So wie der Staat allein für den Schaden an den Zivilisten verantwortlich ist, so ist die Regierung selbst dazu verpflichtet die Schäden, die den Bürgern wegen der Kriegshandlungen verursacht werden und die von Tag zu Tag an Intensität zu nehmen, zu reparieren.

Der soziale und bewaffnete Konflikt, der seit Jahrzehnten in unserem Land tief verankert ist, hat seine Ursachen in den sozialen Ungleichheiten und wird nicht mit mehr Bomben und Kugeln gelöst werden. Nur durch den Dialog zwischen Regierung und Aufständischen aus welchen sich Vereinbarungen für eine stärkere soziale Investitionen und wirtschaftliche, politische, soziale, kulturelle und ökologische Garantien für alle Kolumbianer ergeben, können wir den internen Krieg überwinden.

Wir rufen die Menschen, die sozialen Organisationen und Bewegungen und politischen Parteien auf, die faschistische und kapitalistische Regierung von Santos aufzufordern nach einer politischen Lösung des sozialen und bewaffneten Konflikts in unserem Land zu suchen.