25 März 2012

Mit Vorurteilen aufräumen!

Im folgenden Artikel soll versucht werden, Antworten auf typisch vorurteilsbehaftete Fragen in Bezug auf die kolumbianischen Aufständischen der FARC-EP zu geben. Der Frage-Antwortkatalog dient zum Hinterfragen der üblichen staatlichen Propaganda und der unreflektierten vorherrschenden Meinung und bietet eine andere Sichtweise über die Guerilla und den bewaffneten Konflikt in Kolumbien.


Warum und wofür kämpfen die FARC-EP?

Der Kampf der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee (FARC-EP) ist der des kolumbianischen Volkes und jener Lateinamerikas. Es ist die Antwort von unten gegen die systematische Repression und Gewalt von oben, der Oligarchie. Die FARC-EP suchen Alternativen wie demokratischen Zusammenleben mit sozialer Gerechtigkeit unter voller Ausübung der Souveränität des Landes. Dies bedeutet die politische und soziale Teilhabe der Bevölkerung hin zu den sozialistischen Werten einer Gesellschaft.
Die Gründe für den Kampf der FARC-EP sind immer noch die gleichen wie bei der Gründung im Jahr 1964. Seit dem ist die Repression, Unterdrückung und institutionalisierte Gewalt von oben nicht weniger geworden. Die Armut wurde nicht beseitigt, die Ausbeutung des Landes, der Ausschluss der Bevölkerung an Entscheidungen, an Teilhabe und Wohlstand und die Verletzung der Menschenrechte sind weiterhin aktuell.
Die armen Menschen, die einfachen Menschen, Arbeitende, Bauern, Frauen, Indígenas, Studierende und andere benachteiligte Gruppen haben keine Möglichkeit für ein Leben in Würde und mit Optionen auf grundlegende Verbesserungen. Ihre fundamentalen Rechte ergründen sich nur auf dem Papier, in der Realität jedoch interessieren sie niemanden. Die FARC-EP kämpfen für ein neues Kolumbien, an den bolivarischen, lateinamerikanischen und sozialistischen Werten orientiert. Deshalb wollen sie zusammen mit allen KolumbianerInnen die Macht erobern, um soziale Gerechtigkeit zu erreichen.


Ein Drogenkartell oder eine revolutionäre Organisation?

Die kolumbianische Oligarchie und die USA, hier insbesondere das Pentagon und die CIA, betonen ein ums andere Mal, dass die FARC-EP eine Drogenbande, ein Drogenkartell seien und keine kommunistische Guerilla. Aber ist es wirklich so? Was ist der Ursprung dieser Terminologie und der falschen Anschuldigungen, um die Aufständischen politisch zu delegitimieren?
Im November 1983 ordnete der General Luis Eduardo Roca Maichel (vom US-Militär ausgebildet) die Verlegung einer Einheit zur Aufstandsbekämpfung an, um die Beseitigung eines Drogenlabors zur Herstellung von Kokain durchzuführen, es aber anschließend an der brasilianisch-kolumbianischen Grenze wieder neu zu errichten. Diese Operation dauerte zwei Monate und wurde „Misión Rompedor 83“ getauft. Die dafür vorhergesehenen Flugzeuge kamen von der Basis in Apiay. Im März 1984 kam die ganze Geschichte heraus und wurde ein internationaler Skandal. Das Labor wurde entdeckt und als „Tranquilandia“ (ruhiges Land) bezeichnet. Nach dem die Generäle in frag anti dabei erwischt wurden versuchten sich diese herauszureden, dass das Labor der Guerilla gehöre, was aber vollkommen falsch war. Das politische Wochenmagazin „Semana“ zum Beispiel veröffentlichte Berichte, dass ihre Reporter absolut nichts gefunden hätten, was mit der Guerilla zusammenhängen könnte. Aber seit dem versuchen Offizielle aus Staat und Militär eine Verbindung zwischen Guerilla und einem Drogenkartell aufrecht zu erhalten.


Kommunistische Ideologie oder Drogen?

