Seit dem 2. August gibt es in Kolumbien
friedliche Proteste der politischen Gefangenen gegen die
unmenschlichen Zustände in den Gefängnissen. Es folgt ein Überblick
über die aktuelle Situation.
Die Situation für politische Gefangene
in Kolumbien ist fatal. Zum einen, weil die Zahl der Gefangenen
aufgrund politischer Delikte zunimmt und zum anderen, weil die
kolumbianische Regierung den Status der Gefangenen als politische
Gefangene oder Kriegsgefangene der Guerilla nicht anerkennt. Zwar
gibt es das politische Delikt, hierunter wird zum Beispiel das Delikt
der Rebellion gefasst, doch viele Inhaftierte werden als gewöhnliche
Kriminelle angeklagt, verurteilt und letztendlich behandelt. So wie
der soziale Protest in den letzten Jahren zugenommen hat, so füllen
sich auch die Gefängnisse Kolumbiens. Während in vielen Ländern
der Erde die Öffentlichkeit über Menschenrechtsverletzungen und die
Situation in den Gefängnissen relativ gut informiert wird, hüllt
sich über Kolumbien ein Mantel des Schweigens. Länder wie die USA
und aus der Europäischen Union, die sonst bei vielen Anlässen die
Freiheit und Menschenwürde in den Ländern anpreisen, hätten im
Rahmen von Freihandelsverträgen und politisch-wirtschaftlichen
Abkommen die Möglichkeit, Einfluss auf die Bedingungen in Kolumbien
zu nehmen, doch die Garantie auf Respekt, Freiheit, Schutz der
politischen Betätigung sowie Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit
scheint dann nicht mehr gewollt.
Kolumbien besteht zwar darauf, ein
ausreichendes Rechts- und Justizsystem zu haben, doch die Situation
für politische Gefangene und Kriegsgefangene ist besorgniserregend.
Generell ist es so, dass Gefangene aufgrund ihres politischen und
sozialen Kampfes von der Regierung stigmatisiert werden. Sie werden
zwar als politisch denkende Menschen gesehen, aber die politische
Straftat anschließend im Verfahren ausgeblendet. Häufig müssen die
Gefangenen monatelang auf einen Strafprozess warten, das heißt,
viele sitzen im Gefängnis und wissen noch nicht einmal den Grund
dafür. Anders hingegen Paramilitärs, Parapolitiker oder
Drogenhändler, die alle Privilegien im Gefängnis genießen dürfen,
schnell einem Strafverfahren unterliegen und anwaltliche Vertretung
haben. Gefangene die nicht zu dieser ausgewählten Gruppe gehören,
bleiben jene Punkte verwehrt. Sie leiden an Mangelernährung, haben
keinen vernünftigen Zugang zum Trinkwasser, leiden unter miserablen
hygienischen Bedingungen, ihnen fehlt die ärztliche Versorgung, sie
werden von den Angestellten des Gefängnissystems schikaniert,
bedroht und geschlagen. Die Verlegung in weit entfernte Regionen oder
in die Isolationshaft sind gängige Methoden der Folter.
Ein weiteres Problem ist die
Überbelegung in den Gefängnissen. Die Zahlen sprechen für sich. Im
Jahr 2002 gab es rund 50.000 Gefangene, die repressive Politik unter
Uribe führte zu einer Steigerung auf über 80.000 Gefangene im Jahr
2010. Doch damit nicht genug, aktuell gibt es rund 115.000 Gefangene
in Kolumbien. Schätzungen gehen von bis zu 10% an politischen
Gefangenen und Kriegsgefangenen aus. In dieser eben genannten
zeitlichen Periode sind zehn neue Gefängnisse mit Namen ERON
entstanden, die bis zu 4000 Personen aufnehmen können. Es wird
geschätzt, dass die neu gebauten Gefängnisse Platz für insgesamt
26.000 Gefangene haben. Bei der Restzahl von mehr als 75.000
Gefangenen im Land können wir also von einem Anstieg von 40% in den
anderen Gefängnissen ausgehen. Dies führt dazu, dass Gefängnisse
wie La Modelo zu 200% oder Bellavista mit bis zu 250% überbelegt
sind.
In Kolumbien sind die politischen
Gefangenen mehr den Torturen und Schikanen der Wärter ausgesetzt als
andere Gefangene. Ein Mittel der Schikane und um den politischen
Gefangenen Angst einzujagen ist die Verlegung in Trakte oder Bereiche
zusammen mit Paramilitärs. Normalerweise wird versucht, beide Seiten
voneinander zu trennen. So ist die Zusammenlegung extra als
Einschüchterungs- und Foltermethode zu sehen, denn die
Zusammenlegung findet zynischer weise in numerische Unterzahl der
politischen Gefangenen statt. Des Weiteren werden Beobachtungen laut,
in denen Paramilitärs mit den Angestellten der Strafanstalt zusammen
arbeiten. Hier wird deutlich, dass ein politischer Gefangener als
besonderer Feind des Staates betrachtet wird.
