In diesem Zusammenhang ist es
wichtig, zwischen einem Guerilla-Krieg und Terrorismus zu unterscheiden. Der
Guerilla-Krieg ist ein bewaffneter Konflikt der Bevölkerung bzw. Teilen der
Bevölkerung aus politischem und sozialem Kontext heraus, während der
Terrorismus mit absichtlichen Angriffen auf die Zivilbevölkerung abzielt. Derr
Begriff des Terrorismus unterscheidet sich also von dem der Subversion. In
Kolumbien hat der bewaffnete Konflikt seine Wurzeln in der jahrhundertealten
Geschichte des Landes, in den verschiedenen Zyklen der Gewalt und spätestens
mit den 40er und 50er Jahren als ein Guerillakrieg der unterdrückten Bauern und
Landlosen gegen die Gewalt der herrschenden Klasse. Wie ein Faden zieht sich
der Widerstand durch die kolumbianische Geschichte, damals gegen die
Großgrundbesitzer und deren Konzentration des Landbesitzes in den Händen der
zahlenmäßig kleinen Oligarchie, heute gegen die kapitalistische Akkumulation in
der Landwirtschaft, gegen Megaprojekte im Bergbau, gegen die
Plantagenpflanzungen für Biokraftstoffe und für die universellen Rechte der
Bauern und Indígenas.
Damals wurde gegen die
Repression der konservativen Kräfte rebelliert, das diktatorische Regime von
Rojas Pinilla bekämpft und später für die Demokratisierung während der
Nationalen Front gekämpft. In den 80er Jahren wurde die aufständische Bewegung
das erste Mal von der Regierung anerkannt, es kam zu Friedensverhandlungen.
Auch Ende der 90er Jahre wurde die Guerilla durch Verhandlungen mit der
Regierung Pastrana legitimiert. Die beiden Friedensprozesse scheiterten, doch
auch heute noch ist es das erklärte Ziel der Guerilla, einen tiefgreifenden
demokratischen und politischen Wandel für das Land, reale Garantien für die
politische Betätigung und schließlich Frieden zu erreichen. Von einer
politischen Lösung ist man heute aber weit entfernt. Täglich wird der
Terrorismus- und Drogenvorwurf durch die regierungsnahen Massenmedien „El
Tiempo“, „Caracol“ und „RCN“ in die Köpfe der Kolumbianer transportiert, das
Militär und die Polizei hochgerüstet und die physische und psychische
Vernichtung der Opposition vorangetrieben. Solange es diese Zustände gibt, wird
es auch eine bewaffnete Opposition geben. Die Guerilla ist kein Terrorismus,
sie ist der Widerstand des Volkes gegen die soziale Ungerechtigkeit und
Tyrannei.
In den kolumbianischen Bergen
wächst ein neuer Mensch heran
Die kolumbianische
Oligarchie, also die Propagandisten des Neoliberalismus und ihre Medien,
versuchen die KämpferInnen und Kommandeure der FARC-EP an der Beteiligung des
Drogenhandels und anderer krimineller Machenschaften zu beschuldigen. Dies dient lediglich dem Ziel, die
KämpferInnen, Mitglieder und Sympathisanten jener revolutionären Strukturen zu
diskreditieren.
Der Zynismus dieser kleinen
aber mächtigen Gruppe ist enorm. Diejenigen, die an ein Leben in Luxus und
Reichtum gewöhnt sind, geschaffen aus dem Schweiß der kolumbianischen
ArbeiterInnen, durch Finanzspekulation und Drogenhandel, wollen eine
Organisation für die Misere im Land beschuldigen und ihre KämpferInnen
verleumden, die teilweise seit über 45 Jahren gegen diese Zustände, gegen Armut
und Ungerechtigkeit kämpfen.
Doch die Zahlen sind
eindeutig. Die Hälfte der kolumbianischen Bevölkerung ist arm, ein Viertel lebt
sogar in extremer Armut. So sind mehr als 8 Millionen Menschen
Armutsverhältnissen ausgesetzt. In den ländlichen Gebieten ist die Situation
noch schlimmer, mehr als die Hälfte aller Haushalte lebt unterhalb der
Armutsgrenze. Weltweit steht Kolumbien bei den Ländern mit sozialer und
wirtschaftlicher Ungleichheit an dritter Stelle.
Damit die Oligarchie ihr
komfortables und luxuriöses Leben aufrechterhalten kann, betreibt sie die
Aufrüstung des Militärs und verfolgt eine Politik mit Waffen. Unterstützung bei
der repressiven Politik und Militarisierung erhält sie aus den USA. Kolumbien
ist das Land mit der höchsten US-amerikanischen Militärhilfe in Lateinamerika
und weltweit an dritter Stelle. Millionen von Dollar werden investiert, um den
Krieg zu finanzieren und die Menschen zu unterdrücken. Das haben sie vor
Jahrzehnten mit den aufständischen Bauern so gemacht, später mit dem
systematischen Ermorden von Mitgliedern und Sympathisanten der Unión Patriótica
und heute mit dem Kampf gegen die FARC-EP.
Wie schon seit geraumer Zeit
zu erkennen ist, versuchen die Geschichtsverfälscher der Oligarchie Lügen über
die Aufständischen zu verbreiten, um so gegen sie Stimmung zu machen und den
Krieg rechtfertigen zu können. Es ist ein psychologischer Krieg, in der die
KämpferInnen der FARC-EP als Terroristen bezeichnet werden. Tatsächlich gibt es
in Kolumbien viele Menschen, die auf die Lügen und Diskreditierungen der
Regierungspropaganda herein fallen. Doch es gibt mittlerweile auch viele
Menschen die wissen, dass die Guerilla weiterhin eine starke
politisch-militärische Organisation ist, getragen von den Ideen eines Simón
Bolívar oder eines Manuel Marulanda, die an der Seite der Unterdrückten und
Armen gekämpft haben.
Wer die Gelegenheit hatte,
mit den Guerilleras und Guerilleros (im Folgenden einfachheitshalber
Gueriller@s) der FARC-EP zu reden, zu leben oder politisch zu arbeiten, der
weiß, welchen Charakter und welche Werte die Männer und Frauen haben, die unter
teilweise schwierigen Bedingungen in den Bergen, Savannen und Wäldern für ein
neues und gerechtes Kolumbien kämpfen. Die hinterlistige und feige Oligarchie
wird es nie verstehen und ertragen können, dass die Bedingungen des
Guerilla-Lebens, die Opfer und der Verzicht auf viele materielle Dinge für
einen Menschen stehen, in denen Liebe und Treue zur revolutionären Sache aus
dem tiefsten Herzen kommen.
Laufend entlang von Wegen und
Pfaden, gebaut in mitten des Dschungels, teilweise bestehend aus Schlamm und
matsch, kleine Flüsse überquerend auf kleinen Holzbrücken, bergauf und bergab
umgeben von einer üppigen Vegetation und frischer Luft, ist es eine tolle
Erfahrung wenn man weiß, dass man am Ende eines langen Marsches herzlich und
solidarisch von den Brüdern und Schwestern in einem Camp der FARC-EP empfangen
wird.
Wie weit sind doch die Lügen
der Regierung entfernt, wenn man die Revolutionäre auf dem Land sieht, die in
den Bergen und im Dschungel ihr Umfeld zum Arbeiten, Leben und Studieren haben.
Wie unterschiedlich ist doch die Welt, die der Kapitalismus für junge Menschen
parat hat. Es ist eine entfremdete und konsumorientierte Welt, in der nur
oberflächliche Dinge etwas zählen, die Freizeit in Einkaufscentern verbracht
wird, es ist eine Welt des Egoismus und der Individualisierung, ohne Belange
sich für die wirklich humanen Werte wie Freundschaft, Solidarität und Respekt
einzusetzen. Doch in dieser kapitalistischen Welt, direkt im Kern jener
Gesellschaft wachsen Menschen heran, die ein humanes Weltbild verinnerlicht
haben, die jungen Revolutionäre der Guerilla.
Diese jungen Revolutionäre
leben im Dschungel und in den Bergen umgeben von den harten Bedingungen der
Natur und in Erwartung eines Feindes, der eine hochgerüstete und
hochtechnologisierte Armee besitzt. Und doch trotzen sie dem Feind schon seit
Jahrzehnten. Und immer wieder finden sich aufgrund der sozialen und politischen
Bedingungen Menschen, die sich der Guerilla und dem Leben eines solchen
anschließen.
Das Leben in einem Lager der
FARC-EP sollte ein Beispiel für die menschliche Gesellschaft sein. Die Frauen
und Männer, Guerilleras und Guerilleros, teilen sich die verschiedenen Aufgaben
und Pflichten gemeinsam auf. Dies betrifft die Nahrungsmittelbeschaffung
(Anbau, Ernte, Kauf), die Zubereitung des Essens für die ganze Gruppe, Säubern
und Pflegen des Lagers und der Schlafstellen bzw. Unterkünfte, Reinigung der
Kleidung, sie sichern die Umgebung und bereiten kulturelle oder politische
Aktivitäten vor.
