Das Internationale Recht sieht in Bezug auf die Anerkennung
einer Organisation bzw. Kriegspartei in Bürgerkriegen folgende Punkte als
wichtig für die Beurteilung an: Die Organisation muss politische Ziele
verfolgen, die Organisation muss eine politische Führung und Leitung besitzen,
die Organisation muss disziplinarische Strukturen innerhalb ihrer Streitkräfte
unterhalten, die Organisation muss Territorien innerhalb eines Landes
kontrollieren und zu guter Letzt muss die Organisation die Gepflogenheiten und
das Internationale Recht in Kriegen respektieren. Diese Punkte sind allerdings
teilweise nicht genau definiert, so dass einige Faktoren durchaus
unterschiedlich interpretiert werden können. Generell wird die Anerkennung
einer Organisation durch die Regierung oder durch Drittstaaten jedoch nur
vorgenommen, wenn eine aufständische Organisation kurz vor einem
politisch-militärischen Sieg steht, wenn eine friedliche Lösung eines Konflikts
angestrebt wird, wenn die Stabilität einer Region oder eines Landes
wiederhergestellt werden soll oder wenn aufgrund von Dauer oder Intensität eine
humanitäre Katastrophe verhindert werden soll.
Die kolumbianische Regierung scheint nicht gewillt zu sein,
den bewaffneten Konflikt lösen zu wollen. Die Anerkennung der FARC-EP als
politischer Akteur und Kriegspartei würde für die Regierung Kolumbiens die
Anerkennung eines vorhandenen Bürgerkrieges bedeuten. Bisher heißt es
zynischerweise dazu immer, dass in Kolumbien kein Krieg, sondern das Land ein
Problem mit Terroristen hat. Neben der eben angesprochenen moralischen
Unterstützung der Aufständischen bei einer Anerkennung, würde dies auch eine
politische Stärkung bedeuten und in jenem Moment eine Schwächung der Politik
der Regierung. So hätten die FARC-EP, genau wie die Regierung auch,
verschiedene Rechte und würden juristischen Schutz genießen. Die
Internationalisierung des Konfliktes wäre eine logische Schlussfolgerung
daraus. Dies alles widerspricht jedoch der kolumbianischen Regierungsdoktrin,
die mit repressiven und militärischen Mitteln den Konflikt lösen will.
Die FARC-EP sind aus einer berechtigten Konfrontation mit
dem Staat heraus entstanden, die Ursprünge liegen in der Verteidigung sozialer
Rechte und in der Selbstverteidigung von Bauernverbänden nach dem Mord an den
populären liberalen Anführer Jorge Eliécer Gaitán und der daraus folgenden
staatlichen Gewaltorgie („Violencia“ genannt) mit Hunderttausenden von Toten.
Die FARC-EP als bewaffneter Widerstand entstanden 1964 im Zuge der
nordamerikanischen Militärdoktrin der Nationalen Sicherheit, in welcher
korrupte und ungerechte Staaten mit den sozialen und politischen
Widerstandsbewegungen brechen wollten. Doch genau das Gegenteil entwickelte
sich daraus, die aufständische Bewegung wuchs weiter an und manifestierte sich
durch ihre politischen und sozialen Ziele im ganzen Land. Was folgte war der
Krieg der verschiedenen Regierungen mit schmutzigen Mitteln und
Paramilitarismus gegen die Aufständischen. Ihre Höhepunkte erreichte dieser Krieg
mit dem politischen Genozid an Mitgliedern und Sympathisanten der Unión
Patriótica, einer politisch linken und legalen Front als ein Teil der
Friedensverhandlungen der 1980er Jahre, mit dem Beginn von Massakern durch
Paramilitärs an politisch und sozial engagierten Menschen sowie der Bevölkerung
Mitte der 1990er Jahre und mit den Militäroffensiven der letzten Jahre, die bis
heute anhalten. Dadurch wird klar, was die kolumbianische Regierung
beabsichtigt; die Vernichtung des internen Feindes mit allen Mitteln. Mit
Para-Politik, einem schmutzigen Krieg, Angriffe staatlicher Sicherheitsorgane
auf Land und Leute, staatlicher Repression und einem hochgerüsteten Militär
sollen die vermeintlichen Terroristen, so der offizielle Jargon, besiegt
werden.
Doch die FARC-EP sind mitnichten eine terroristische
Organisation. Sie haben all jene Merkmale und Faktoren, die für die Beurteilung
und Anerkennung einer regulären Kriegs- und Politikpartei wichtig sind.