Es ist ungeheuerlich und eine Schande, einer politisch-militärischen Organisation, die sich auf kommunistische und bolivarische Ideale beruft, und die sich nach Marx, Lenin und Che Guevara richtet, als eine Drogenbande darzustellen, wie es viele Repräsentanten der kolumbianischen Politik tun.
Das es aber auch anders geht und vielseitige Meinungen über die FARC-EP vorherrschen, soll nicht unter den Tisch gekehrt werden. 1997, als es zu möglichen Gesprächen zwischen den FARC-EP und der Regierung des Präsidenten Samper kommen sollte, erklärte Daniel García Peña, Direktor einer Kommission um die Möglichkeiten von Friedensverhandlungen auszuloten, dass es falsch sei zigmal zu behaupten, die Guerilla sei ohne Ideale und entwickle sich zu einer Mafia-Organisation. Vielmehr handelt es sich um eine politisch-militärische Organisation, die den Krieg damit bezahlt, dass sie revolutionäre Steuern zum Beispiel auf die Ernte der Koka-Blätter erhebt, aber im Drogenhandel nicht tätig ist und den Anbau von Koka auch nicht fördert. Wenn es sich um ein Drogenkartell handeln würde, dann hätten sie keinen Rückhalt in der Bevölkerung und könnten auch keine großen politischen und militärischen Operationen durchführen. Dies sagt also jemand, der keine Sympathie für Bolívar, Marx oder Marulanda Vélez hegt.
Am 18. Mai 2003 erklärt der Sondergesandte des Sekretariats der Vereinten Nationen, James Lemoyne, dass das Rückgrat der größten Guerilla des Landes [also der FARC-EP] aus Personen besteht, die politisch engagiert und ideologisch gefestigt sind.
Dies sind nur zwei Beispiele von Personen, die die FARC-EP in einem anderen Licht sehen. Solche Denkweisen werden in den Medien aber nicht anzutreffen sein, weil sie die offizielle Doktrin kontrakarieren würden.


Anbau von Drogen, warum?

Die FARC-EP haben nie und werden nie die großen Drogenbosse verteidigen. Sie haben sogar bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Drogenbaronen gehabt, die meist auch Teil der kolumbianischen Oligarchie sind und deswegen auch von den FARC-EP mit Revolutionssteuern belegt worden sind. Aber die FARC-EP unterdrücken nicht die kleinen Bauern, die Drogen anbauen, weil sie verstehen, dass es soziale Ursachen hat und politische Lösungen von Nöten sind. Sie versuchen die Bauern davon zu überzeugen, andere Pflanzen anzubauen, zum einen, weil Nahrungsmittel in einigen Gegenden knapp und teuer sind, zum anderen sind die FARC-EP selbst natürlich auch von essbaren Nutzpflanzen abhängig.
Die FARC-EP schlagen deshalb vor, das Problem in einer umfassenden Art und Weise zu lösen. Ihr Vorschlag zielt darauf, die sozialen Bedingungen des Konsums von Drogen zu verändern, die in einer Sucht enden können. Um den Konsum in der kolumbianischen Jugend positiv beeinflussen zu können, schlagen sie Aufklärungskampagnen und systematische und langfristige Bildung vor. Dafür haben sie zum Beispiel Aufklärungs- und Lehrvideos für das Internet produziert, in denen Guerilleros und Guerilleras Jugendliche gleichen Alters auf dem Land aufklären. Die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen soll durch Bildung und Aufklärung gemindert werden.
Weiterhin haben die FARC-EP spezielle Projekte für die Ersetzung von Pflanzen zur Herstellung von Drogen durch Nutzpflanzen erarbeitet. Der Vorschlag sieht vor, dass arme Bauern vom Land andere rentable Pflanzen wie Kautschuk oder Kakao anbauen. Hierfür ist aber staatliche und internationale Hilfe erforderlich. Doch nicht nur mit den Bauern, auch der international gestiegene Konsum in anderen Ländern auf der einen Seite und die repressive Politik der USA, den Kokaanbau ohne Alternativen zu vernichten, sind Punkte, die einer Klärung bedürfen.


Kriminelle oder Aufständische?

Zusammen mit den revolutionären Steuern, die die FARC-EP an die kolumbianische Bourgeoisie erheben, um den revolutionären Kampf zu finanzieren (dazu gehört auch der Kauf von Waffen, Munition und Kommunikationsmitteln), leben die KämpferInnen von ihrer eigenen Arbeit. Sie selber produzieren, züchten, und ernten den größten Teil ihrer Nahrung, stellen die Uniformen selber her, waschen ihre Kleidung, bereiten die Nahrungsmittel selber zu, machen notwendige Reparaturen und bauen ein ums andere Mal ihre mobilen Camps auf und ab. Die FARC-EP leben nicht auf den Kosten der Bauern. Jedes Mal, wenn eine Leistung von den Bauern in Anspruch genommen wird, dann wird der Bauer oder die arbeitende Person auch bezahlt.
So genießen sie Ansehen und Respekt bei den ärmeren Bevölkerungsschichten, weil sie im Gegensatz zu Armee, Polizei oder Paramilitärs, die häufig benötigte Dinge einfach entschädigungslos akquirieren, für eine Leistung bezahlen und so die Arbeit und die Menschen wert geschätzt werden.
Wie kann die kolumbianische Regierung den Krieg aufrechterhalten? Wie finanzieren sich die staatlichen Streitkräfte? Wie werden ihre Waffen gekauft? Auf zweierlei Wegen: Durch direkte Unterstützung und Investitionen aus den USA oder durch die Steuern, welche Pflicht für jede kolumbianische BürgerIn sind und die sie Monat für Monat und Jahr für Jahr zahlen müssen. Wer die Steuern nicht zahlt, muss mit Konsequenzen rechnen, verliert seine Wohnung, verliert den Zugang zu den öffentlichen Dienstleistungen oder kommt ins Gefängnis. Und alle halten es für normal und niemand fragt, warum man Monat für Monat dafür bezahlt, dass Soldaten oder Polizisten Menschen töten.