Zu jederzeit sind die
Gueriller@s militärisch auf ihre Aufgaben vorbereitet. Die Gueriller@s selbst,
aber auch das militärische Material werden ständig in Schuss gehalten. Die
körperliche Fitness und das Wissen über das Material zum Kämpfen sind sehr
wichtig. Die Fitness wird nicht nur in bestimmten militärischen Übungen
erworben, sondern auch bei der alltäglichen Arbeit eines jeden Gueriller@.
Hierzu zählen das Holzhacken, die landwirtschaftliche Arbeit und das generelle
Leben ohne große technische Hilfsmittel.
Anders als bei den
Streitkräften der Regierung gibt es in der FARC-EP keine Zurschaustellung von
militärischen Rängen oder Abzeichen. Es gibt und gelten die gleiche Disziplin
und der gleiche Respekt für alle. Die Kommandeure fördern Freundschaft,
Solidarität und Kameradschaft untereinander und für das gesamte Kollektiv einer
Gruppe. Diese Herzensangelegenheit und Solidarität trifft auch für gefallene
KämpferInnen, die politischen Gefangenen und die Familien zu.
Die Gueriller@s sind Menschen
wie du und ich. Sie kommen vom Land oder aus der Stadt. Manche haben nur eine
geringe Schulbildung, andere haben länger eine Schule besucht. Sie schlagen
sich mit Aushilfsjobs und informeller Arbeit über die Runden. Andere haben eine
Arbeit auf dem Land gefunden. Oder sie haben studiert und waren anschließend in
leitenden Funktionen tätig. Sie kommen aus allen Schichten, allen Teilen des
Landes, jeder mit einer anderen Vergangenheit aber doch alle mit einer
ungewissen Zukunft. Der Kampf für eine gerechte Welt führt sie zusammen.
In den Reihen der FARC-EP
gibt es Dichter wie Jesús Santrich und Iván Márquez, es gibt Musiker wie
Cristián Pérez und Julián Conrado und viele Personen, die wunderbar Zeichnen
können. Kunst bzw. die kulturelle Bereicherung wird bei der Guerilla sehr
geachtet, für diesen Zweck gibt es in den Einheiten auch die kulturelle Stunde.
In der kulturellen Stunde wird den KämpferInnen ein Freiraum zur Entfaltung
gegeben, denn Lust und Humor dürfen bei keiner Guerilla fehlen.
Die Gueriller@s sind auch
wissbegierig. Wie oben schon erwähnt wurde, kommen sie alle aus
unterschiedlichen sozialen Verhältnissen. Während die einen studiert haben,
haben die anderen vielleicht noch nie eine Schule von innen gesehen. Die
Bildung ist ein wesentlicher Bestandteil innerhalb der Guerilla. Hier wird
Lesen und Schreiben gelehrt, es findet Fremdsprachenunterricht statt und es
wird sich mit politischen, philosophischen oder kulturellen Themen
auseinandergesetzt. Die Bildung und Pädagogik sind auf die jeweiligen
Gegebenheiten zugeschnitten. In der kulturellen
Stunde oder in speziellen Zirkeln finden der Unterricht und die
Beschäftigung mit Themen und Nachrichten ihren Platz.
Häufig gibt es auch spezielle
Seminare und Fortbildungen für die Gueriller@s. Für Analphabeten gibt es länger
angelegte Kurse, die ein straffes und lehrreiches Programm haben. Doch auch zu
Themen im politischen, geschichtlichen, militärischen und wirtschaftlichen
Bereich gibt es Seminare, die neben dem alltäglichen Leben eines Gueriller@
einen Vor- oder Nachmittagskurs beinhalten. Für Kommandeure, Stellvertreter
oder Anwärter sind jene Kurse, aber auch spezielle Schulungen ein
Pflichtprogramm. Es sind phantastische Erfahrungen, wenn am Abend in der
Dunkelheit im Schein einer kleinen Taschenlampe Poesie erzählt oder über
diverse Themen diskutiert wird.
In der „farianischen“ Musik,
der typischen Musik der Guerilla, spürt man die Gefühle und die Lebendigkeit
der KämpferInnen. Aber auch andere Musikrichtungen wie Salsa, Vallenato,
Cumbia, Rock, Hip Hop oder Jazz erfüllen die Gueriller@s mit positiver Energie und
sind ebenso Bestandteile der Guerilla-Musik. Ein Großteil der Texte beschreibt
den Alltag der Menschen, erzählt deren Geschichten und beschreibt politische
und soziale Themenfelder. Es ist eine andere Musik als die von Shakira oder
Alejandro Sanz, die die soziale Realität Kolumbiens ausklammern und die von
abstrakter Liebe und trivialen Dingen singen.
