29 April 2012

12 Jahre Movimiento Bolivariano


Am 29. April des Jahres 2000 gaben die FARC-EP die Gründung einer neuen politischen Organisation mit dem Namen „Movimiento Bolivariano por la Nueva Colombia“ (kurz: MB) bekannt. Damit reagierten sie auf ihr Problem, keinen politischen Arm mehr nach außen zu haben. Um die Geschichte der politischen Einflussnahme darzustellen, muss aber erst einmal historisch ausgeholt werden.


Im Jahr 1985, während der Friedensverhandlungen der FARC-EP mit der Regierung unter Betancurt, entstand der Gedanke einer linken übergreifenden Partei als eine politische Lösung des bewaffneten Konflikts. So wurde die Unión Patriótica (UP) gegründet, in welcher die FARC-EP neben der Kommunistischen Partei Kolumbiens (PCC) und einigen anderen sozialen Akteuren wie den Gewerkschaften maßgeblich mitwirkten. Die Gräben im kolumbianischen Konflikt und der staatlich geduldete Terror waren jedoch so groß, dass eine regelrechte Jagd auf Mitglieder und Sympathisanten der UP veranstaltet wurde. Selbst Jahre nach dem Ende des politischen Projekts wurden noch Personen ermordet, so zum Beispiel der ehemalige Parteiführer für die Provinz Arauca im Jahr 2001. Zwar hörte die UP 1998 offiziell auf zu existieren, doch das politische Projekt war wegen des systematischen Mordens und Einschüchterungen schon eher gescheitert.

Nachdem die Friedensverhandlungen Anfang der 90er Jahre zwischen FARC-EP und Regierung endgültig gescheitert waren, intensivierten sich die Kämpfe zwischen allen beteiligten. Mitte der 90er Jahre erreichte die FARC-EP mit mehr als 25.000 KämpferInnen ihre größte Stärke und Aktivität. Aufgrund der Haltung der FARC-EP in den 90er Jahren, den militärischen Weg der Einflussnahme zu nehmen, kam es zu Zerwürfnissen mit der PCC. Diese bevorzugten den politischen und demokratischen Weg, auch wenn dieser wie im Falle der UP nicht sehr einfach schien und als gescheitert galt. Als Antwort auf das Zerwürfnis wurde von der FARC-EP im Jahr 2000 die „Partido Comunista Clandestino de Colombia“ (kurz: PCCC oder PC3) gegründet, eine Partei, die sich vorrangig aus AnhängerInnen der FARC-EP rekrutiert. Wichtigster Bestandteil der PCCC ist die politische Zelle, die sich aus 3-5 und in ländlichen Regionen aus bis zu 7 Personen zusammensetzt. Die PC3 gilt als reine Kaderpartei klassischen Typs, die Ziele sind die politische Rekrutierung und die heimliche Besetzung von hohen Positionen. Politisch ist diese Partei allerdings nur im Untergrund tätig, eine Massenbasis ist aufgrund des Anspruchs zur Herausbildung von politischen Kadern eher nicht gewollt.

Weil der FARC-EP bis dato also immer noch eine politische Struktur nach außen fehlte, wurde das „Movimiento Bolivariano por la Nueva Colombia“ gegründet. Das MB beruft sich, wie der Name schon verrät, auf die Ideale des Freiheitskampfes von Simón Bolívar und auf den Sozialismus, ist jedoch eine eher klandestin arbeitende Bewegung. Das MB ist keine Partei, sondern soll den bewaffneten Kampf über eine breite Basis stärken, so gesehen gilt diese Bewegung eher als eine Plattform. Die Klandestinität soll die Sicherheit die Mitglieder schützen, denn aus den Erfahrungen der UP wurde letztendlich gelernt. Zudem wird die Guerilla von Kolumbien, den USA und Europa als terroristische Organisation eingestuft, weshalb ihr nahestehende Organisationen verboten sind. Vereinstypische Merkmale wie Mitgliederzahlen, Statuten oder Vereinsstrukturen sucht man deshalb vergeblich. Bei dem MB handelt es sich größtenteils um Personen, die mit den FARC-EP und/oder mit den politischen Zielen des bewaffneten Kampfes im Allgemeinen sympathisieren. Es ist angedacht, bei günstigen gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen, wie zum Beispiel bei einem Friedensprozess, eine Partei zu gründen. Die jüngeren Mitglieder des MB sind im „Movimiento Juvenil Bolivariano (MJB)“ organisiert, Mindestalter sind 15 Jahre, zudem muss die Person als zuverlässig eingestuft werden und von mindestens einer Person bekannt sein. Organisiert sind sie ähnlich der PC3 in kleinen Zellen, die nach Region, Stadt, Universität oder Fabrik unterteilt werden. Aktueller Vorsitzender des Movimiento Bolivariano ist Pablo Catatumbo. Die Mitglieder des MB machen relativ viele Propagandaaktionen, unter anderem bei Demonstrationen, in den Vierteln, in den Schulen und in den Universitäten. Vom MB wird eine unregelmäßig erscheinende Zeitung mit dem Namen „Dignidad“ herausgegeben. Weitere Ziele sind Veranstaltungen, politische Schulung, Rekrutierung und die gesellschaftliche Einflussnahme zugunsten der Guerilla, besonders in den urbanen Zentren, denn die FARC-EP sehen sich historisch eher auf dem Land verortet.


12 Jahre im Untergrund – 12 Jahre Kampf und Widerstand

Als Humanisten, wie wir es sind, wollen wir den Frieden und eine politische Lösung im sozialen und bewaffneten Konflikt Kolumbiens. Aber viele Personen, die sich für eine politische Lösung einsetzen und einen friedlichen und zivilen Ausweg für das Problem suchen, werden vom Staat und den Paramilitärs malträtiert, verschleppt und ermordet. Dieser traurige Fakt ist ein wesentlicher Bestandteil in der offiziellen kolumbianischen Regierungspolitik. Als Beispiel hierfür stehen die mehr als 5000 Toten der Unión Patriótica, einer ehemaligen linken Partei, die Mitte der 80er Jahre bis in die 90er Jahre aktiv war.

Dieses und viele andere Beispiele der systematischen Vernichtung von Opposition führte dazu, dass eine breite politische Bewegung gegründet wurde, die sich auf bolivarische linke Traditionen beruft, aber im Untergrund tätig ist und ohne vereins- oder parteispezifische Elemente auskommt. Diese Bewegung, die Bolivarische Bewegung für ein neues Kolumbien – Movimiento Bolivariano por la Nueva Colombia, wurde am 29. April des Jahres 2000 in San Vicente del Caguán gegründet.

Kolumbien hat ein undemokratisches politisches System, es ist zutiefst reaktionär, es schließt die armen Schichten aus und lässt die reiche Schicht, die kolumbianische Oligarchie, profitieren. Die Oligarchie als eine politische Kaste, die die öffentliche Hand wie die eigene Beute betrachtet, das Land mit Hilfe anderer neoliberaler Länder ausbeutet und die aufbegehrende Bevölkerung terrorisiert. Das Wahlsystem, die Präsidentschaft, das Parlament, das Militär, die Medien, die Justiz, die Sicherheitsorgane, ja alles ist organisiert und dient denjenigen, die sich als herrschende Klasse des Landes sehen; die Kaste der Oligarchie bestehend aus der Mafia und korrupten Politikern.

Während dieser 12 Jahre wuchs die Bewegung im ganzen Land und ist heute im ganzen kolumbianischen Territorium präsent. Der politische Kampf und die Vermittlung der revolutionären Sache wird in den Universitäten mit den Studierenden, in den weiterführenden Schulen mit den SchülerInnen, in den Fabriken mit den ArbeiterInnen, in den Büros, auf der Straße und auf dem Land durchgeführt. Teil unseres Kampfes sind jene, die seit über 500 Jahren gegen Ausbeutung und für soziale Gerechtigkeit Widerstand leisten. Es sind die verschiedenen diskriminierten Ethnien der Indígenas, Afros, Sozial-schwache aus Dörfern, Städten und marginalen Vierteln, die keine Arbeit, keine Schule, kein Studium, also keine Perspektive haben. Mit diesen allen wollen wir uns vereinen, klandestin organisieren und Seite an Seite für ein neues und gerechtes Kolumbien sowie für die Träume Simón Bolívars kämpfen.

