So wie Gaitán in der Mitte des letzten Jahrhunderts
getötet wurde, so wurden mehr als 300.000 andere Kolumbianer auch getötet.
Viele von ihnen waren einfache Menschen und Bauern. Sie hatten keine andere
Wahl, als sich zu schützen und zu bewaffnen: Der bewaffnete Aufstand als
Verteidigung ihres Lebens und ihrer Würde. Aus dieser anfänglichen
Selbstverteidigung der Bauern wuchs eine politisch-militärische Organisation,
damals noch in enger Verbindung zur Kommunistischen Partei, die FARC-EP. In
Solidarität wurde vor über zwei Jahren von einigen Leuten das Projekt
Kolumbieninfo geboren, um ein andere Sicht auf Guerilla und den bewaffneten
Konflikt zu geben. Nun hören wir auf.
In Lateinamerika hört man einen Ruf der Hoffnung. Es ist
eine lebende Stimme und es ist die Stimme des Volkes. Diesen Ruf, ja gar ein
Weckruf, hört man lauter als je zuvor. Es sind die einfachen Menschen, die
unterdrückten Menschen, es sind Indígenas und Bauern, die Afrokolumbianer und
alle jene, die über Jahrhunderte bedroht und ihrer Existenz, ihres Landes und
ihrer Kultur beraubt wurden. Es ist ein Ruf der als Symbol für Freiheit und
Gerechtigkeit gilt. Auch wenn die letzten Seiten des großen Projektes noch
nicht geschrieben sind, so sind der wachsende soziale und politische Protest
sowie der Kampf und die Gespräche der aufständischen Bewegung mit der Regierung
ein großes Projekt für ein neues Kolumbien.
Dieser Ruf wird nie aufhören, das hat die Geschichte
gelehrt. Ob im Krieg der Tausend Tage, im Kampf gegen die United Fruit Company
in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, im wie oben erwähnten Bürgerkrieg
der sogenannten Violencia oder in den Bauernprotesten, die uns bis heute
begleiten, es ist ein Kampf der Bauern gegen die Großgrundbesitzer und gegen
ihre Repression und Gewalt, die Kolumbien in eine Kolonie verwandeln wollen und
das Land ausplündern wollen. Es ist ein gerechter Kampf für ein gerechtes Land.
Und einen gerechten Kampf kann man nicht verbieten. Genau so wenig kann man den
Kampf gegen ein ganzes Volk gewinnen. So lange Ungerechtigkeit, Armut und
Hunger herrschen, so lange wird es auch Widerstand dagegen geben.
Doch nicht nur die Bauern, die gegen gerade mal 3 Prozent
der Bevölkerung als besitzende Klasse von mehr als 70 Prozent Land kämpfen,
auch die arbeitende Klasse organisiert sich im sozialen und politischen Protest
gegen das neoliberale Wirtschaftssystem. Millionen Kolumbianer sind
unterbezahlt und haben keinen oder nur geringen Zugang zu den sozialen
Dienstleitungen. Mit dem Abschluss der Freihandelsverträge hat sich die
Situation noch einmal verschärft. Doch statt den Ruf der Menschen nach würdigen
Arbeits- und Lebensbedingungen zu erhören, sieht die Regierung im Land eine
kommunistische Bedrohung und entfesselt eine Welle der Gewalt, wie sie die
Geschichte schon lange nicht mehr gesehen hat.
Die FARC-EP sind als Folge der Notwendigkeit einer
systematischen Gewalt gegen die Kolumbianer vor 50 Jahren entstanden und
aufgrund der aktuellen politischen und sozialen Situation haben sie auch heute
noch ihre Daseinsberechtigung. Ihr Wesen besteht darin, eine revolutionäre
politisch-militärische Organisation zu sein. Sie sind eine kommunistische
Partei unter Waffen. Die revolutionäre Situation ist nicht einfach so
entstanden, sondern wie oben beschrieben, sind ist die Wirkung auf die soziale
und wirtschaftliche Ungleichheit und Rückständigkeit des Landes. Die
Entrechteten, Armen und Besitzlosen sind es, die eine revolutionäre Armee
aufgebaut haben und unter der Losung von Bolívar für ein Land in Würde,
Souveränität, Gerechtigkeit und echte Demokratie kämpfen.
Nach mehr als zwei Jahren beenden wir von Kolumbieninfo
unsere Tätigkeit. Angefangen haben wir im Jahr 2011 zu einem Zeitpunkt, als die
FARC-EP in den Medien als eine politisch und militärisch abgeschriebene
Organisation dargestellt wurde, die stark an Einfluss verloren hätte und
militärisch kurz vor dem Ende stehen würde. Tatsächlich war es so, dass es militärisch
einige Rückschläge gab. Erinnert sei an das verlustreiche Jahr 2008, in dem
einige Führungspersonen ihr Leben ließen, an 2010, als Mono Jojoy bei einem
Militärschlag getötet wurde und an 2011, wo nach einer langen Jagd von Polizei,
Militär und Geheimdienst Alfonso Cano in den kolumbianischen Bergen umgebracht
wurde. Doch jener Alfonso Cano sorgte in den Jahren zuvor für einen Umbau der
revolutionären Organisation und wir von Kolumbieninfo wollten über
Veränderungen und die reale Situation berichten.