Das Bad in einem Fluss ist
der Trost für einen harten Tag. Das kühle, kalte Wasser, welches die Natur
bietet, belebt und erfrischt Körper und Geist. Danach ist man wie neugeboren.
Die Natur wird von den Gueriller@s sehr geschätzt. Mutter Erde wird deshalb
respektiert, weil die Guerilla auf sie angewiesen ist. Sie bietet nicht nur
Schutz und verpflegt sie, sie sorgt auch für Elektrizität und ist Teil eines jeden
Gueriller@. Zwischen Mensch und Natur besteht eine feste Bindung, bei den im
Dschungel oder in den Bergen lebenden KämpferInnen ist sie jedoch besonders
ausgeprägt. Der Schutz der Umwelt und die Bewahrung vor Zerstörung, intensiver
Landwirtschaft oder Ausbeutung hat oberste Priorität.
Das Bad im Fluss zeigt uns
auch etwas anderes, und zwar, wie weit die Vorurteile der Konsumgesellschaft
und Medienoligarchie entfernt sind. Guerilleras und Guerilleros respektieren
und achten einander und baden gemeinsam, ohne dass falsche Blicke auf eine
Person gerichtet werden. Man weiß, dass das Schönheitsideal der Medien ein
Trugschluss ist und so wird jeder Körper in seiner Natürlichkeit gesehen.
Natürlich gibt es auch Gefühle und Liebesbeziehungen zwischen den KämpferInnen.
Beziehungen werden geduldet, sie haben aber andere Norm- und Wertvorstellungen
wie in der Welt der Bourgeoisie, in der Heirat, Kinder bekommen und
patriarchale Vorstellungen weit verbreitet sind. Ein machistisches Weltbild
wird in der FARC-EP abgelehnt und Bildung über Sexualität, soziale Strukturen
und Zusammenleben werden mehr und mehr diskutiert.
Aber trotzdem, manchmal ist
das Leben in einem Lager der FARC-EP nicht leicht. Aber der Unterschied zum
anderen Leben, jenseits der revolutionären Strukturen ist, dass es gegenseitige
Unterstützung gibt um die schwierigen Bedingungen gemeinsam zu meistern.
Hierfür sind Disziplin und Organisation immens wichtig. Alles muss immer gut
strukturiert und gestaltet sein. Jede Person hat ihre Aufgabe in diesem
komplexen System. Fehler sind menschlich und werden erörtert. Und nach und nach
wachsen, ganz im Sinne der revolutionären Ethik und Praxis, die neuen Menschen
heran.
Am Ende bleiben positive
Gefühle. Jeder Gueriller@ freut sich mit den Hunden und Katzen im Lager zu
spielen. Jede und jeder liebt es, nach einem anstrengenden Tag bei einem Buch
aus der mobilen Lagerbibliothek zu entspannen, einen Kaffee zu trinken oder
„Agua de panela“ zu sich zu nehmen, die in einem Ofen nach vietnamesischem
Vorbild zugerichtet wurden. Diese Öfen, mit ihren langen unterirdischen
Rauchabzügen haben sich im Guerillaleben bewährt. Diese Momente und das Leben
in der Natur, mit sauberer Luft, klarem Wasser, fantastischen Bäumen,
Vogelgezwitscher, dem Rauschen des Windes und des Regens, sind Dinge, die einen
Gueriller@ erfreuen. Und es ist auch eine Form des Luxus, all jene Dinge zu
haben.
Würde, Respekt, Zusammenhalt,
Solidarität und Engagement für die gerechte Sache der Ausgebeuteten sind hier
nicht nur leere Worthülsen, sondern die Aspekte, die die FARC-EP zu einer
großen Organisation machen. Die modernste Technologie der Armee und die
tägliche Propaganda der Medien über das scheinbare Ende der Guerilla kann den
Optimismus der FARC-EP nicht bremsen. Die FARC-EP sind ein Teil des Volkes und
sie kämpfen für soziale Gerechtigkeit und Unabhängigkeit. Sie sind eine
Massenorganisation, eine revolutionäre Partei, eng verflochten mit den
Ausgebeuteten, den Arbeitern, den Studierenden, den Bauern, den Indígenas und
all anderen Schichten und Menschen, und deshalb können sie nicht besiegt werden
und deshalb werden sie auch weiter kämpfen, sowohl politisch als auch
militärisch.