Seit über einem Jahr und fast vier Monaten befindet sich der Sänger und
politisch engagierte Julián Conrado rechtswidrig in Haft. 16 lange Monate sind
seit seiner Verhaftung in Venezuela vergangen, wurde sein Leben eingeschränkt
und er seiner Freiheit beraubt. Wie ist nun seine aktuelle Situation?
Julián Conrado wurde am 31. Mai 2011 in einer Gemeinschaftsaktion von
kolumbianischen und venezolanischen Sicherheitskräften auf dem Territorium
Venezuelas festgenommen. Die Regierung Kolumbiens verlangte seine Auslieferung,
die bisher aber noch nicht durchgeführt worden ist. Bisher gibt es auch noch
kein Verfahren gegen ihn, so dass seine Festnahme präventiv erfolgte. Direkt
nach seiner Festnahme verging ein Monat, ohne dass Julián Conrado und die
Öffentlichkeit wussten, wo er ist und was mit ihm geschieht.
Festgenommen wurde er, um seine Stimme zum Schweigen zu bringen. Julián
Conrado war Teil einer lateinamerikanischen Kultur, die durch ihre lauten
Stimmen und Lieder mit zeithistorischen und gesellschaftskritischen Themen die
Menschen begeistern konnten. Julián Conrado war eine Stimme des Widerstandes
gegen den Neoliberalismus und das repressive System in Kolumbien. Er gehört der
aufständischen Bewegung FARC-EP an und hat unter anderem aktiv an den
Friedensverhandlungen zwischen der Guerilla und der Regierung Pastrana von 1998
bis 2002 teilgenommen. Zuletzt hielt er sich in Venezuela auf, weil er gesundheitlich
angeschlagen war und in Kolumbien aufgrund der Verfolgung seine Verhaftung
drohte, was im Gefängnis seinen sicheren Tod bedeutet hätte.
Moralisch geht es Julián Conrado momentan soweit gut. In Bezug auf seine
gesundheitliche Situation wurden einige Untersuchungen durchgeführt, aber die
Resultate kennt er noch nicht. Dies sagt er in einem Interview mit Radio Café
Stereo aus Stockholm. Das Leben im Dschungel habe ihn zu schaffen gemacht.
Verschiedene Krankheiten wie Dengue-Fieber oder Hepatitis, aber auch der
permanente Druck durch die Verfolgung der Armee und deren Bombardierungen haben
dem Körper zugesetzt. Trotzdem fühlt er sich den Umständen entsprechend stark,
um Lieder zu schreiben und zu singen und um den Kampf der Kolumbianer für
Freiheit und soziale Gerechtigkeit zu begleiten.
Nicht nur in Kolumbien, auch in dem Land seiner derzeitigen Haft sowie
in Ekuador, Bolivien oder Chile gibt es Gruppen, die sich für Julián Conrado
einsetzen und sich mit ihm solidarisieren. Er selbst freut sich über die
Unterstützung, zumal es nach seiner Ansicht weniger ein rechtliches, denn ein
politisches Problem ist. In Venezuela wird er zwar aktuell festgehalten, doch
dort ist er in keinem Punkt angeklagt, der Haftbefehl kommt aus Kolumbien.
Bisher erlaubt es Venezuela nicht, ihn auszuliefern, weile s gegen die
Bestimmungen wäre, einen politisch Verfolgten an ein Land auszuliefern, wo er
um sein Leben fürchten muss. In Venezuela weiß man, dass für Julián Conrado in
Kolumbien mit seiner Para-Politik und Repression gegen politisch Andersdenkende
Tortur und Tod warten würden. Auch wenn sich Venezuelas Präsident Hugo Chávez
regelmäßig informieren lässt, bisher gibt es noch keine Entscheidung in diesem
Fall, die Freiheit bleibt also weiterhin ein Traum.
Die andere Seite der Gefangenschaft ist die ständige Angst vor der
Ermordung. Er beschreibt dies so: Vor seiner Verhaftung kannte niemand den
Aufenthaltsort von ihm. Nun weiß man, wo er festgehalten wird. Julián Conrado
geht davon aus, dass der kolumbianische Staat und seine Auftragsmörder
versuchen werden, ihn auch in Venezuela zu töten. Deshalb fühle er sich nicht
so sicher, wie man es in einem Gefängnis vermuten würde. Bei den Freigängen an
der frischen Luft, zum Beispiel, muss er immer aufpassen. Und schafft es der kolumbianische
Staat nicht, seine politischen Feinde umzubringen, dann sind die Familien der
Revolutionäre das Ziel. So soll die Moral der Feinde geschwächt und ein Klima
der Angst geschaffen werden. Ob die Mutter von Julián Conrado, die im Dezember
letztes Jahr starb, auch ein Opfer der politischen Gewalt war?
Ein gesunder Menschenverstand, die Ethik eines Staates wie Venezuela und
die Genfer Konventionen verbieten eine Auslieferung von Julián Conrado an
Kolumbien. Asyl für den politisch Verfolgten und gesundheitlich angeschlagenen
Mann ist die einzige vernünftige Entscheidung im Sinne des Menschenrechts.