Catatumbo ist ein Gebiet, das aufgrund der Vielzahl von Klimazonen und sehr
guten Böden für die Landwirtschaft bestens geeignet ist. Hier werden
verschiedene Arten von Nutzpflanzen wie Kaffee, Kakao, Mais, Bohnen, Reis,
Kochbananen und Yucca angebaut. Die tiefer gelegene Region wird vor allem zur
Viehzucht verwendet, die Flüsse sind reich an Fischen, Bodenschätze finden sich
überall in Catatumbo (vor allem Öl und Kohle) und Forstwirtschaft wird hier
ebenfalls betrieben. Mit der Hauptstadt Cúcuta, ihrer Industrie und der nahe
gelegenen venezolanischen Grenze ist die
Region von geopolitischer und geoökonomischer Bedeutung.
Der Fluss Catatumbo fließt von Süd-West nach Nord-Ost-durch
den Bundesstaat Norte de Santander. Es wird geschätzt, dass 60% des Süßwassers
des Maracaibo-Sees von diesem Fluss stammen. In ihm münden die Flüsse Tarra,
San Miguel, Río de Oro, Socuavo (Süd) , Socuavo (Nord), Tibú, Sardinata und
viele andere. Das Becken in Norte de Santander hat eine Fläche von 16.626 km²
und macht 75% des Territoriums aus. Für 33 Gemeinden und eine Bevölkerung von
insgesamt 1.184.548 Einwohnern ist es die einzige Wasserquelle.
Hier liegt der nationale Naturpark Catatumbo-Bari, welcher
im September 1989 gegründet wurde. Die Fläche umfasst 158.125 Hektar und
Höhenlagen von 200 bis 1800 Meter über dem Meeresspiegel. Gefunden wurden hier
541 Arten und Unterarten von Vögeln, hinzukommen seltene Insekten, Amphibien,
Reptilien und Säugetieren wie der Brillenbär. Außerdem ist Catatumbo Teil des
Waldreservates Serranía de los Motilones, einer von insgesamt sieben nationalen
Waldreservaten. Sie dienen der behutsamen Forstwirtschaft, zeitgleich sollen
aber die Böden und die Tierwelt geschützt werden.
Catatumbo ist das Zuhause des indigenen Volkes Motilón Bari.
Sie haben 23 Gemeinden, die etwa von 3.200 Menschen bewohnt werden. Im Laufe
der Jahre erkannte die Regierung zwei indigene Schutzgebiete an,
Caricachaboquira mit rund 13.300 Hektar und Motilón Bari mit einer wesentlich
größeren Fläche. Zudem genießen offiziell einige Gemeinden den Schutz der
indigenen Kultur. Mehr als 200.000 Bauern leben aktuell in der Region von der
Landwirtschaft, der Fischerei und der Viehzucht.
Erst 1999 kamen die Paramilitärs in die Region. Es war das
Einsatzgebiet des „Block Catatumbo“ angeführt von Salvatore Mancuso und dem
„Nord-Block“ unter dem Kommando von Jorge 40.
Der Block Catatumbo demobilisierte am 10. Dezember 2004 und der
Nord-Block am 8. und 10. März des Jahres 2006. Insgesamt verließen nach
offiziellen Angaben der Regierung Uribe knapp 6200 Paramilitärs ihre beiden
Organisationen, mehr als 4700 Waffen wurden übergeben. Zurück blieben10.000
Tote, über 600 vermisste Personen und mehr als 100.000 Vertriebene.
Doch die Demobilisierung war, wie überall im Land, eine
Farce. Stattdessen konnten mit den Programmen für Demobilisierte illegal
erworbene Ländereien legalisiert und monatliche Unterstützungszahlungen für die
„ehemaligen“ Paramilitärs arrangiert werden. Der Dachverband AUC und die beiden
Blöcke im Catatumbo verschwanden zwar, doch nun entstanden neue Gruppen wie zum
Beispiel die Aguilas Negras (Schwarzen Adler). Dort wo es wirtschaftliche
Interessen der Regierung oder transnationaler Konzerne gibt, wird der Nährboden
für paramilitärische Gruppen gelegt. Von Politikern, Großgrundbesitzern und den
Konzernen selbst bezahlt, sind sie dafür zuständig, Land durch Vertreibung zu
akquirieren und gewerkschaftliche Betätigung sowie sozialen Protest zu
beseitigen.
Gründe für sozialen Protest gibt es genug. Unter dem Vorwand
der Drogenbekämpfung werden in Catatumbo immer noch Tausende Hektar des
Naturparks und des Waldreservates zerstört, die jedoch Lebensgrundlage der
indigenen und bäuerlichen Bevölkerung sind. Dort, wo tatsächlich Koka angebaut
wird, geschieht dies, weil die Indigenen und Bauern sonst keine weiteren
Existenzgrundlagen haben. Um Alternativen hat sich die Regierung nie gekümmert,
der Zugang zu sozialen Dienstleistungen ist miserabel. Das beim Sprühen der
Flächen verwendete Glyphosat kontaminiert die Wasserquellen und die Böden und
sorgt für Krankheiten, die zum Tod bei Menschen und Tieren führen. Rund sieben
Jahre brauchen die Böden um sich zu regenerieren. Bauern und Indigene werden so
gezwungen, ihr Land zu verlassen.