Die neuen Gefängnisse unterscheiden
sich von den alten besonders im Bereich des Zusammenlebens der
Gefangenen und in der sozialen Isolierung. Die Regeln in den neuen
Gefängnissen sind sehr hart. In den verschiedenen Zellentrakten gibt
es zehn Stunden außerhalb der Zellen, also im Trakt, zur Verfügung.
14 Stunden bleibt man in der Zelle eingesperrt. In den zehn Stunden
kann man aber nicht in seine Zelle zurück, wie es in den alten
Gefängnissen der Fall ist. Außerdem gibt es in den neuen
Gefängnissen weniger Stunden an Besuchszeit, oft sind es nur drei
Stunden für alle 15 Tage, während in den alten Gefängnissen dies
jeden Sonntag möglich ist. Partnerschaftliche Besuche gelten als
Seltenheit, in den ERON-Gefängnissen werden diese nur für eine
Stunde für alle 45 Tage gestattet. Soziale Isolierung bedeutet nicht
nur die Entfernung von der Familie und des sozialen Netzes, sondern
auch der Bau des Gebäudekomplexes und die Art und Weise des
Zusammenlebens. Die Zellen sind ohne Fenster, es gibt
Kommunikationssperren und eine Essensausgabe, die durch einen kleinen
Spalt unter der Zellentür abgewickelt wird.
Besonders schwerwiegend ist die
Situation für die Kriegsgefangenen, zum Beispiel der FARC-EP. Diese
werden bei den Kämpfen zwischen Guerilla und Militär festgenommen,
haben teilweise Verletzungen erlitten und im Gefängnis wird ihnen
dann die medizinische Versorgung verwehrt. Die Schussverletzungen
entzünden sich und können für weitere Verletzungen, Infektionen
und Beeinträchtigungen sorgen. Auch für die politischen Gefangenen
gibt es kaum ärztliche Versorgung. Psychiatrische Auffälligkeiten
wie seelische Zusammenbrüche und Kollapse werden nicht behandelt.
Und wenn es mal Arztbesuche geben sollte, dann sind pro Arzt Hunderte
Gefangenen zuständig, die in der sechs- bis achtstündigen Visite
nicht zu versorgen sind.
Doch nicht nur die Situation in den
Gefängnissen selbst ist für die politischen Gefangenen und
Kriegsgefangenen unerträglich. Auch aus juristischer Perspektive
gibt es eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu den gewöhnlichen
Gefangenen, zu Paramilitärs oder Soldaten. Es findet ein
juristischer Krieg statt, denn die Verteidigung von politischen
Gefangenen und Kriegsgefangenen wird stark eingeschränkt. Hinzu
kommt beispielsweise die Ungleichbehandlung zwischen staatlichen
Sicherheitskräften und jenen der aufständischen Bewegung. Als
Kommandant einer Front der FARC-EP wird man für alles verantwortlich
gemacht, was den Mitgliedern der Front vorgeworfen wird. Auf der
anderen Seite wird diese Praxis beim Militär nicht angewendet und
jeder Soldat bzw. jede Person einzeln in seinem Wesen betrachtet. So
kommt es vor, dass manche Kommandanten der FARC-EP zwischen 40 und 60
Prozesse haben, während Befehlshaber aus dem Militär, hier sei der
jetzige Präsident und ehemalige Verteidigungsminister Santos
erwähnt, der für unzählige Fälle von „falsos positivos“
verantwortlich ist, nicht verfolgt werden.
Seit dem 2. August dieses Jahres gibt
es nun friedliche Proteste in mehr als 20 Gefängnissen des Landes.
Es wird ein nationaler Aktionstisch gefordert, in welchem sich die
Sprecher aus den verschiedenen Gefängnissen Kolumbiens austauschen
und Forderungen an Regierung und Justizsystem stellen können.
Folgende Punkte werden als dringend für den Forderungskatalog
angesehen:
1. Bekanntmachung der sozialen und
humanitären Lage in den Gefängnissen Kolumbiens
2. Regionalisierung der Gefangenen
und familiäre Nähe
3. Herabsetzen der Strafe um 20%
und Bewilligung von rechtlichen Beistand
4. Lösungen für die Probleme in
den Bereichen Gesundheit, Hygiene und Überbelegung
5. Keine Auslieferungen
Beenden wir das Schweigen! Unterstützen
wir die Forderungen!
Freiheit für die politischen
Gefangenen!