Der „Krieg mit niederer Intensität“, allgemein auch als
„schmutziger Krieg“ bekannt, ist heute die gängige Art und Weise der
Kriegsführung bzw. in der Aufstandsbekämpfung. Die Aufstandsbekämpfung der
kolumbianischen Armee, geschult durch Berater und Soldaten des Pentagons,
wendet den Grundsatz der Kriegsführung an, nämlich das sogenannte „Meer trocken
zu legen, um den Fisch zu fangen“. Der Fisch soll hier die Guerilla
symbolisieren, so dass das „Meer“ der Menschen entfernt bzw. vertrieben wird,
um den „Fisch“ zu isolieren.
Ihren Ursprung hat diese „Austrocknung des Meeres“ in Vietnam, wo zehntausende
Menschen vertrieben und in strategische Dörfer umgesiedelt wurden. Weitere
Techniken in einer Kriegsführung der niederen Intensität sind neben der
militärischen Komponente, das heißt, der konventionellen Kriegsführung, die
politische und wirtschaftliche Komponente. Dies bedeutet, dass der Erfolg der
kolumbianischen Armee auch von den Aufbauprogrammen in der Infrastruktur
abhängt, um den Lebensstandard der Menschen zu erhöhen. Letztendlich dient die
Infrastruktur erst mal nur der Armee, um in weitere Gebiete vordringen zu
können, die bisher vom Staat vernachlässigt worden sind. Ein Großteil der
Bevölkerung ist zu diesem Zeitpunkt schon vertrieben worden oder hat selbst die
Flucht ergriffen.
In Kolumbien ist diese Art von Krieg in einigen Regionen des Landes klar
erkennbar. Guerillagruppen wie die FARC-EP, die sich für soziale Reformen und
Forderungen der marginalen Bevölkerungsschichten einsetzen, gibt es seit den
60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Guerilla verteidigte die Bauern gegen
die Angriffe der Armee und hatte aufgrund der sozialen Verankerung verschiedene
Regionen des Landes unter ihrer Kontrolle, die somit zu Tabu-Zonen für die
Zentralregierung und die Armee wurden. Und seit jeher gibt es Militäraktionen
und „Säuberungsoperationen“, um die Initiative für den Staat und private
Geschäftsleute (Großgrundbesitzer, lokale Wirtschaftsfürsten, Drogenhändler)
zurück zu gewinnen. Hierzu zählt, wie oben bereits angemerkt, der Krieg gegen
die Zivilbevölkerung, teilweise gepaart mit pseudo-sozialen Programmen, um zum
Beispiel die vertriebene Zivilbevölkerung an einem anderen Ort anzusiedeln.
Besonders stark betroffen sind Regionen wie Meta, Caquetá, Cauca, Tolima,
Chocó, Antioquia und Gebiete an der venezolanischen Grenze (Cesar, Arauca).
Dies drückt sich auch in Zahlen aus, so ist Kolumbien nach dem Sudan das Land
mit der zweithöchsten Anzahl an Binnenflüchtlingen.
Nicht nur durch die
Kämpfe hat die Zivilbevölkerung in der Region Cauca zu leiden, vielmehr werden
sie durch das Militär vertrieben. Bei Militäraktionen, in denen das Militär
„saubere“ und „entvölkerte“ Gebiete schaffen will oder durch die Aneignung von
Land und Boden für neue Militärstützpunkte und deren Sicherungsgebiete in
unmittelbarer Umgebung, werden Bauern vertrieben. Seit Mai gibt es zum Beispiel
Mobilisierungen von Bauern und Indígenas, weil in der Gemeinde Miranda eine
Militärbasis installiert werden soll. Unter anderem am 8. Juni demonstrierten
mehr als 1500 Menschen gegen die Inbesitznahme des Bodens von Bauern und
Indígenas und gegen die Gewalt der 28. Mobilen Brigade der Armee. Immer wieder
kommt es zu Zusammenstößen, Provokationen und Gewalt von Militärangehörigen
gegen die Zivilbevölkerung. Kritische Stimmen werden mundtot gemacht, Anzeigen
nicht bearbeitet und Personen eingeschüchtert oder geschlagen. Am 5. Juni wurde
sogar der Bauer Luis Alberto Cunda Poscué ermordet. Eine Gruppe von Bauern
berichtete zudem, dass sie in der Nähe einer Militäreinrichtung in frisch
ausgehobenen Schützengräben merkwürdige Kabel gesehen hätte und Minuten später
seien sie auf eine Anti-Personen-Mine gestoßen.
Generell ist es so,
dass, wenn sich Personen für ihre Rechte einsetzen, ihnen vorgeworfen wird, Feinde
des Militärs und damit Feinde der Regierung zu sein. Protest soll so
kriminalisiert werden. Personen, die mit der Fahne der Bewegung „Marcha
Patriótica“ bei Versammlungen auftauchen, werden als „Guerilleros“ bezeichnet.
Außerdem gibt es Berichte, dass das Militär immer mehr Kontrollstützpunkte
errichtet. Nicht nur die Bewegungsfreiheit wird dadurch eingeschränkt, auch die
Schikanen nehmen damit zu. Fahrer und Mitfahrer von Fahrzeugen müssen
aussteigen, sich und ihr Gepäck kontrollieren lassen und werden schließlich
abgefilmt, obwohl es keine rechtliche Grundlage dafür gibt. Aufgrund dieser
Vorfälle, der Militäraktionen und der permanenten Verletzung der Menschenrechte
im Norden von Cauca und im Süden von Valle del Cauca, wurde eine soziale
Karawane ins Leben gerufen. Die von politischen, sozialen, studentischen,
gewerkschaftlichen Organisationen und Verbänden von Bauern und Indígenas
getragene Karawane soll verschiedene Aktionsformen und die
Öffentlichkeitsarbeit der betroffenen Gemeinden Miranda, Corinto, Caloto,
Toribio, Florida und Pradera miteinander vernetzen umso auf die Probleme
aufmerksam zu machen.