Viele Wochen und Monate plante die breite
Friedensbewegung und politische Opposition diesen Tag mit Demonstrationen im
gesamten Territorium und in den Provinzhauptstädten. Hunderttausende nahmen
daran teil. Ein kurzer Überblick…
Zu den Aufrufen des Tages der Erinnerung und der Opfer am
9. April mobilisierten fast alle politischen und sozialen Bewegungen des
Landes, einschließlich die Guerillabewegungen FARC-EP und ELN. Der historische
Kontext kommt aus der kolumbianischen Friedensbewegung, die das Datum
symbolisch auf den Todestag von Jorge Eliecer Gaitán legten, dem
fortschrittlichen liberalen Anführer, der am 9. April 1948 von konservativen
Kräften ermordet wurde und einen Bürgerkrieg auslöste. So mobilisierten Bauern,
Indigene, Afrokolumbianer, Studenten, Schüler, Arbeiter und viele
marginalisierte Bevölkerungsschichten und ihre Organisationen zu diesem Tag.
Dabei fanden die Veranstaltungen und Demonstrationen nicht nur in den großen
Städten wie Bogotá, Cali, Medellín, Popayán, Barranquilla, Bucaramanga, Neiva und
Cúcuta statt, sondern auch in vielen ländlich geprägten Regionen. Gerade diese
Regionen sind vom bewaffneten und sozialen Konflikt betroffen und legen große
Hoffnungen in den derzeitigen Friedensprozess zwischen FARC-EP und Regierung.
Alleine in Bogotá trafen sich rund 10.000 Personen am
Vormittag vor dem nationalen Erinnerungszentrum in der Nähe des
Zentralfriedhofs, um von dort auf der Calle 26 in Richtung Parque Simón Bolívar
zu laufen. Dabei schwoll die Demonstration auf viele Tausende weitere
Demonstranten an, die sich besonders im Bereich der Nationalen Universität
anschlossen. Unterstützt wird die Abschlussveranstaltung am Abend durch den
aktuellen Bürgermeister Gustavo Petro. Im Parque Simón Bolívar wird es ein
großes Konzert geben. Am morgigen Tag wird es ein Fußballspiel für den Frieden
geben, an dem unter anderem Weltstar Diego Maradona teilnehmen wird. Der
Nachteil der großen Mobilisierung: Alleine in Bogotá werden bis zu 8000
Polizisten und Sicherheitskräfte die Veranstaltungen und Demonstrationen überwachen,
bei der über 100.000 Teilnehmer partizipieren werden.
In Cali, der Hauptstadt von Valle del Cauca und Zentrum
der südlichen Pazifikküste, werden aktuell 60.000 Personen erwartet. Zwei große
Demonstrationszüge, einer aus dem Norden und ein anderer aus dem Süden, treffen
sich im Zentrum der Stadt in der Nähe der Kommunalverwaltung. Auch hier sind
die Ziele und Forderungen die gleichen, wie überall: Ein bilateraler
Waffenstillstand der Regierung mit der FARC-EP und Einbeziehung des ELN in die
Friedensverhandlungen. In Medellín werden etwas weniger Teilnehmer erwartet.
Hier liegt der Fokus besonders in der Beteiligung der Nachbarschaftsinitiativen
der marginalen Viertel (Comunas). In den zurückliegenden zwei Jahrzehnten waren
diese im besonderen Maße von gewalttätigen Auseinandersetzungen betroffen und
von verschiedenen Milizen und paramilitärischen Gruppen gesteuert.
In Popayán, der Hauptstadt der Region Cauca, sind
besonders Bauern und indigene Gemeinschaften in die Organisation involviert.
Aktuell nehmen 5000 Personen an einem Marsch teil, der in der Nähe der
Panamericana begonnen hat und in Richtung historischen Zentrum der Stadt zieht.
Des Weiteren wollen die zu Tausenden angereisten Indigene weiter in ihre
angestammten Regionen wie Corinto weiterziehen. Auch in der Nachbarprovinz
Huila findet eine Demonstration in der Hauptstadt Neiva statt. In Barranquilla wird
für die Karibikküste mobilisiert, während sich andere Regionen in anderen
großen Städten wiederfinden. So finden auch kleinere Demonstrationen in den vom
bewaffneten und sozialen Konflikt betroffenen Regionen wie Arauca oder
Santander statt. So wurden auch in Kleinstädten Demonstrationen der lokalen
Bauernvereinigungen angemeldet. Letztendlich wird sich am Ende des Tages
zeigen, wo und vor allem wieviel Demonstrationen im Land durchgeführt wurden.
Zum heutigen 9. April veröffentlichte die
Friedensdelegation der FARC-EP aus dem Verhandlungsort Havanna eine Botschaft
an das kolumbianische Volk und die Teilnehmenden der Demonstrationen. In vielen
Städten wird die Botschaft übertragen werden. Sie erhoffen sich zusätzlich von
den Demonstrationen, dass die Regierung unter Präsident Santos den Ruf nach
grundlegenden Wechseln aus dem Konflikt und der Tragödie erhört. Der Frieden
ist nicht der der Guerilla oder der der Regierung, sondern der aller
Kolumbianer, so die Botschaft. Wenn über die Transition geredet wird, dann muss
es bis zur sozialen Gerechtigkeit gehen, die es erlaubt, Ungleichheiten zu
beseitigen die breite Bevölkerung in Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen.
Wiederholt macht sich die FARC-EP für eine konstituierende verfassungsgebende
Versammlung stark. Mit einem Zitat von Jorge Eliecer Gaitán endet die
Botschaft: „Selig sind diejenigen, die verstehen, dass die Worte von Harmonie
und Frieden nicht verwendet werden dürfen, um sich hinter Ressentiments und
Vernichtung zu verstecken.“