15 März 2012

Ist Frieden möglich?

Es schien so, als wäre mit der Ankündigung der FARC-EP, alle Kriegsgefangenen freizulassen und zukünftig die Entführungen beenden zu wollen, die Zeit reif für einen neuen Dialog zwischen Aufständischen und Regierung. Doch es mehren sich die Zeichen, dass die Regierung weiterhin kein Interesse an Frieden für den jahrzehntelangen Konflikt hat.


Das Sekretariat des Zentralen Generalstabs der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC-EP) informierte in einem Kommuniqué über die Freilassung der letzten 10 Kriegsgefangenen in den kommenden Tagen, die sich noch in ihren Händen befinden.
Diese Nachricht wurde mit einiger Verwunderung in Washington und in Europa aufgenommen und war Gegenstand mehrerer Spekulationen.

Es war bekannt, dass die ausgeklügelten elektronische Hilfsmittel der kolumbianischen Luftwaffe, die durch das Pentagon zur Verfügung gestellt werden, es jetzt einfacher machen, die mobilen Camps der FARC-EP in den Bergen und im Dschungel genau zu lokalisieren, in denen sich die letzten Kriegsgefangenen befinden.

Gleichzeitig wurde Verrat durch die Regierung in Bogotá ermöglicht, die Belohnungen von Millionen Dollar anboten, für Informationen und Auslieferungen von Gefangenen und Befehlshabern der Guerilleros an das Militär. Ingrid Betancourt gilt als prominentes Beispiel von vielen anderen, bei denen riesige Geldsummen geflossen sind.

Die Erklärung, zukünftig auf Entführungen in Bezug auf das Eintreiben der Revolutionssteuer zu verzichten, schürte ebenfalls verschiedenartige Kommentare und Behauptungen in den Medien. Einige sehen mit dieser Erklärung die FARC-EP kurz vor ihrem drohenden Untergang. Es sei noch einmal daran erinnert, dass dieser drohende Untergang der FARC-EP in den letzten Jahrzehnten zu einer Dauerschleife in den Medien wurde.

Sicher, die FARC-EP erlitten schwere Schläge in den letzten Jahren. Mit der Militarisierung des Landes und den Militärprogrammen der Regierung Uribe, und aktuell unter Santos, verloren die FARC-EP ein Teil ihrer KämpferInnen, wichtige Kommandierende wie Raúl Reyes, Mono Jojoy und Alfonso Cano, aber auch Strukturen wie einige Kampffronten, hier insbesondere jene in Cundinamarca, Boyacá und die städtische Front „Antonio Nariño“ in Bogotá. Aber ein halbes Jahrhundert sozialer Kämpfe in den Bergen, Wäldern und Dörfern und Städten eines Landes sind nicht sofort auszulöschen. Heute, nach mehr als 48 Jahren des bewaffneten Kampfes in Kolumbien und nach einer Änderung ihrer Strategie hin zu den Grundwerten der Guerilla mit Schwerpunkten in der sozial-politischen Basisarbeit, hat sich die Guerilla konsolidiert, sie verfügen über mehr als 10000 KämpferInnen und haben Einfluss in einem Fünftel der insgesamt 1100 kommunalen Gemeinden im gesamten Land und eine kontinuierliche Präsenz in 18 der 32 Departamentos.

Und wiederholt haben die FARC-EP, und jetzt kommen wir auf das Kommuniqué zur Freilassung der Kriegsgefangenen und zur Einstellung der Entführungen zurück, der Regierung die Notwendigkeit vorgeschlagen, Wege nach einem friedlichen Ende des Konflikts zu suchen. Der Schritt der einseitigen Freilassung aller Kriegsgefangenen und die Einstellung der Entführungen zum Eintreiben der Revolutionssteuer können daher als große symbolische und ernsthafte Geste angesehen werden, bestimmte Forderungen der Regierung zu erfüllen, die diese als Vorbedingung für die Möglichkeit von Gesprächen ansieht. 

Auch die kolumbianische Gesellschaft mobilisiert mehr und mehr für eine Dialog-Lösung als zu einem Hochrüsten. Militärisch, so scheint es, kann die Guerilla nur schwerlich geschlagen werden. Dafür ist sie in vielen Regionen des Landes zu sehr Teil der Bevölkerung. Doch lässt sich die Regierung von Juan Manuel Santos, nach den gescheiterten Versuchen von San Vicente del Caguán (1998-2002), noch einmal dazu hinreißen?

Ein Dialog würde die Gleichbehandlung der FARC-EP als einen politischen Partner bedeuten. Dies steht jedoch konträr zur aktuellen Politik der Regierung, die die FARC-EP als Drogenterroristen darstellen und ihr jegliche politische und soziale Programmatik abzusprechen. Zuletzt konnte jenes Phänomen bei der missglückten Befreiung von Kriegsgefangenen aus den Händen der FARC-EP im November letzes Jahr beobachtet werden. Diese Scheuklappenpolitik steht also im Widerspruch zur Politik eines dialogfördernden Weges.

Andere befürchten während der Friedensverhandlungen eine Stärkung der FARC-EP, sowohl auf militärischer, als auch auf politisch-anerkannter Ebene. Genau wie die Regierungen, haben auch die FARC-EP Phasen von Gesprächen genutzt, um sich neu zu organisieren und aufstellen zu können. Die in Friedensgesprächen meist einhergehende Waffenruhe sorgt dafür, dass die FARC-EP in ihren Basen und Camps keine vorsätzliche Angst vor dem Militär zu haben braucht und Verschiebungen vornehmen oder ihre Basen und Camps weiter ausbauen kann. Auf politischer Ebene wären die FARC-EP nun in der Lage, ganz legal und offiziell Kontakt zu den sozialen Bewegungen halten zu können. Schon jetzt, wo in Kolumbien die sozialen Bewegungen stetig an Kraft gewinnen, spielen die FARC-EP eine große Rolle um Kontakt und Einfluss. Will die Regierung diese Kraft, die gegen sie gerichtet ist, weiter ausbauen?

International gibt es derzeitig so viele Möglichkeiten wie noch nie, um eine Unterstützung für eine politische Lösung des Konflikts zu bekommen. Mit Correa, Chávez, Morales, Ortega oder Rouseff stehen einige in der Schlange, die sich zum Konflikt geäußert haben und denen es ideologisch zu Gute kommen würde, wenn der Konflikt politisch und friedlich gelöst werden würde. Santos hat es immerhin geschafft, das Verhältnis zu seinen Nachbarländern glätten zu können. Doch innenpolitisch lässt er sich nicht in die Karten schauen und nur mit Zähne knirschen darf Brasilien mit dem Internationalen Roten Kreuz als neutraler Vermittler bei der Freilassung der Kriegsgefangenen aktiv werden.

Eine ernsthafte Lösung des Problems seitens der Regierung darf bezweifelt werden. Mit immer neuen halboffiziellen und eigentlich auch kaum einlösbaren Forderungen an die Guerilla, ihr gleichzeitig im Ton aber unverändert diskriminierend gegenüber, wird man keine offenen Ohren gewinnen können.  Im Gegenteil, bisher zeigen einzig und allein die Aufständischen ihr Bekenntnis zu eventuellen Friedensgesprächen, während die Regierung gute Miene zum bösen Spiel zeigt. Frieden wird im Land offensichtlich nicht gebraucht.