04 Oktober 2012

Zu den Friedensverhandlungen


Die FARC-EP haben in einer Mitteilung aus Kuba bestätigt, dass die Friedensverhandlungen mit der Regierung Santos am 15. Oktober in Oslo beginnen werden. Rodrigo Granda, Person der Verhandlungskommission der FARC-EP, verlas ein Kommuniqué an einen kolumbianischen Radiosender, welches sowohl von der FARC-EP als auch von der Regierung unterzeichnet worden war: „Die nationale Regierung und die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens - Volksarmee (FARC-EP) informieren die nationale und internationale Öffentlichkeit, dass bei einem Treffen von den technischen Teams beider Parteien vereinbart wurde, dass die Gespräche am 15. Oktober dieses Jahres beginnen und eine öffentliche Ankündigung am 17. Oktober in der Stadt Oslo gemacht wird", erklärte Granda.

Kolumbien ist nicht irgendein Land, es ist in vielen Dingen unter den ersten fünf der Welt. Hierunter zählen zum Beispiel die Süßwasserreserven und die Vorkommen an Gold und Kohle, Kolumbien ist die Nummer Zwei in der Biodiversität und an Binnenvertriebenen (fünf Millionen), weiter gibt es noch die soziale Ungleichheit, der längste bewaffnete Konflikt mit mehr als 50 Jahren, mehr als 10.000 politischen Gefangenen, mehr verschwundenen Personen als in jeder lateinamerikanischen Diktatur, das Land mit einem Höchstplatz in der Soldatenstärke (rund 300.000) und es ist das Land mit der zweithöchsten Militärhilfe der USA. In Kolumbien schaffen es die am meisten weltweit gesuchten Drogenhändler in das Präsidentenamt (Alvaro Uribe), finanziert durch Paramilitarismus und beschützt durch Paramilitärs.

Seit mehr als einem Jahrzehnt hat man nichts mehr vom Frieden in Kolumbien gehört. Die letzten Friedensverhandlungen fanden von 1998 bis 2002 zwischen FARC-EP und der Regierung Pastrana statt. Danach folgte die Strategie, die Guerilla und ihre soziale Basis zu vernichten. Es war eine Überraschung, als Anfang August durchsickerte, dass es Gespräche zwischen der FARC-EP und der Regierung Santos gibt und der Weg zu Verhandlungen zwischen beiden Seiten nicht mehr weit ist.


Diese Gespräche sind jedoch nicht vom Himmel gefallen. Die Gespräche sind auch kein Produkt der Gutmütigkeit der Regierung Santos. Vielmehr sind sie das Produkt des Wissens über die Notwendigkeit einer Lösung des bewaffneten Konflikts seitens der Guerilla und die Konsequenz der Organisierung der kolumbianischen Nation. So fand besonders in den letzten Jahren eine zunehmende Organisierung der Massen statt, teilweise offen und teilweise in Klandestinität. Hunderte von sozialen Bewegungen und politischen Organisationen mit Tausenden Mitstreitern gründeten zum Beispiel im April 2012 die Plattform und Partei „Marcha Patriótica“. An der Gründung nahmen mehr als 80.000 Personen in der Hauptstadt Bogotá teil. Die Bewegung „Marcha Partriótica“ gilt als Verfechter einer Friedenslösung für Kolumbien.

Der Frieden ist ein lang ersehnter Traum für die kolumbianische Bevölkerung. Ob er Wahrheit werden wird, hängt besonders von der Politikspitze, den Militärs und der Paramilitärs ab. Zu schwerwiegend sind die bisherigen Erfahrungen aus der kolumbianischen Geschichte. Jede Familiengeneration der letzten Jahrzehnte hat Verluste aufgrund politsicher oder sozialer Betätigung zu beklagen, jede Generation von Revolutionären in den aufständischen Bewegungen, Funktionären in den Gewerkschaften und mehr als 4000 Personen der „Unión Patriótica“ sind Opfer des staatlichen Terrorismus. Tausende von politisch Engagierten sind in das Exil gegangen. Klar ist, dass nur mit Sicherheitsgarantien und einer wirklichen politischen Partizipation der Frieden gewonnen werden kann.

Bisher war es die kolumbianische Oligarchie, die nicht den Frieden und die Gerechtigkeit wollten, sondern am Krieg verdient haben. Und Frieden und soziale Gerechtigkeit stehen auch immer noch konträr zum Freihandelsabkommen (TLC). Es bleibt abzuwarten, wie sich die kolumbianische Linke weiter entwickeln wird. Zum einen, weil die Aufständischen der Guerilla FARC-EP, die bisher versteckt und zurückgedrängt in den Weiten des Landes Zuflucht suchten, mehr und mehr aus den Bergen, dem Dschungel, von den Feldern und aus den Stadtvierteln kommen und die Organisation mit all ihren politischen Zielen voran treiben. Zum anderen, wie sich die Bewegung „Marcha Patriótica“ in der Parteienlandschaft zu Recht finden wird. Bei einer Wahlbeteiligung von unter 50% und bei einem Rückgang der Wählerschaft für die sozialdemokratische Alternative „Polo“, die sich zudem mit dem Ausschluss der Kommunistischen Partei wegen ihrer Unterstützung für „Marcha Patriótica“ selbst ins politische Abseits manövriert, bleibt zu hoffen, dass viele andere mehr mobilisiert werden können, die sonst nicht am politischen Leben partizipierten.