„Alle sind eingeladen das neue Werkzeug im Kampf zu organisieren, welches wir „Movimiento Bolivariano por la Nueva Colombia“ nennen werden und mit dem wir die neue Zukunft auf unsere historischen Werte des Landes begründen werden. Um die Kräfte und Hoffnungen zu bündeln und das zu vollenden, was Simón Bolívar einst begann und zu Ende gebracht gehört: Die lateinamerikanische Integration, die nationale Unabhängigkeit und die soziale Gerechtigkeit.“

Aus: Manifiesto Bolivariano por la Nueva Colombia, 25. März 2000

24 April 2012

Marcha Patriótica


Der „Patriotische Marsch“ ist eine neue soziale Bewegung in Kolumbien deren Ziel es ist, sich als eine politische Bewegung zu etablieren. Mit dem Ziel, eine linke und alternative Politik im Land darzustellen, fand vom 21. bis 23. April in der Hauptstadt Bogotá ein Kongress und mehrere Demonstrationen statt.

Auch wenn der Name „Marcha Patriótica“ (Patriotischer Marsch) für die deutsche Linke etwas komisch klingen mag, so verbirgt sich dahinter die Idee einer zweiten und „echten“ Unabhängigkeit Kolumbiens mit der Zielsetzung einer linken und alternativen Politik. Im Kontext zu den Unabhängigkeitsfeiern im Jahr 2010 formierte sich eine Bewegung, die die Feiern aufgrund der bisherigen Geschichte, des politischen Systems im Allgemeinen und der aktuellen neoliberalen Politik kritisierte und nach Alternativen suchte. Dabei kann sich die Bewegung „Patriotischer Marsch“ auf die sozialen und politischen Kämpfe der letzten 20 Jahre berufen. So entwickelte sich bis heute vor allem aus den ländlichen, bäuerlichen, indigenen und studentischen Organisationen das, was wir heute vorfinden: Eine strömungsübergreifende und offene Bewegung, die aus mehr als 1750 Organisationen besteht, die wiederum in allen Regionen des Landes verankert sind.

Ziel dieser großen Bewegung ist eine politische Plattform und die Zulassung zu Wahlen, mit denen perspektivisch die Macht errungen werden soll. Wie diese politische Plattform oder Partei aussehen soll, steht aktuell zur Debatte. Mit Hilfe dieser Partei soll ein wirklich souveränes und unabhängiges Land entstehen, jenseits von neokolonialen Strukturen und Freihandelsverträgen. Es wird soziale Gerechtigkeit und die politische Lösung des bewaffneten Konflikts angestrebt. Die ständigen krisenhaften Situationen im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bereich, die es aufgrund von Ausbeutung und Korruption gibt, gilt es zu beseitigen. Es soll ein explizit anti-neoliberaler Kurs eingeschlagen werden. Doch nicht nur die kolumbianische Linke soll diese Bewegung ansprechen, sie wendet sich an alle Schichten und Gruppen des Landes, die die jahrzehntelange Misere nicht mehr mittragen wollen.

Organisiert wurde der „Patriotische Marsch“ ursprünglich von mehreren sozialen Organisationen, die mit der jetzt entstandenen Bewegung den Grundstein für eine neue politische Plattform schaffen wollten. Die Aktionstage in Bogotá organisierte man in den mittlerweile in allen Regionen des Landes gebildeten Strukturen, Gruppen und Arbeitstischen. Auch wenn das Ziel, irgendwann eine große politische Wahlmöglichkeit noch ein Traum ist, so bezieht sich die soziale Bewegung auch auf andere Möglichkeiten der politischen Partizipation. Die Mobilisierung der Massen, diverse politische Aktionsformen und eine Veränderung der Verfassung zählen unter anderem dazu. In der Diskussion um eine politische Bewegung dürfen aus jeder teilnehmenden Organisation zwei Vertreter entsandt werden, ihre soziale Herkunft oder ihr Status spielt dabei keine Rolle. In Bogotá diskutierten somit mehr als 3500 Delegierte über die Idee einer politischen Plattform und einer zentralen Mobilisierung am 23. April in den Straßen Bogotás.
  
In den Medien war die Bewegung und der Kongress mit seiner Demonstration durch eine wie zu erwartende Stigmatisierung diskriminiert worden. Regierungsnahen Medienberichten zufolge wurde der „Patriotische Marsch“ von der FARC-EP beeinflusst. Politische Führer der FARC-EP versuchten die soziale und politische Bewegung für ihre eigenen Zwecke zu benutzen. Dass die Regierung gegen oppositionelle und linke Bewegungen hetzt ist genauso wenig neu, wie das beiderseitige Interesse von sozialen Bewegungen und Guerilla gemeinsam zu kommunizieren und sich für eine friedliche Lösung im bewaffneten Konflikt einzusetzen. So zeigten schließlich auch mehr als 50.000 Demonstranten in Bogotá ihr Bekenntnis zu diesem politischen Projekt mit dem Willen, das Land positiv zu verändern. Auch in Berlin fand vor der kolumbianischen Botschaft im Rahmen der Aktionstage des „Patriotischen Marsch“ eine Kundgebung statt, um Solidarität mit der Bewegung zu zeigen. 

21 April 2012

Alexandra - Von Europa nach Kolumbien

Was bewegt eine Europäerin, Studierte und aus guter Familie, in die kolumbianische Guerilla einzutreten?“ [1] fragt Alexandra, die eigentlich Tanja Nijmeijer heißt, aus den Niederlanden kommt und nun seit fast 10 Jahren in den Reihen der FARC-EP kämpft in einer Erklärung in der Zeitschrift „Resistencia“ der Aufständischen. In der zurückliegenden Zeit, so schreibt sie, empfand sie eine Mischung aus Irritation und Belächeln bei den Meldungen über sie und die Guerilla. Tatsächlich fanden sich bis vor kurzer Zeit regelmäßig Spekulationen in den Medien, ob Alexandra gegen ihren Willen in der FARC-EP gefangen gehalten werde. Dazu wurden immer wieder Bücher und Berichte in den Medien veröffentlicht, in denen Bedenken der Guerillera an ihrem Tun geäußert wurden. Häufig hört und liest man nun, sie sei verrückt, sie verkenne die Realität und sie sei fremd gesteuert. Doch was treibt die Medien und vermeintliche Experten dazu an, Unwahrheiten zu verbreiten und nicht anzuerkennen, dass es auch Personen gibt, die sich solidarisch mit den Unterdrückten zeigen? Warum verlässt Alexandra den scheinbar bequemen Weg des europäischen Lebens, geht in den Dschungel Kolumbiens und riskiert ihr Leben?


Möglicherweise ist das Abschlachten von Millionen von Indígenas in den Händen der Europäer, der systematische Raub von Land aus eben diesen gleichen und, noch aktueller, der Krieg des Nordens gegen die südamerikanischen Völker nicht genügend für meinen Eintritt?“ fragt Alexandra zynisch. Und weiter: „ Ich gestehe mir zu, dass die Hingabe mit nur einem Leben zu unbedeutsam ist, aber es ist das einzige was ich dem kolumbianischen Volk anbieten kann, einem misshandelten Volk, einem getöteten Volk und einem ausgebeuteten Volk durch `unsere Völker´, den Regierungen der sogenannten Ersten Welt. Eine Ausbeutung die nie aufgehört hat; seit der spanischen Eroberung bis zur brutalen Unterdrückung von heute durch die regierende Klasse in Kolumbien, die im blinden Gehorsam den Befehlen des Nordens gehorcht. Eine Regierung, durch ihre Paramilitärs beschützt, die Gewerkschafter, Journalisten, Professoren und Studierende ermordet, nur weil sie eine kritische Meinung zur Gesellschaft haben und ihre Rechte fordern. Eine Regierung, die Bauern umbringt oder vertreibt, nur weil sie auf jenem Land leben, dass für die agro-industriellen Großprojekte wie der afrikanischen Ölpalme oder dem Kautschuk, oder für den Bergbau und Erdölforderung gebraucht wird.