Die FARC-EP: Eine kommunistische Guerilla?

Der militärische Sicherheitsdienst aus Kolumbien und die Komplizen aus den USA versuchen die FARC-EP als Gangster, Mafiosi und Drogenhändler darzustellen. Doch die FARC-EP sind weit davon entfernt, eine Bande von Gesetzlosen und Kriminellen zu sein, eine Bande, die entpolitisiert ist und keine Prinzipien hat. Die FARC-EP sind auch keine bewaffnete Gruppe, die durch den Durst nach Gewalt und Adrenalin gelenkt werden, wie sie in einigen Filmen aus Hollywood dargestellt werden. Im Gegensatz zu diesen Legenden gilt in der Guerilla eine verbindliche Norm für alle KämpferInnen. Diese Norm ist im Statut und im Reglement festgelegt und beinhaltet auch Sanktionen für alle Angehörigen der FARC-EP.
Wenn die FARC-EP über das Statut diskutieren, abstimmen und es schließlich verabschieden, dann beabsichtigen sie damit nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Stärkung der revolutionären Organisation. Im Statut werden die ideologischen Grundlagen für den politisch-militärischen Kampf formuliert. Diese Grundlagen verstehen sich in der Tradition von Bolívar und  Marx, aber auch orientiert an Marulanda Vélez und Lenin. Das Statut der Aufständischen definiert außerdem die Struktur der Organisation, das interne Wirken der Zellen (die FARC-EP verstehen sich als eine kommunistische Partei unter Waffen), genau wie die Rechte und Pflichten eines Kämpfers und Disziplinlosigkeit vermeiden zu können.


Wie finanziert sich eine revolutionäre Volksarmee?

Der kolumbianische Staat finanziert seinen Krieg gegen die Aufständischen mit militärischen Investitionen aus den USA (Kolumbien ist das Land mit dem dritthöchsten Anteil an Militärhilfe aus den USA weltweit und die Nummer Eins in Lateinamerika) und mit dem Auferlegen von Steuern an die kolumbianische Bevölkerung. So gesehen bezahlt die Bevölkerung den Bürgerkrieg und hält den Staat aufrecht, der sich die Aufstandsbekämpfung als oberste Staatspflicht auf die Fahnen geschrieben hat.
Wie finanziert sich nun eine revolutionäre Volksarmee, die jahrzehntelang einen Krieg gegen die Oligarchie führt? Ein langer Krieg, in dem die Aufständischen eine soziale Funktion ausüben und befreite Gebiete schaffen, die denen von selbständigen Staaten gleichen, hat das Problem der Finanzierung. Die Aufständischen der FARC-EP versuchen die Reichen bzw. die Oligarchie dort anzugreifen, wo es ihnen am meisten weh tut, bei ihren Finanzgeschäften und prallgefüllten Bankkonten. Die Revolutionssteuern sind ein beträchtlicher Teil der Einnahmen der Guerilla. Andere Quellen der Finanzierung sind geheime Projekte innerhalb der verschiedenen Zweige der nationalen Wirtschaft. Hinzu kommen andere Möglichkeiten wie Gewinnbeteiligung an Firmen von Sympathisanten und UnterstützerInnen oder Spenden.


Terroristen oder Revolutionäre?

Dieselbe kolumbianische Machtclique, die verantwortlich ist für mehr als 300.000 Tote und Verschwundene und für mehrere Millionen Vertriebene, nennt  soziale Bewegungen, die FARC-EP und jene, die für ihre Rechte kämpfen, Terroristen. Nach ihrer Ideologie nennen sie den Krieg und die Aufstandsbekämpfung, also die systematische staatliche Gewalt, eine Befriedung des Landes. Die Antwort der Bevölkerung von unten gegen die da oben nennt sie Terrorismus.
Eine neue Bedeutung hat dieses Wort mit dem 11. September 2001 bekommen, als weltweit der Kampf gegen den Terror ausgerufen wurde und auch in Kolumbien der Vorwand genutzt wurde, um sozialen und politischen Protest zu delegitimieren und den Kampf dagegen zu rechtfertigen.
So wurden die FARC-EP im Zuge des 11. September 2001 auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt und der politische Anspruch der Organisation negiert. Mit stetiger Propaganda soll der kolumbianischen Bevölkerung suggeriert werden, die Revolutionäre der FARC-EP seinen Terroristen. Die internationalen Medien übernehmen meist vorbehaltslos die Meldungen der kolumbianischen Medien. Dass die Guerilla eine Konsequenz der sozialen und politischen Probleme des Landes ist und sie in der Bevölkerung durchaus verankert ist, wird außen vorgelassen.