Des Weiteren ist die Region reich
an Kohlevorkommen. Schätzungen gehen davon aus, dass in Catatumbo mehr Mengen
zu erwarten sind, als derzeit in La Cerrejón, eine der größten Kohleminen der
Welt im etwas weiter nördlich gelegenen Bundesstaat La Guajira. Zwei
kanadische, ein mexikanisches und fünf kolumbianische Unternehmen sind an der
Erkundung und Ausbeutung der Kohlereserven beschäftigt. Derzeit findet der
Übertage-Abbau auf einer Fläche von 28.000 Hektar in den Gemeinden Convención,
Teorema, Tibú und El Tarra statt. Während früher zwischen 60.000 und 80.000
Tonnen pro Jahr gefördert worden sind (zum Beispiel durch das Unternehmen
Geofisin EU) soll die Förderung auf bis zu 750.000 Tonnen gesteigert werden.
Eine Tonne Kohle wird aus bis zu sechs Tonnen Abraum gewonnen, das heißt also,
dass fünf Tonnen an Boden und primärer Vegetation zerstört wird. Der Abbau
erfolgt meist mit Dynamit, das Sprengverfahren benötigt hierbei große Mengen an
Wasser, um Staub- und Feuerentwicklung zu vermeiden. Immer mehr Wasser und
große ehemalige landwirtschaftliche Anbauflächen werden so verschmutzt und
zerstört.
Hinzu kommt eine über Jahre anhaltende Militarisierung der Region. Mit der Sicherheitspolitik der „Demokratischen Sicherheit“ sollte vor allem in den ökonomisch wichtigen Gebieten eine dauerhafte militärische Präsenz aufgebaut werden. Begründet wurde dies nicht nur mit dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen, sondern auch mit dem Schutz der Menschenrechte. Paradoxerweise haben die Menschenrechtsverletzungen aber nicht abgenommen, sondern die außergerichtlichen Tötungen von Oppositionsführern, Guerilleros und Bauern liegt weiterhin auf einem hohen Niveau. Oft handeln Armee und Paramilitärs sogar Hand in Hand und tauschen sich gegenseitig Informationen aus. Die Armee versucht in Kämpfen die Guerilla zu vertreiben, anschließend rücken die paramilitärischen Gruppen nach und versuchen mittels Einschüchterung und Terror die Bevölkerung zu unterdrücken.
Im November 2011 stellten Präsident Santos und sein Verteidigungsminister eine
neue Militärstrategie vor. Diese bedeutete einen Anstieg der Sicherheitskräfte
im Land, die Schaffung neuer gemeinsamer Einheiten von Militär und Polizei in
Zonen wie Cauca, Nariño,
Norte de Santander und Arauca, die vor allem der Aufstandsbekämpfung dienen,
sowie dem Ziel von Töten von Führungspersonen der höheren und mittleren Ebene
der Guerilla. Dabei unterscheidet das Militär drei verschiedene Zonen. Zone 1
sind neuralgische Gebiete, die von großer Bedeutung für das Land sind. Hierzu
zählen insbesondere der Schutz von Öl- und Bergbaufördergebieten und deren
Anlagen, Straßen und Kommunikationswege. In Catatumbo ist es die Kohleförderung
und das Verkehrsnetz zu Venezuela. Zone 2 sind Gebiete in denen Angriffe auf
Ziele mit hohem Wert stattfinden sollen. Hierunten werden Gebiete gefasst, in
denen hohe Anführer der Guerilla vermutet werden. Seit 2008 waren es die Bundesstaaten
Tolima und Cauca auf der Suche nach FARC-EP Anführer Alfonso Cano, aktuell ist
es Catatumbo auf der Suche nach dem neuen Anführer Timochenko. Zone 3 sind
Gebiete, in denen das Militär sie strategische Initiative zurück gewinnen will.
Hier gibt es hohe Konfrontationen, quasi einen „richtigen Krieg“. Neben
Catatumbo betrifft dies unter anderem den Süden von Meta und Caquetá.
Aufgrund
der Repression und der jahrzehntelangen Verbundenheit mit der Bevölkerung sind
neben der 33. Kampffront der FARC-EP viele mobile Kolonnen der aufständischen
Bewegung aktiv. Allesamt stehen sie unter dem Kommando des militärischen
Blockes „Magdalena Medio“ der FARC-EP. Hierzu zählen zum Beispiel die Kolonnen
„Resistencia del Barí“, „Resistencia Catatumbo“, „Gabriel Gálviz“ und die Kolonne „Arturo Ruiz“. Über 30 Jahre
ist die FARC-EP als politisch-militärische Organisation in der Region
verankert, und genau so lange im Widerstand gegen die staatliche Aggression und
Ausplünderung. Anfang der 1980er Jahre wurden Kämpfer der 20. Kampffront
beauftragt, in der Region Catatumbo eine neue Front aufzubauen. So wurde ein
neues Operationsgebiet zwischen der Hauptstadt Cúcuta und der venezolanischen
Grenze geschaffen. Und in diesem Umfeld, in dieser Region des unerschöpflichen
Widerstandes von Indigenen, Bauern, Arbeitern, Studierenden und den
basisdemokratischen Kräften wird weiterhin für Lösungen zum Frieden, für
soziale Gerechtigkeit und für die behutsame Entwicklung der Region bei der
Bewahrung von Interessen aller gekämpft.