Alexandra beschreibt in ihrer Erklärung ganz gut, was sich viele Linke in Europa und Nordamerika nur schwer eingestehen wollen. Hier die einen und glücklichen, die in der sogenannten Ersten Welt zu Hause sind, die normalerweise ganz genau wissen, in welcher Welt sie leben und wie der Kapitalismus funktioniert. In einer Welt, die von der anderen, der sogenannten Dritten Welt profitiert, diese ausnutzt, ausbeutet, während die anderen in Misere und Armut leben. Hier diejenigen, die ihr Leben genießen, zum Urlaub in die verschiedensten Länder fahren, ins Kino oder in die Bar gehen können, dort diejenigen, die um ihr Überleben kämpfen müssen und die sich nur elementar wichtige Dinge zum Überleben leisten können. Dies ist es, warum Alexandra in die  Guerilla eintrat und Europa verließ, sie wollte nicht gut auf den Kosten der anderen leben.

Geboren wurde Tanja Nijmeijer alias Alexandra 1978 in Denekamp (Niederlande) nahe der deutschen Grenze. Später studierte sie an der Universität in Groningen Spanische Sprachwissenschaften. Schon in den Niederlanden und in ihrer Studienzeit bekam sie Kontakt mit revolutionären Ideen und nahm an Veranstaltungen zur Solidarität mit den sozialen Kämpfen in Chiapas teil. Im Jahr 2000 ging sie nach Kolumbien, zuerst nach Pereira im Rahmen ihres Studiums, dann nahm sie, nachdem sie die ersten politischen und sozialen Eindrücke im Land gewonnen hatte, im Jahr 2001 an einer politischen Karawane durch das nördliche Kolumbien teil. 2002, nach dem Ende ihres Studiums, kehrte sie nach Kolumbien zurück und trat über bestehende Kontakte zuerst den Milizen der FARC-EP bei. Die unsichere Situation in den Städten Kolumbiens nach dem Scheitern des Friedensprozesses mit der Regierung Pastrana und mit der Welle von Repressionen gegen die Aufständischen unter der Regierung Uribe ging sie wie viele andere auch auf das Land und schloss sich offiziell den Kampfeinheiten der Guerilla an. Fortan war sie eine unter vielen KämpferInnen in den Reihen der FARC-EP. Am 18. Juni 2007 wurde bei einer Militäroperation gegen eine Basis der Guerilla in Meta ihr Tagebuch gefunden und später teilweise veröffentlicht. Nicht nur dadurch, auch durch den konspirativ eingefädelten Besuch ihrer Mutter im kolumbianischen Dschungel stand sie im öffentlichen Interesse. Über ihren angeblichen Tod wurde mehrmals spekuliert, so unter anderem bei der Bombardierung und Ermordung des Militärchefs der FARC-EP Mono Jojoy im September 2010. Mittlerweile gehörte Alexandra zum engen Kreis des Militärchefs, hat eine Führungsperson im militärischen Ostblock inne und gab ein Videointerview, in dem sie ihren Kampf und Verbleib bei der FARC-EP erklärte. Passend dazu, beendet sie auch die aktuelle Erklärung mit einem kämpferischen Appell:

Die Holländer und Europa im Allgemeinen waren immer stolz auf unsere Toleranz gegenüber anderen Kulturen, anderen Sichtweisen und die Welt zu kennen. Aber ich denke, dass manchmal die Grenze  zwischen Toleranz und Desinteresse verschwimmt. Deshalb will ich einen Aufruf an die Intoleranz machen. Wir, Völker die die ersten liberalen Revolutionen in der Welt verwirklichten, Völker die die sogenannte Sozialdemokratie erschaffen haben und immer weiter kämpfen, heute zum Beispiel gegen die Globalisierung, dürfen nicht tolerant gegenüber einem wirtschaftlichen System sein, welches unseren Planeten und die Menschen die auf ihm leben in Riesenschritten zerstört. Eine andere Welt ist möglich und deshalb findet man mich in den Reihen der FARC-EP.

[1] Artikel: “Por qué me encuentro en las filas de las FARC-EP?Seite 22/23

15 April 2012

Offener Brief der FARC-EP

Zum Amerika-Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) veröffentlichte die FARC-EP einen offenen Brief, der erstmalig am heutigen Sonntag auf der alternativen Medienplattform ANNCOL erschien. Im Folgenden gibt es eine deutsche Übersetzung.


Offener Brief an den Amerika-Gipfel in Cartagena


Verehrte Präsidenten und Staatschefs von Amerika:

Ohne Zweifel werden sich viele von ihnen Anwesenden erinnern, als beim ersten Treffen der CELAC in Caracas eine große respektable Anzahl von Stimmen gegenüber dem kolumbianischen Präsidenten äußerte, seinen Willen zu einer Lösung der politischen Konfrontation zu bekräftigen, die unser Land erleidet. Die direkte Antwort des Präsidenten Santos war, dass es besser sei nichts zu tun und die Konfliktlösung ausschließlich in den kolumbianischen Händen gelassen werden sollte.

Trotz alledem ist es kein Geheimnis, dass die Regierung Kolumbiens von den Vereinigten Staaten mehr als zehn Milliarden Dollar für den Krieg in den letzten zwölf Jahren bekommen haben. Sie verlangte nach einer direkten Intervention, sie bot das gesamte Territorium für Luftoperationen an, sie erhöhte die Zahl der Militärberater, Soldaten und Paramilitärs aus Nordamerika, sie bekam die neueste technische Unterstützung und hielt an den Plänen der Aufstandsbekämpfung fest, die vom Pentagon festgelegt wurden. Weiterhin wurden die Nachbarn unter Druck gesetzt, um gemeinsam gegen die kolumbianische Guerilla zu kämpfen, die mit den abscheulichsten Adjektiven beschrieben wird.

Für den Krieg sind sie bereit, die bestmögliche Beteiligung zu erhalten. Wie schon so oft wiederholte Präsident Santos, seine Absicht, sei es auf gutem oder schlechtem Weg, den Frieden zu erreichen. Unter einem guten Weg versteht er nur die Kapitulation und Aufgabe. Nach dem letzten Jahrzehnt mit massiven militärischen Vernichtungsoperationen erscheint die Wahrheit über die Unmöglichkeit nach einer militärischen Lösung des Konflikts. In einem ähnlichen Ende schlussfolgerten die Vereinigten Staaten, dass es besser sei Afghanistan und den Irak zu verlassen.
Nach einem halben Jahrhundert des blutigen Bruderkrieg besteht der kolumbianische Staat jedoch immer noch auf den unerreichbaren militärischen Sieg.

Die FARC-EP sind bei weitem nicht das Monster, wie es von der kolumbianischen Oligarchie beschrieben wird. Wir sind Tausende von Frauen und Männern, die von der Verwirklichung eines Traumes träumen, der durch den Tod unseren Befreiers Simón Bolívar ein jähes Ende fand. Mit diesen legitimen sozialen und politischen Wünschen sind wir mit den Menschen in unserem Land vereint. Sie werden uns durch die immensen Militärpatrouillen, die Flotten von Bombern und Artilleriehubschrauber, den Polizei- und Sicherheitskräften, den Paramilitärs und Auftragsmördern nicht trennen können, die die Hoffnungen nach einem besseren Leben in Kolumbien durchsieben sollen.

Unser bewaffneter Aufstand ist eine Reaktion auf die nationale Situation der staatlichen Gewalt. Es sind mehr politische Morde von Gewerkschaftern und indigenen, bäuerlichen und schwarzen Anführen als in irgendeiner der katastrophalen lateinamerikanischen Diktaturen der Vergangenheit.  Trotz der regelmäßigen Wahlen und der institutionelle Fassade, die Verbrechen des Staates und die Anzeichen der sozialen Ungleichheit bilden in unserem Land eine explosive Situation heraus. Jede der mächtigen wirtschaftlichen Gruppierungen kontrolliert ein riesiges Medien-Monopol und die fast 200.000 Opfer des Paramilitarismus der vergangenen zwanzig Jahre, durch die eigene nationale Generalstaatsanwaltschaft bestätigt, sind nur eine alte Geschichte für jene Presse, die nicht aufhört uns zu verleumden. Ein Zehntel der Bevölkerung befindet sich in einer Situation der Vertreibung und Flucht. Die Gefängnisse sind voll von sozialen Aktivisten.

Nur die bedingungslose Unterstützung für die US-Interessen auf dem Kontinent und in der Welt erklärt das Wohlwollen von Washington mit der Führung in Kolumbien. In unserem Land wendet man die Auflagen der multilateralen Kreditinstitute aus dem Effeff an,  so schnell wie möglich wird privatisiert, man erhöht die Privilegien für die transnationalen Investitionen, verschlechtert die  Arbeitsbedingungen und beschneidet soziale Garantien, man zerstört die Wirtschaft der Bauern, plündert die Reichtümer weiter Gebiete aus und verfolgt mit Wut die handwerkliche gemeinschaftliche Produktion. Das BIP-Wachstum begünstigt eine kleine Gruppe von Investoren, die nicht aus Kolumbien sind.

Und sie schaffen die Voraussetzungen für eine zukünftige Aggression gegen die Menschen, die nicht einverstanden sind, ähnliche Modelle jener Dinge anzunehmen. Der Frieden in Kolumbien setzt immer einen demokratischen Inhalt der Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungen des Staates voraus, es ist eine Grundvoraussetzung für das friedliche Dasein der Nationen auf dem Kontinent. Wir haben uns immer gegen einen Frieden gewehrt, der zu einer bloßen Rückkehr zu diesen pervertierten Institutionalisierungen führt, der aber genau jenen Aufstand verbreitert. Wir betonen die Notwendigkeit eines Dialogs, mit Blick auf das kolumbianische Volk und seine aktive Einmischung, um die Bedingungen des demokratischen Zusammenlebens neu zu ermöglichen. Ein halbes Jahrhundert kolumbianischen Blutes verlangt dies.

Mitten in der globalen Finanzkrise sollte sich ein erfolgreicher Gipfel der amerikanischen Staaten mit weit mehr als nur dem Wirtschaftswachstum im Zusammenhang mit den Regeln des Marktes beschäftigen. Er sollte die Achtung der Souveränität und die Unabhängigkeit ihrer Völker, ein alternatives Entwicklungsmodell, die Ächtung des Krieges als eine Art des Umgangs mit Konflikten anschneiden. Das Ende des irrationalen Embargos, so die wichtige Forderung von Präsident Correa, Kuba frei und vollständig zu integrieren, die berechtigten Ansprüche Argentiniens auf die Falkland-Inseln und die politische Lösung für den lange Konflikt in Kolumbien sind die Prioritäten einer kontinentalen Agenda.

Vielleicht ist es Zeit, die Unmöglichkeit des Krieges gegen die Drogen ansprechen. Wie wir in einem offenen Brief an den Kongress und das Volk der Vereinigten Staaten im April 2000 erklärten:  Wenn Sie ein Lösung des Problems von der Wurzel her für die Geißel der Drogen suchen, muss sich die Welt auf größere Diskussion vorbereiten, die die Legalisierung ihrer Nutzung beinhalten, so wie es in der Vergangenheit mit anderen Geißeln wie dem Alkohol und dem Tabak passiert ist? Es ist in jedem Fall ein ernstes soziales Problem, das nicht mit militärischen Mitteln, sondern mit Vereinbarungen und mit der Teilnahme der nationalen und internationalen Gemeinschaft zu lösen ist sowie mit dem Engagement der Großmächte als der wichtigsten Quelle in der weltweiten Nachfrage nach Drogen.

Hochachtungsvoll,

Sekretariat des Zentralen Generalstabs der FARC-EP

Berge von Kolumbien, April 2012


Offener Brief: http://anncol.info/

13 April 2012

Cumbre de los Pueblos

Am Wochenende findet in Cartagena de las Indias, an der kolumbianischen Karibikküste, nicht nur der Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) statt, sondern parallel wurde auch ein "Gipfeltreffen der Völker" (Cumbre de los Pueblos) initiiert, an welchem eine Vielzahl sozialer und politischer Organisationen teilnimmt.
Während beim "Cumbre de las Américas" der OAS vor allem die Drogenbekämpfung und der Versuch des US-Präsidenten, mehr Einfluss in der lateinamerikanischen Politik zu bekommen, im Vordergrund stehen, sind es beim "Cumbre de los Pueblos" vor allem soziale, ökologische und politische Themen aus allen Ländern, die als Alternative zur neoliberalen Politik anzusehen sind.

Die Stadt Cartagena de las Indias gleicht zur Zeit einer Festung. Dort, wo sich zu jeder Zeit im Jahr Touristenströme aus den USA und Europa durch die historische Altstadt und die unwirkliche Neustadt mit ihren unzähligen Hotels und Appartements entlangziehen, sind nun Sicherheitskräfte aller Couleur, Polizei und Armee zu sehen. Die Mobilität der Einwohner Cartagenas ist durch die Sicherheitsvorkehrungen seit Tagen stark eingeschränkt, während ausländische Touristen und Teilnehmende des OAS-Gipfels weitestgehend freier Weg gelassen wird.
Bereits am Donnerstag begann der alternative Gipfel mit Grußworten aus den verschiedenen sozialen Organisationen und Sektoren und zum Nachmittag gab es erste Diskussionsrunden rund um die lateinamerikanische Gesellschaft. Im Mittelpunkt vieler Diskussionen stand die Integration Lateinamerikas, die Konsequenzen des Freihandelsabkommens (TLC) und die aktuelle Weltwirtschaftskrise. 

Am Freitag findet eine große Konferenz zum Thema Universität und Bildung statt. Organisiert wird das Forum von der Organisation MANE ("Offener nationaler Tisch der Bildung") mit einem speziellen Überblick über die Situation der Universitäten in Kolumbien. Mehr als 3000 Teilnehmende, darunter Studierende aus öffentlichen und privaten Universitäten, Dozenten, Schüler und Repräsentanten aus anderen sozialen Sektoren, diskutieren vor allem über die Bildungsreform und alternative Vorschläge zur Verbesserung der Hochschulbildung.
Weitere Themen am Freitag sind die Arbeitsbedingungen und Arbeitsrechte, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der Bergbau sowie die Menschenrechtsverletzungen und Situation der Menschenrechte im Allgemeinen. Am Samstag findet am Vormittag eine Abschlussveranstaltung statt, bevor das Treffen mit einer Großdemonstration ab 14 Uhr in den Straßen von Cartagena beendet wird.

12 April 2012

Macht und Manipulation der Medien

Es gibt ein Kolumbien, das in den Medien sehr präsent ist. Hierbei handelt es sich um das Kolumbien, in der die Entführungen der FARC-EP und der angebliche Terror das größte Problem des Landes darstellen. Und dann gibt es das andere Kolumbien, jenes, welches nicht so bekannt ist. Kolumbien als das Land mit den meisten Morden an Gewerkschaftern, an politisch Engagierten in den sozialen Bewegungen und systematischen Terror gegen die Bevölkerung, begangenen durch paramilitärische Verbände und unterstützt oder begünstigt durch die staatliche Politik. Von 1984 bis heute wurden rund 2800 gewerkschaftlich organisierte Menschen und unzählige Journalisten, kritisch denkende Personen und Bauern. Warum wird darüber nur spärlich berichtet? Wie werden Nachrichten manipuliert?


Kolumbien seit jeher…

Die Ursachen der Gewalt, gemeint ist hier nicht die gewöhnliche Kriminalität, und des sozialen Protestes, die oftmals in einem Zusammenhang stehen, beziehen sich auf die Ungleichheit im Land und die systematisch angewendete Gewalt der Regierung. In Kolumbien besitzen 1% der Menschen, gehörend zur Oligarchie von Politik und Wirtschaft, immer noch rund 80% der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Auf der anderen Seite gibt es im Land mehr als vier Millionen vom Land Vertriebene. Kolumbien ist eines jener Länder, in der die Ungleichheit zwischen Armen und Reichen am größten ist, dabei ist das Land reich an natürlichen Ressourcen und gesegnet mit einer fantastischen Natur.
Seit dem letzten Jahrhundert, als mit den beiden großen Parteien (Liberale und Konservative Partei)  ein faktisches Zweiparteiensystem etabliert wurde, strebt die Elite des Landes dazu, die politische und wirtschaftliche Macht unter sich aufzuteilen. Dazu wurden auf dem Rücken der Bevölkerung Kriege geführt und von Anfang an der Widerstand der Menschen unterdrückt. Auch wenn es das „Zweiparteiensystem“ heute nicht mehr gibt, die Politiker, Konzerne und Großgrundbesitzer teilen das Land weiterhin unter sich auf, sozialer Protest wird kriminalisiert oder vernichtet. Ein Beispiel hierfür ist die von FARC, Kommunistischer Partei und Gewerkschaften gegründete „Unión Patríotica“, eine linke Partei aus den 1980er Jahren, die seit ihrer Gründung der Vernichtung preisgegeben worden ist. In weniger als 10 Jahren tötete der Staat und Paramilitärs 5000 Mitglieder und Sympathisanten, darunter gewählte Bürgermeister, Senatoren und Präsidentschaftskandidaten. Aber auch heute noch werden alle diejenigen bekämpft und ermordet, die gegen den „Status Quo“ in Kolumbien sind, darunter nicht nur die KämpferInnen in revolutionären Organisationen wie den FARC-EP, sondern auch Gewerkschafter, Indígenas, Führungspersonen aus den sozialen Bewegungen, Menschenrechtsaktivisten, Bauern, Journalisten, Priester, Anwälte und Mitglieder linker Gruppen und Parteien. Der Widerstand gegen das kolumbianische Regime und das Entstehen der Guerilla kommt nicht von ungefähr, sie sind die Ursache der Verhältnisse im Land, in der das Greifen zur Waffe oftmals die einzige Möglichkeit ist, um überleben zu können und sich zur Wehr setzen zu können.

Aktuelle Politik

Der Präsident Santos ist nicht für den Frieden, sondern für den Krieg. Wer dachte, mit der unilateralen Freilassung der Kriegsgefangenen durch die FARC-EP beginne Zeit des politischen Frühlings, sah sich angesichts der Bombardierungen auf Camps der Guerilla und den letzten Äußerungen des Präsidenten enttäuscht. Schon im letzten Jahr zeigte Santos eindeutig, was er von einer Politik der Entspannung hielt, als er Alfonso Cano töten ließ, der mehrmals die Notwendigkeit eines Friedensprozesses betonte. Stattdessen wächst der Paramilitarismus im ganzen Land an und die Regierung tut wenig, um dieses Problem zu beseitigen. Dafür versucht der Präsident durch mediale Shows Gesetze als Allheilmittel einzuführen, die jedoch an der Realität vorbei gehen. Das Gesetz zur Rückgabe des Landes (Ley de restitución de tierras) betrifft nur weniger als ein Drittel des eigentlich gestohlenen Bodens durch Paramilitärs, zu dem versuchen durch falsche Aussagen, Bedrohungen und Verträge Paramilitärs, den gestohlenen Boden nun durch dieses Gesetz zu ihrem legalen Eigentum zu machen. Im Gesetz der Opfer (Ley de víctimas) sollen Paramilitärs bestraft und Opfer entschädigt werden, das Gesetz umfasst jedoch nur einen kleinen Teil der begangenen Taten und gefassten Täter. Verbrechen, die zum Beispiel nach der falschen Demobilisierung im Jahr 2005 geschehen sind, spielen im Gesetz kaum eine Rolle. Hingegen präsentiert Santos Kolumbien immer als ein Land, welches Opfer der Verbrechen gegen die Bevölkerung ist, anstatt verantwortlichen Akteurs, der die Täter schützt und unterstützt. Santos, als ehemaliger Verteidigungsminister kennt sich aus in der Kriegsführung. So treibt er die Militarisierung des Landes voran mit der Hoffnung, den Konflikt militärisch zu lösen. Dafür werden Millionen und aber Millionen investiert, während ein Großteil der Bevölkerung hungern und die mit der Militarisierung negativen Folgen am eigenen Leib erfahren muss. In den europäischen Medien hat man noch eine kritischere Auseinandersetzung als in den kolumbianischen. Kritik wird hier mit subversiven Tätigkeiten und Hochverrat gleichgesetzt.

Alltägliche Berichterstattung

Die Praxis aller Medien, ob Radio, TV oder Print, ist das Geschäft, so dass es letztlich darum geht, Geld zu machen. Und so unterstützen sie oftmals im medialen Diskurs eine Linie, die sich dem Ziel des Geldmachens und dem Streben nach Profit unterordnet. Die Themen und Zielstellungen laufen hierbei auf eine neoliberale und konservative Linie hinaus. Es passt zur Logik, dass linke Reporter und Medien eine Seltenheit sind, während die große Mehrheit der Agenturen und Reporter neoliberal geprägt sind.
Wenn wir in Kolumbien vom Krieg reden, dann geschieht es immer aus der Perspektive der Regierung. Die größten Zeitungen, Radio- und Fernsehkanäle befinden sich unter ihrem Einfluss oder gehören ihr personell an. Für die Regierung ist der Krieg ein Geschäft, Firmen und Konzerne, ob in der Rüstung, der Technologiebranche, in der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen oder in der Telekommunikation profitieren davon. Gute Propaganda bedeutet eben, ein Klima für Investitionen zu schaffen und die Bevölkerung sowie die ganze Welt davon zu überzeugen. Wen interessiert da schon die andere Sichtweise?

Natürlich ist es schwierig, in einer komplexen Welt ein klares Bild zu bekommen. Der Mensch ist häufig mit sich selbst beschäftigt, er kümmert sich um seine elementaren Dinge des Lebens. Es ist verständlich, dass der Mensch oft nur wenig Zeit hat, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die in anderen Ecken der Welt passieren. Als Zugang dafür nutzt er oft die unkonventionellen und einfachen Mittel. Das Besorgniserregende ist jedoch, dass die Informationswelt, die ein Großteil der Menschen erreicht, politisch sehr verkürzt dargestellt wird und sich nach neoliberalen Aspekten orientiert, wo wir wieder bei dem Punkt sind, dass Themen und Zielvorstellungen von der kapitalistischen Linie diktiert werden.
So ist es nicht verwunderlich, dass die zwei großen Presseagenturen der Welt, „Reuters“ aus Großbritannien und „Associated Press“ aus den USA, einen sehr großen Einfluss auf die Berichterstattung in der Welt haben. Andere Agenturen greifen auf ihre Informationen zurück, was uns schließlich erreicht, kann getrost als „Einheitsbrei“ bezeichnet werden. So ist der Kapitalismus immer ein Synonym für Freiheit, Santos und Uribe sind immer die Guten, während sozialistische Ideen per se verteufelt werden und Chávez oder die Guerilla die Bösen sind.

Alternativen?

Ja, es gibt Alternativen. Es gibt kleine Stadtteilzeitungen und Freie Radios, aber das Internet scheint eine der besten Möglichkeiten zu sein, um einfach und global an verschiedene Informationen kommen zu können. Die Welt ist voll von Ereignissen und Herausforderungen, die erzählt und beschrieben werden müssen. In Deutschland, in Europa und einigen anderen Ländern gibt es eine gute Auswahl an alternativen und kritischen Medien, die alle Sparten umfassen. Von Zeitungen und Zeitschriften über Freie Radios und politische Veranstaltungen bis hin zu diversen Internetprojekten scheinen der Gegeninformation keine Grenzen gesetzt. In Kolumbien hingegen leben alternative Medienprojekte und kritische Journalisten gefährlich. Eine kritische und antistaatliche Meinung bedeutet in ständiger Gefahr zu leben. Zu meist werden sie in die Nähe des Terrorismus gestellt. KolumbienInfo bietet wie andere Medien auch die Möglichkeit, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten und bildet eine Gegeninformation zum „Einheitsbrei“. Und ja, KolumbienInfo zeigt sich auch solidarisch mit den Aufständischen der FARC-EP. Dass die FARC-EP in den Medien eine besondere Rolle haben, ist hinlängst bekannt. Kurz noch zur Aufklärung, neun (9) Soldaten wurden bei Kämpfen mit den Aufständischen getötet, nicht sieben und auch nicht sechs (siehe folgendes Beispiel).

Im Folgenden dokumentieren wir ein aktuelles Beispiel im bewaffneten Konflikt aus Kolumbien, aufgeschlüsselt von Jimy Ríos, Mitglied der Klandestinen Kommunistischen Partei Kolumbiens.

Beispiel

Den Fehlinformationen in Kolumbien scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein und zur Probe zeigen wir ein Beispiel. Am Samstag, den 7. April, passierte so ein Fall, der nicht überraschend sein sollte und der eigentlich keines Kommentares Bedarfs was hier im Land passiert und welche Widersprüche er in Bezug auf die Wahrheit im bewaffneten Konflikt aufzeigt.

Vieles, wenn auch nicht genug, haben wir über die Rolle der Medien in Kolumbien versucht zu schreiben, vor allem im Krieg. Viele Tausende Male haben wir investiert, um die Verfälschung der Realität, die Übernahme der Lügen und das Verschweigen von Fakten aufzuzeigen. Es ist die Manipulation der Oligarchie und ihrer falschen Träume.

In den Medien werden getötete Zivilisten als Guerilleros dargestellt und nie wird aber die falsche Demobilisierung der Paramilitärs erwähnt, die mit der Armee Hand in Hand arbeiten bei der Ermordung von Zivilisten und politisch Aktive. Sie haben sich auch nie die Mühe gemacht, die Zahlen des Kriegsministeriums zu überprüfen oder in Frage zu stellen. Die Aussagen der Armee und der Regierung werden einfach übernommen und dienen als staatliche Propaganda.

Außerdem haben wir über die aktive Teilnahme von Journalisten am Konflikt aufmerksam gemacht, wie Gustavo Gómez von Radio Caracol, der sich hämisch freut über den Tod von Guerilleros.

Vier unterschiedliche Medien, die auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene arbeiten, berichteten zu einem selben Ereignis, aber mit verschiedenen Informationen und Anzahl zum Tod von Soldaten bei einer Aktion der FARC-EP.

Betrachten wir zunächst die unterschiedlichen Zahlenangaben: „Mindestens neun (9) Soldaten bei einem Angriff der FARC gegen ein Bataillon in Quibdó, Chocó“ (Radio Caracol, 7. April 2012). „Attacke der FARC in Chocó hinterlässt sieben (7) Tote Soldaten. Drei Guerilleros wurden umgebracht“ (Elespectador.com, 7. April 2012). Sechs (6) Soldaten bei Kämpfen mit der FARC getötet“ (Elcolombiano.com, 7. April 2012). „Kämpfe in Chocó verursachen sechs (6) tote Militärs und zwei tote Guerilleros“ (Eltiempo.com, 7. April 2012). Ari Mauricio Piñeres Salazar, Innenminister der Region, sagte dazu, dass offiziell sechs (6) Soldaten und ein (1) Offizier getötet wurden. Und gemäß dem Geheimdienst wurden mindestens 3 Guerilleros getötet und zwei weitere verletzt, so General Giraldo.
Auch über den Ort und die Art der Aktion gibt es nicht viel Klarheit. Radio Caracol vermutet die Aktion „gegen das Bataillon in Quibdó, Chocó… Das Bataillon Manosalva ist stationiert zwischen dem Flughafen und dem Zentrum von Quibdó.“  Elespectador.com hingegen verlegt die Aktion „nahe der Ortschaft Carmen de Atrato, an der Straße die Quibdó mit Medellín verbindet.“ Außerdem verlautbaren sie, „die Guerilleros hätten den Vorteil von Erdrutschen auf der dadurch geschlossenen Straße ausgenutzt, um die Zivilbevölkerung zu attackieren, weil sie wussten, wie schwierig es für das Militär sein würde, sich hier bewegen zu können.“
In Elespectador.com beschreibt der General Giraldo, Kommandeur der 7. Armee-Division, „dass die FARC geplant hatten, Strommasten in der Region Chocó anzugreifen und dies der Grund gewesen ist, weshalb die Kämpfe begannen.“

Anderweitig wird in Elcolombiano.com behauptet, der Angriff fand auf der Straße zwischen Quibdó und Medellín statt, als die Soldaten die Guerilleros dabei überraschten, als sie Sprengfallen im Ort  El Veinte legen wollten. Und Eltiempo.com sagt dazu: „Der Vorfall ereignete sich am Mittag bei Kilometer 18 auf der Straße, die Quibdó und Medellín verbindet, und wo die Armee einen Kontrollpunkt eingerichtet hat. Nach Aussagen von General Giraldo ist die Situation bereits unter Kontrolle und der Verkehr läuft am Ort des Geschehens.“

Noch einmal: Eltiempo schreibt also, dass der Verkehr wieder laufe, während Elespectador meint, die Straße sei durch Erdrutsche blockiert. Radio Caracol erklärt, es passierte in Quibdó und Elespectador in der Nähe der Ortschaft Carmen de Atrato. Eltiempo schreibt, es war ein Angriff auf ein Kontrollposten der Armee und ein General erzählt, es sollten Strommasten angegriffen werden. Elespectador schwadroniert von einem Angriff auf die Zivilbevölkerung, Radio Caracol berichtet von einem Angriff auf ein Bataillon, während Elcolombiano meint, die Guerilleros seien von Soldaten überrascht worden.

08 April 2012

Neue Militärstrategie in Kolumbien


Mit viel Tamtam kündigte die Regierung Kolumbiens vor kurzem die neue militärische Strategie an, mit dem die Streitkräfte den FARC-EP den endgültigen Schlag versetzen wollen. Passend dazu erfolgten zwei schwere Schläge gegen die Guerilla, als im März zwei Camps bombardiert wurden.


Das Wesen der „neuen“ Strategie ist es, die Guerilla in der Mitte treffen, im Gegensatz zu dem, was noch vor wenigen Jahren von den Streitkräften versucht worden ist. Zuerst war es das Ziel, die Köpfe der FARC-EP auszuschalten, mit der Hoffnung, dass die Masse an Gueriller@s desillusioniert werde und ohne Führung auseinanderbrechen werde. Die erwarteten Demobilisierungen und Aufgaben einer großer Anzahl an KämpferInnen wurde nicht erreicht, obwohl das Militär revolutionäre Führungspersonen wie Raúl Reyes, Iván Ríos, Jorge Briceño und Alfonso Cano tötete. Es gab kaum Auswirkungen auf die Moral der FARC-EP, im Gegenteil, in vielen Kampfeinheiten wurde die Moral dadurch gestärkt und der Kampf für die revolutionäre Sache mit noch größerem Engagement geführt.

Auch wenn sich das Militär auf die Strategie konzentrierte, die Führungspersonen und Mitglieder des Sekretariats des Zentralen Generalstabs der FARC-EP zu töten, vernachlässigte es natürlich nicht, auch jeden anderen Gueriller@ umzubringen. Bekannt wurden viele Tötungen später als sogenannte „Falsos positivos“, getötete Zivilisten, die in der Öffentlichkeit als Gueriller@s deklariert wurden, um Statistiken zu schönen oder Fangprämien abzugreifen. Diesen Zivilisten wurden im Nachhinein Kampfkleidung und Kleidung in Camouflage angezogen oder sie wurden in zivil als Milizionäre der Guerilla präsentiert, die bei den Kämpfen mit den Militärs getötet worden seien.

Die bisherige Strategie des staatlichen Militärapparats ging aber nicht auf, die Guerilla überlebte mehrere Jahrzehnte und konnte bis heute nicht besiegt werden. Die Guerilla änderte ihre Militärtaktik vor einigen Jahren, in dem die Zeit der großen Einheiten, besonders im militärischen Ostblock des Landes, und die Zeit der großen Camps aufgegeben wurde, um sich wieder auf typische Guerillataktiken zu konzentrieren. Während in den 1990er Jahren und zur Jahrtausendwende die FARC-EP zu einer großen Guerilla anwuchs, die mit Einheiten in Bataillonsstärke Militäroperationen durchführte und ein ebenbürtiger Gegner mit den staatlichen Sicherheitskräften war, so änderte sich das Bild in den letzten 10 Jahren. Die Aufrüstung Kolumbiens und die neue Militärtechnologie riefen nach einer Änderung in der Vorgehensweise.
So agierte die Guerilla verstärkt in kleinen beweglichen Einheiten, die Camps und Rückzugsbasen waren beweglich konzipiert und in Gegenden vorzufinden, die als natürlich Rückzugsräume der Aufständischen gelten.

Erkennen kann man die „neue“ Strategie der Militärs besonders an den Luftangriffen auf zwei Camps in Arauca und Meta im letzten Monat, bei der fast 70 Gueriller@s getötet worden sind. Durch infiltrierte Personen in der Guerilla, durch das Bezahlen von Personen für Informationen und durch eine Technologie, wie Infrarottechnik und Drohnen werden die Camps der Guerilla zunehmend leichter aufgespürt. Die Luftwaffe spielt in dieser Strategie zusammen mit ausgebildeten Spezialkräften zur Aufstandsbekämpfung die entscheidende Rolle. Nachdem die Koordinaten und gegebenenfalls die Belegungsstärke eines Camps bekannt sind, beginnt die Operation in der Nacht oder in den dunklen und frühen Morgenstunden. In der Nacht ist die Guerilla am verwundbarsten, da kein aktives Verteidigungssystem vorhanden und sich gegen Flugzeuge und Bomben nur schwer zu verteidigen ist. Am Tag hingegen ist jedes Camp durch verschiedene Verteidigungsringe gesichert und der Luftraum leichter zu überwachen. Die Nachtwachen in den Camps haben daher eine schwere Aufgabe und müssen ständig konzentriert sein, um Motorengeräusche aus der Luft zu orten. Das Chaos und die Angst ausnutzend, seilen sich dann einige Stunden später Spezialkommandos aus Kampfhubschraubern ab, um die Camps zu besetzen sowie getötete Gueriller@s zu identifizieren, Verletzte gefangen zu nehmen und Technik und Waffen zu konfiszieren und auszuwerten.

Zunehmend agieren auch die kolumbianischen Sicherheitskräfte in kleineren Einheiten, die mobiler sind und weniger leicht aufgerieben werden können. Zuvor besann sich das Militär auf große Patrouillen, in der Hoffnung, Respekt und eine große Feuerkraft ausstrahlen zu können. Doch die Angriffe in den zurückliegenden Jahren haben die Änderung hin zu kleineren Einheiten bewirkt. Weiterhin aktuell sind jedoch militärisch aufwendig gesicherte Igelstellungen und Stützpunkte im rückwärtigen Raum, um die staatliche Präsenz auch in scheinbar „regierungsfernen“ Regionen aufrechtzuerhalten und größere Ortschaften und strategisch wichtige Punkte wie größere Ortschaften, Straßen oder Brücken, aber auch wirtschaftlich wichtige Gebiete (Bodenschätze, Landwirtschaft, Infrastrukturprojekte wie Wasserkraftwerke, Stromleitungen, Sendemasten) abzusichern. Versorgt werden diese Stützpunkte von Bataillonen in der Region, dann durch Patrouillen, oder durch die Luft. Entstanden sind viele der Militär- und Polizeistützpunkte in der Zeit unter dem Präsidenten Uribe und seiner Militärdoktrin „Plan Patriota“ und „Plan de Consolidación“.

Dazu kommt die militärische Unterstützung aus den USA. Schon in den 1960er Jahren entwickelte das US-Militär Pläne zur Aufstandsbekämpfung für Kolumbien. Spätestens jedoch seit dem „Plan Colombia“, welcher Ende der 1990er Jahre von Präsident Pastrana erstellt und durch Nordamerika und Europa finanziert wurde, ist die Präsenz von US-Militärs in Kolumbien allgegenwärtig. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass die kolumbianische Regierung die USA nun erneut nach Militärhilfe anfleht, um die Guerilla zu bekämpfen. Nun soll vor allem, passend zur „neuen“ Strategie, auf Flugzeuge und erfahrene Militärs (Irak, Afghanistan) gesetzt werden.

Zuletzt lohnt es sich einen kurzen Blick auf die ethisch-moralischen Aspekte zu legen. Nach Angriffen der Guerilla berichten die Medien von feigen Angriffen und Terrorakten. Was jedoch sind Bombenangriffe in der Nacht auf Camps, in denen Menschen schlafen? Sind es die heroischen Helden Kolumbiens, die sich aus Hubschraubern abseilen um vor entstellten Gueriller@s zu posieren? Ist es notwendig in einem Land, in dem seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg existent ist, den Tod von 30 oder 40 Menschen zu feiern? Sind die Gueriller@s etwa keine Menschen und weinen die Mütter nicht genauso um sie?
Nach jedem Angriff von kolumbianischen Militärs auf Camps der Guerilla werden die Leichen in allen Medien wie Vieh präsentiert. Die Berichterstattung soll ein kollektives positives Gefühl bei dem Anblick von bombardierten Camps und getöteten Gueriller@s vermitteln.
Doch diejenigen, die den Krieg führen, gehören der Oligarchie an. Die da oben können nur befehlen, aber sie selber haben keine Waffen in der Hand und müssen in den Kampf ziehen. Sie befehlen andere Menschen, die für die Interessen einer kleinen Schicht ihr Leben riskieren müssen. Die FARC-EP feiern keine Volksfeste und rühmen sich nicht, wenn Soldaten und Polizisten im Kampf sterben. Denn sie wissen, dass ein Großteil jener gezwungen wird und dass es für viele Kolumbianer die einzige Möglichkeit ist, um Geld zu verdienen und so überleben zu können.

Der einzig mögliche Weg, um Frieden zu erreichen, ist eine politische Lösung und die Beseitigung der Ursachen, die zu dem Bürgerkrieg führen. Der Teufelskreis der Gewalt wird immer wieder Gueriller@s töten, aber es werden auch immer wieder neue in die Fußstapfen der Gefallenen treten, die den Kampf für ein neues und gerechtes Kolumbien fortsetzen.

04 April 2012

Kolumbien zwischen Krieg und Frieden


In den letzten Tagen spitzte sich der bewaffnete Konflikt in Kolumbien noch einmal zu. Abwechselnd gab es sowohl in den pro-staatlichen als auch in den kritischen Medien Berichte über Kämpfe und Militäraktionen zwischen Staat und FARC-EP zum einen und die angekündigte einseitige Freilassung von kriegsgefangenen Soldaten und Polizisten durch die FARC-EP zum anderen. Hoffnung und Resignation, eine Lösung für den Konflikt zu finden, wechselten sich ab. Letzte Befürchtungen, die provokanten Militäraktionen der Regierung könnten die Freilassung gefährden, bestätigten sich nicht. Sowohl Guerilla als auch soziale Bewegungen hatten vermutet, die Regierung wolle absichtlich durch die Militäraktion den Prozess der Freilassung verhindern, um so die Glaubwürdigkeit und das zuletzt gestiegene Ansehen der Guerilla zu schädigen.


