Miguel Ángel Beltrán Villegas ist ein Soziologe und
Historiker der Nationalen Universität von Kolumbien. Vor seiner Verhaftung lehrte
er an Universitäten in Kolumbien und in Mexiko. Beschäftigt war er unter
anderem an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM). Dort wurde
er im Mai 2009 festgenommen und nach Kolumbien deportiert. Ihm wurde
vorgeworfen, Kontakte zur Guerilla und Mitglied der der Internationalen
Kommission der FARC-EP zu sein. Dabei stützte man sich auf die mittlerweile
nicht mehr verwendbaren Daten, die auf dem manipulierten Computer von
FARC-EP-Mitglied Raúl Reyes. Am 3. Juni 2011 wurde er nach mehr als zwei Jahren
freigelassen und die Anklage fallen gelassen. Oft wird Miguel Ángel nach seinen
Erlebnissen in der Haft befragt, die hier ebenfalls ausschnittsweise
dokumentiert werden.
Seiner Meinung nach ist die aktuelle Situation der
politischen Gefangenen sehr kritisch. Die Bedingungen, in denen die Gefangenen
leben müssen, verletzen alle minimalen Standards der Grundbedürfnisse eines
Menschen. Dies betrifft fast alle Gefangenen und ist nicht nur abhängig von
wenigen Punkten sondern umfasst alle physischen und psychischen Bereiche,
insbesondere diejenigen, die mit der Überbelegung zu tun haben.
Miguel erzählt zum Beispiel, wie in einer Zelle, die für
drei bis vier Personen ausgelegt war, zeitweise sechs oder sieben Gefangene
lebten. