Am 29. April des Jahres 2000 gaben die FARC-EP die Gründung
einer neuen politischen Organisation mit dem Namen „Movimiento Bolivariano por
la Nueva Colombia“ (kurz: MB) bekannt. Damit reagierten sie auf ihr Problem,
keinen politischen Arm mehr nach außen zu haben. Um die Geschichte der
politischen Einflussnahme darzustellen, muss aber erst einmal historisch
ausgeholt werden.
Im Jahr 1985, während der Friedensverhandlungen der FARC-EP mit
der Regierung unter Betancurt, entstand der Gedanke einer linken übergreifenden
Partei als eine politische Lösung des bewaffneten Konflikts. So wurde die Unión
Patriótica (UP) gegründet, in welcher die FARC-EP neben der Kommunistischen
Partei Kolumbiens (PCC) und einigen anderen sozialen Akteuren wie den
Gewerkschaften maßgeblich mitwirkten. Die Gräben im kolumbianischen Konflikt
und der staatlich geduldete Terror waren jedoch so groß, dass eine regelrechte
Jagd auf Mitglieder und Sympathisanten der UP veranstaltet wurde. Selbst Jahre
nach dem Ende des politischen Projekts wurden noch Personen ermordet, so zum
Beispiel der ehemalige Parteiführer für die Provinz Arauca im Jahr 2001. Zwar
hörte die UP 1998 offiziell auf zu existieren, doch das politische Projekt war
wegen des systematischen Mordens und Einschüchterungen schon eher gescheitert.
Nachdem die Friedensverhandlungen Anfang der 90er Jahre
zwischen FARC-EP und Regierung endgültig gescheitert waren, intensivierten sich
die Kämpfe zwischen allen beteiligten. Mitte der 90er Jahre erreichte die
FARC-EP mit mehr als 25.000 KämpferInnen ihre größte Stärke und Aktivität.
Aufgrund der Haltung der FARC-EP in den 90er Jahren, den militärischen Weg der
Einflussnahme zu nehmen, kam es zu Zerwürfnissen mit der PCC. Diese bevorzugten
den politischen und demokratischen Weg, auch wenn dieser wie im Falle der UP
nicht sehr einfach schien und als gescheitert galt. Als Antwort auf das
Zerwürfnis wurde von der FARC-EP im Jahr 2000 die „Partido Comunista
Clandestino de Colombia“ (kurz: PCCC oder PC3) gegründet, eine Partei, die sich
vorrangig aus AnhängerInnen der FARC-EP rekrutiert. Wichtigster Bestandteil der
PCCC ist die politische Zelle, die sich aus 3-5 und in ländlichen Regionen aus
bis zu 7 Personen zusammensetzt. Die PC3 gilt als reine Kaderpartei klassischen
Typs, die Ziele sind die politische Rekrutierung und die heimliche Besetzung
von hohen Positionen. Politisch ist diese Partei allerdings nur im Untergrund
tätig, eine Massenbasis ist aufgrund des Anspruchs zur Herausbildung von
politischen Kadern eher nicht gewollt.
Weil der FARC-EP bis dato also immer noch eine politische
Struktur nach außen fehlte, wurde das „Movimiento Bolivariano por la Nueva
Colombia“ gegründet. Das MB beruft sich, wie der Name schon verrät, auf die
Ideale des Freiheitskampfes von Simón Bolívar und auf den Sozialismus, ist
jedoch eine eher klandestin arbeitende Bewegung. Das MB ist keine Partei,
sondern soll den bewaffneten Kampf über eine breite Basis stärken, so gesehen
gilt diese Bewegung eher als eine Plattform. Die Klandestinität soll die
Sicherheit die Mitglieder schützen, denn aus den Erfahrungen der UP wurde
letztendlich gelernt. Zudem wird die Guerilla von Kolumbien, den USA und Europa
als terroristische Organisation eingestuft, weshalb ihr nahestehende
Organisationen verboten sind. Vereinstypische Merkmale wie Mitgliederzahlen,
Statuten oder Vereinsstrukturen sucht man deshalb vergeblich. Bei dem MB
handelt es sich größtenteils um Personen, die mit den FARC-EP und/oder mit den
politischen Zielen des bewaffneten Kampfes im Allgemeinen sympathisieren. Es
ist angedacht, bei günstigen gesellschaftlichen und politischen
Voraussetzungen, wie zum Beispiel bei einem Friedensprozess, eine Partei zu
gründen. Die jüngeren Mitglieder des MB sind im „Movimiento Juvenil Bolivariano
(MJB)“ organisiert, Mindestalter sind 15 Jahre, zudem muss die Person als
zuverlässig eingestuft werden und von mindestens einer Person bekannt sein.
Organisiert sind sie ähnlich der PC3 in kleinen Zellen, die nach Region, Stadt,
Universität oder Fabrik unterteilt werden. Aktueller Vorsitzender des
Movimiento Bolivariano ist Pablo Catatumbo. Die Mitglieder des MB machen
relativ viele Propagandaaktionen, unter anderem bei Demonstrationen, in den
Vierteln, in den Schulen und in den Universitäten. Vom MB wird eine
unregelmäßig erscheinende Zeitung mit dem Namen „Dignidad“ herausgegeben.
Weitere Ziele sind Veranstaltungen, politische Schulung, Rekrutierung und die
gesellschaftliche Einflussnahme zugunsten der Guerilla, besonders in den
urbanen Zentren, denn die FARC-EP sehen sich historisch eher auf dem Land
verortet.
12 Jahre im
Untergrund – 12 Jahre Kampf und Widerstand
Als Humanisten, wie wir es sind, wollen wir den Frieden und
eine politische Lösung im sozialen und bewaffneten Konflikt Kolumbiens. Aber
viele Personen, die sich für eine politische Lösung einsetzen und einen
friedlichen und zivilen Ausweg für das Problem suchen, werden vom Staat und den
Paramilitärs malträtiert, verschleppt und ermordet. Dieser traurige Fakt ist
ein wesentlicher Bestandteil in der offiziellen kolumbianischen
Regierungspolitik. Als Beispiel hierfür stehen die mehr als 5000 Toten der
Unión Patriótica, einer ehemaligen linken Partei, die Mitte der 80er Jahre bis
in die 90er Jahre aktiv war.
Kolumbien hat ein undemokratisches politisches System, es ist zutiefst reaktionär, es schließt die armen Schichten aus und lässt die reiche Schicht, die kolumbianische Oligarchie, profitieren. Die Oligarchie als eine politische Kaste, die die öffentliche Hand wie die eigene Beute betrachtet, das Land mit Hilfe anderer neoliberaler Länder ausbeutet und die aufbegehrende Bevölkerung terrorisiert. Das Wahlsystem, die Präsidentschaft, das Parlament, das Militär, die Medien, die Justiz, die Sicherheitsorgane, ja alles ist organisiert und dient denjenigen, die sich als herrschende Klasse des Landes sehen; die Kaste der Oligarchie bestehend aus der Mafia und korrupten Politikern.
Während dieser 12 Jahre wuchs die Bewegung im ganzen Land
und ist heute im ganzen kolumbianischen Territorium präsent. Der politische
Kampf und die Vermittlung der revolutionären Sache wird in den Universitäten
mit den Studierenden, in den weiterführenden Schulen mit den SchülerInnen, in
den Fabriken mit den ArbeiterInnen, in den Büros, auf der Straße und auf dem
Land durchgeführt. Teil unseres Kampfes sind jene, die seit über 500 Jahren
gegen Ausbeutung und für soziale Gerechtigkeit Widerstand leisten. Es sind die
verschiedenen diskriminierten Ethnien der Indígenas, Afros, Sozial-schwache aus
Dörfern, Städten und marginalen Vierteln, die keine Arbeit, keine Schule, kein
Studium, also keine Perspektive haben. Mit diesen allen wollen wir uns
vereinen, klandestin organisieren und Seite an Seite für ein neues und
gerechtes Kolumbien sowie für die Träume Simón Bolívars kämpfen.
„Alle sind eingeladen das neue
Werkzeug im Kampf zu organisieren, welches wir „Movimiento Bolivariano por la
Nueva Colombia“ nennen werden und mit dem wir die neue Zukunft auf unsere
historischen Werte des Landes begründen werden. Um die Kräfte und Hoffnungen zu
bündeln und das zu vollenden, was Simón Bolívar einst begann und zu Ende
gebracht gehört: Die lateinamerikanische Integration, die nationale
Unabhängigkeit und die soziale Gerechtigkeit.“
Aus:
Manifiesto Bolivariano por la Nueva Colombia, 25. März 2000