- Die FARC-EP haben als revolutionäre Organisation klare politische Ziele und als eine politische Kraft werden diese bei den Kongressen und nationalen Konferenzen definiert und beschlossen. Weiterhin findet man die politischen Ziele und Forderungen in den Statuten, Deklarationen, Kommuniqués und programmatischen Dokumenten, wie es sich für eine politisch-revolutionäre Organisation gehört.
- Als eine politisch-militärische Organisation gibt es innerhalb der FARC-EP klare Befehls- und Entscheidungsstrukturen mit Verantwortlichkeiten. Hierzu zählen unter anderem die Kommandeure und ihre Stellvertreter bei den militärischen Gliederungen wie den Trupps, Guerillas, Kompanien, Kolonnen, Fronten und den geografisch-militärischen Blöcken der verschiedenen Fronten. Eine politische Entscheidungs- und Verantwortlichkeit ergibt sich aus den Kommandostrukturen der Kompanien und Kolonnen und den Generalstäben der Fronten bis hin zum übergeordneten Zentralen Generalstab und seinem höchsten Exekutivorgan, dem Sekretariat des Zentralen Generalstab.
- Als eine politisch-militärische Organisation verfügen die FARC-EP über disziplinierte und organisierte Streitkräfte. Sie stehen unter den Anordnungen und Befehlen der weisungsberechtigten Kommandeure und Befehlshaber. Die disziplinarischen Regularien und Anordnungen sind schriftlich fixiert und allgemein gültig. Weil die FARC-EP eine revolutionäre Armee und klandestine politische Partei sind, dient die militärische Untergliederung der Trupps (12 Personen inklusive Kommandeur und Stellvertreter) zugleich auch als politische Zelle. Die maßgeblichen richtungsweisenden Anordnungen stehen in den Bestimmungen zur disziplinarischen Ordnung.
- Als eine politisch-militärische Organisation hat die aufständische Bewegung ebenfalls diverse Territorien unter ihrer Kontrolle. In diesen Gebieten üben die FARC-EP die politische und soziale Macht aus. Dabei halten sie sich an die international geltenden Bestimmungen und Menschenrechte. Der politische und soziale Einfluss im kolumbianischen Staatsgebiet ist höchst unterschiedlich, er reicht vom klandestinen Charakter bis hin zu offen agierender Einflussnahme mit Unterstützung aus der Bevölkerung in den befreiten Gebieten. In letzteren Gebieten kommt der aufständischen Bewegung eine gesetzgebende und gesetzesausführende Funktion zu. Dabei ist die höchste Priorität, die Würde der kämpfenden als auch nicht-kämpfenden Bevölkerung zu wahren, Verstöße werden in jeder Hinsicht sanktioniert.
- Als eine politisch-militärische Organisation gab es in der Geschichte der FARC-EP immer wieder Momente, in denen Dialoge und Verhandlungen mit der Regierung als gleichberechtigter und anerkannter Partner geführt worden sind. Friedensprozesse fanden mit den Regierungen von Belisario Betancourt (1984) und Andrés Pastrana (1998) statt. Unter anderem während jener Momente wurden politische Vereinbarungen getroffen und Verträge abgeschlossen sowie internationale Beziehungen zu Regierungen und Organisationen politischen und sozialen Charakters geführt. Mit der Politik der USA im Zuge des 11. September 2001 und ihrem sogenannten Kampf gegen den Terror änderten sich auch die Umstände in Kolumbien, so dass die FARC-EP nun auf der schwarzen Liste zu finden sind.
Die Suche nach Anerkennung der FARC-EP als politischer
Akteur und Kriegspartei bedeuten nicht nur für die Guerilla selbst Vorteile,
sondern diese tragen auch zu vorteilhaften Änderungen im Kontext des
Bürgerkrieges und die von ihr betroffene Bevölkerung bei. Garantien und
Vereinbarungen sind zwischen mehr oder weniger gleichberechtigten und
anerkannten Akteuren besser zu treffen. Das Ziel muss es sein, mit dem Krieg
aufzuhören, Vereinbarungen für die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen
zu treffen und einen Weg hin zum Frieden und zur sozialen Gerechtigkeit zu
gehen, der die Interessen der gesamten Bevölkerung mit einschließt. Doch jene Ziele
können nur erreicht werden, wenn die aufständische Bewegung einen legalen
Status bekommt und die Kriminalisierung der Kämpfer, Unterstützer und
Sympathisanten als Terroristen aufhört. Zudem muss ein Umgang auf politischer
und justizieller Ebene mit den politischen Delikten gefunden werden, die durch
die Regierung negiert werden. Nur so wird der Weg zu Vertrauen, Frieden und
Stabilität in Kolumbien und der ganzen Region geebnet.