Die politische Massenarbeit wurde verstärkt, die Früchte
sehen wir heute bei den politischen und sozialen Protesten im ganzen Land. Die
FARC-EP sind nicht nur bei der ländlichen Bevölkerung so stark verankert wie
schon lange nicht mehr, sondern auch die Zusammenarbeit mit bzw. die
Zugehörigkeit innerhalb der politischen und sozialen Organisationen konnte
intensiviert werden. Auch wenn die Agrarproteste, Bildungsstreiks oder andere
soziale Kämpfe teilweise nicht primär von den FARC-EP organisiert werden, so
verlaufen sie zumindest nicht an ihnen vorbei, sondern einzelne Personen oder
Strukturen sind eng damit verflochten. Inwieweit der soziale und politische
Kampf der FARC-EP auch ein Kampf des kolumbianischen Volkes ist, zeigt aktuell
die Diskussion und Beteiligung bei den Foren zur Agenda der
Friedensverhandlungen zwischen Guerilla und Regierung.
Auch militärisch konnten sich die FARC-EP konsolidieren
und in einigen Provinzen ihre Rückzugsräume und militärisch-politische Basis
ausbauen. Während die Regierung verkündet, dass die FARC-EP kurz vor ihrer
Niederlage stehen, zeichnet sich im alltäglichen Leben und bei den Statistiken
verschiedenster Stellen ein anderes Bild ab. In den Jahren 2010 und 2011 gab es
eine hohe Zahl an Angriffen und Zusammenstößen, sowie eine hohe Zahl an
verlustreichen Kämpfen für die staatlichen Sicherheitskräfte. Hier änderte sich
die Taktik der FARC-EP von Großangriffen mit Hunderten Kämpfern hin zu
Guerillataktik, mit wenigen und mobilen Einheiten dem Gegner nadelstichartig zuzusetzen.
Die zahlenmäßig permanent erweiterte, hochgerüstete und technologisch voll
ausgestattete kolumbianische Armee konnte die Guerilla nicht besiegen.
Kolumbieninfo begann die Berichterstattung zu einem
Zeitpunkt, als in der Öffentlichkeit der Weg zu einem Friedensprozess noch weit
entfernt erschien. Doch schon damals machten wir auf die Notwendigkeit von
Frieden und sozialer Gerechtigkeit aufmerksam und klärten auf, dass die FARC-EP
für den Frieden kämpfen und nicht wie in den Medien dargestellt, nur eine Bande
von Terroristen seien. In den deutschen Medien, selbst in scheinbar
alternativen Zusammenhängen, wurde selten oder manipulativ über Kolumbien und
die aufständische Bewegung berichtet. Mit uns, und dass zeigen uns die
Kontakte, Informationen und Zuschriften, wurde das Thema wieder präsenter und
objektiver in den Vordergrund geholt.
Ja, Kolumbieninfo ist angetreten, ein parteiisches Organ
für den politisch-militärischen Kampf der FARC-EP zu sein. In einer Zeit, in
der der Medienkrieg zugunsten der neoliberalen Systeme geführt wird und die
kapitalistische Propaganda den politischen Status einer mit dem Volk
verbundenen aufständischen Bewegung delegitimiert, bleibt uns keine andere
Möglichkeit, als Partei zu ergreifen und eine andere Sicht auf bestimmte Dinge
darzulegen. Trotzdem haben wir natürlich auch Dinge kritisiert und nur zu gut
wissen wir, wie die Bevölkerung in diesem Bürgerkrieg Leid ertragen muss und
des Krieges müde ist. Schlussendlich bleibt, dass es mittlerweile viele Medien
gibt, die unabhängiger und kritischer über Kolumbien berichten und die wissen,
dass die FARC-EP mitnichten nur eine Bande von Drogenterroristen ist. Hier, so
denken wir, konnten wir unseren Bildungsauftrag erfüllen und zu einem Bild
beitragen, welches die Guerilla im Kontext der Geschichte und der politischen
und sozialen Situation sieht.
Dies liegt natürlich nicht nur an uns, sondern auch an
den allgemeinen Voraussetzungen, nachdem die Guerilla in Friedensverhandlungen
mit der Regierung getreten ist. Ein Ziel unsererseits war es, mit der Guerilla
und ihren nahestehenden Organisationen für eine politische Anerkennung zu
kämpfen. Seitdem die FARC-EP auf die Liste der terroristischen Organisationen
gesetzt wurden, ist die politische Arbeit gerade im internationalen Kontext
schwer geworden, Repression, Cyberangriffe, Reisebeschränkungen und
Verhaftungen sind keine Seltenheit. In der Öffentlichkeit Partei für die
FARC-EP zu ergreifen ist verboten. Doch mittlerweile ist das Klima nicht nur in
Kolumbien, sondern auch hier in Europa ein anderes. Zwar ist die Guerilla in
der Linken immer noch Vorurteilen ausgesetzt, doch die Diskussionen der letzten
Zeit zeigten durchaus eine Akzeptanz und Verständnis für den bewaffneten Kampf
und ihre Ziele. Auch in der allgemeinen Öffentlichkeit und in der
Mainstreampresse können wir positive Veränderungen feststellen.
Aus unterschiedlichen Gründen hören wir nun auf. Wir
werden uns aus der Solidaritätsarbeit jedoch nicht zurückziehen, sondern
hoffen, dass die auf linken und alternativen Nachrichtenportalen die kritische
Informationspolitik fortgesetzt wird und es weitere Personen oder Gruppen gibt,
die sich solidarisch mit dem Kampf der FARC-EP zeigen und dies auf welche Art
auch immer in die Öffentlichkeit tragen. Wir haben damals ein zeitlich
befristetes Projekt beschlossen und stehen auch dazu. Auch wenn wir gerade von
der anderen Seite des Atlantiks zum Weitermachen ermuntert wurden, so gibt es
derzeit genug Gründe, den Beschluss auch umzusetzen.
„Die Freundschaft ist das einzige Band zwischen
Waffenbrüdern, Aktivisten und Brüdern im Geiste.“ Simón Bolívar
Für eine interkontinentale bolivarische Bewegung!
Für das Neue Kolumbien!
Wir sind FARC-EP!