Am 21. März bombardierte die Armee als Reaktion auf einen zuvor getätigten Angriff durch die Aufständischen mit fünf Flugzeugen vom Typ „Super Tucano“ ein Camp der FARC-EP in Arauca (Nordöstliches Kolumbien), welches zur 10. Kampffront gehörte. Die 10. Kampffront ist eine der wichtigen und aktiven Fronten im östlichen Militärblock der FARC-EP in der strategisch und reich an Bodenschätzen gelegenen Region, die an Venezuela grenzt. Gemäß der Militärstrategie zur Aufstandsbekämpfung wurde das Camp zuerst um 1 Uhr in der Nacht bombardiert und später seilten sich 75 Soldaten einer Spezialeinheit, unterteilt in sechs kleine Einheiten, aus Hubschraubern ab. Hierbei fanden die Militärs 33 tote Guerilleros, zwei weitere wurden gefangengenommen.

Am 26. März erfolgte ein weiterer schwerer Angriff auf ein Camp der FARC-EP. Diesmal fand die Attacke im südlichen Meta statt, in einer Region, die seit Jahren von den FARC-EP kontrolliert wird. Um kurz vor 3 Uhr in der Nacht, wurde das Camp zuerst mit 10 Tonnen Bomben ausgelöscht und später durch 110 Spezialkräfte besetzt. Zu Gefechten kam es in der dschungelähnlichen und mit Canons durchzogenen Gegend nicht. Gefunden wurden im zerstörten Camp 34 tote Guerilleros und einige Verletzte, wobei zwei später noch verstorben sein sollen. Nach staatlichen Berichten soll sich in dem Camp zur Zeit des Angriffs eine Schulung für höhere Ränge in der politisch-militärischen Hierarchie befunden haben. Bei jenem Schlag gegen die 27. Kampffront der FARC-EP sollen so unter anderem der neue Kommandant dieser Front und weitere höhere Ränge von Kampffronten und mobilen Einheiten getötet worden sein.

In den FARC-EP gibt es den Anspruch, alle Guerilleros durch Kurse zu bilden. Diese umfassen Unterricht zum Lesen und Schreiben, aber auch politisch-militärische Kaderbildung. Viele einfache Guerilleros vom Land haben nie Lesen und Schreiben gelernt und werden im Laufe der Guerillazeit unterrichtet. Für die politisch-militärisch hohen Ränge werden aber immer wieder Spezialkurse initiiert, die unter anderem durch die mobile Kaderschule „Isaías Pardo“, benannt nach einem Mitgründer der FARC in den 60iger Jahren, durchgeführt werden. Diese in den späten 90iger Jahren gegründete Kaderschule zieht so zu den verschiedenen Kampffronten und Einheiten, um Kommandanten und andere Ränge zu schulen.

Für die FARC-EP waren die beiden Angriffe die schwersten Schläge der letzten Jahre. Seit der Aufreibung und Vernichtung der 500 Mann starken Einheit von Ciro Trujillo durch das Militär in der zentralkolumbianischen Region Quindío im Jahr 1966, wurden nie mehr als 30 Guerilleros in einer Militäraktion und fast 70 in nur fünf Tagen getötet. Der bisher schwerste Angriff fand im September 2010 bei einer Bombardierung eines Camps in Putumayo, an der Grenze zu Ekuador, statt, hierbei wurden 27 Guerilleros getötet. Nicht vergessen werden sollen die Angriffe des Militärs im Jahr 2008 und die Tötung von Mono Jojoy 2010 und Alfonso Cano im Jahr 2011. Der militärische Ostblock der FARC-EP muss, obwohl kommandierende Ränge innerhalb der Guerilla schnell ersetzt werden sollen, nun eine Neuorganisierung vorantreiben und wird dadurch voraussichtlich erheblich geschwächt werden.

Diese Angriffe reihen sich ein in eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in den letzten Jahren. Mit dem „Plan Colombia“ wurde Ende der 90iger Jahre die Initiative für Militärprogramme zur Bekämpfung der Guerilla geschaffen, die nun ausschließlich auf dem militärischen Weg erfolgen sollte. Nicht von ungefähr kommt aktuell die Forderung der kolumbianischen Regierung an die USA, weitere Flugzeuge und Soldaten mit Kampferfahrungen aus Irak und Afghanistan nach Kolumbien zu senden. Zunehmend suchen die kolumbianischen Militärs durch Infiltration an Informationen zu kommen, durch Bombardierungen die Hauptgefahr auszuschalten und durch anschließende Bodeneinsätze die Camps der FARC-EP einzunehmen.

Zeitgleich gab es in den zurückliegenden Jahren seitens der FARC-EP immer wieder den Versuch, den Konflikt politisch zu lösen. Als ein Versuch gilt zum Beispiel die Idee, einen Austausch von Kriegsgefangenen mit der Regierung durchzuführen. Immerhin sitzen Hunderte Guerilleros in den kolumbianischen Gefängnissen. Doch was in Israel und anderen Ländern möglich ist, bleibt in Kolumbien nur ein ferner Traum. Als Geste zur Bekräftigung des politischen Willens, führten die FARC-EP mehrmals einseitige Freilassungen von staatlichen Sicherheitskräften durch, die sich als Kriegsgefangene in ihren Händen befunden hatten. Ein Höhepunkt in der auf die Regierung zugehenden Entwicklung ist nun die Ankündigung, auf Entführungen zur Geldeinnahme bei Millionären zu verzichten und die erfolgte Freilassung der letzten 10 Kriegsgefangenen.

Zynischer Weise vom selben Flughafen in Villavicencio (Meta), von dem aus der Angriff auf das Camp der FARC-EP  vor wenigen Tagen erfolgte, startete ein Hubschrauber des Internationalen Roten Kreuzes mit der Ex-Senatorin Piedad Córdoba an Bord. Diese hatte die Koordinaten für den Treffpunkt mit der Guerilla. Ziel war ein Dorf mit Namen Mocuare, gelegen am Fluss Guaviare zwischen den Departements Meta und Guaviare. Geflogen wurde der Hubschrauber von brasilianischen Piloten, mit dabei zwei Personen des Internationalen Roten Kreuz und ein Mitglied der Friedensorganisation „Kolumbianerinnen und Kolumbianer für den Frieden“, um die Neutralität zu wahren. Brasilien hatte früh seine Unterstützung angeboten. Ein weiterer Hubschrauber verblieb am Flughafen und sollte nur für Notfälle eingesetzt werden. Nur kurze Zeit verblieben die ehemaligen Gefangenen auf dem Flughafen, trafen auf ihre Familien, wurden ärztlich untersucht und flogen weiter nach Bogotá, wo weitere Untersuchungen erfolgen sollen.

Mit der Freilassung der vier Soldaten und sechs Polizisten versuchen die FARC-EP erneut, sich national und international Gehör zu verschaffen. Damit haben die FARC-EP erneut den ersten Schritt auf die Regierung unter Präsident Santos gemacht und erwarten nun eine Antwort, die sich in einen Dialog ausdrücken sollte. Bisher hat die Regierung aber jeden Kontakt und Dialog mit der Guerilla abgelehnt und die Aufrüstung vorangetrieben. In einem Dialog würde es zum einen um die Anerkennung der Guerilla als einen politischen Akteur gehen, davor scheut die Regierung jedoch. Zum anderen haben die FARC-EP mehrmals bekräftigt, dass sie die Anerkennung der politischen Gefangenen als politische Gefangene fordern, die Regierung behandelt sie jedoch als gewöhnliche Gefangene und Kriminelle in unzumutbaren Zuständen. Außerdem wurden Besuche von Menschenrechtsorganisationen in den Gefängnissen verweigert.

In einer Botschaft der FARC-EP vom Montag (02.04.), die im Zuge der Freilassung der 10 Kriegsgefangenen veröffentlicht wurde, erklären die Aufständischen wiederum ihr Interesse für einen politischen Dialog mit der Regierung und bekräftigen die Beendigung von Entführungen. Nun liege es an der kolumbianischen Zivilgesellschaft und an der Regierung, die nächsten Schritte zu tun. Präsident Santos sagte nur kurz: „Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist nicht ausreichend.“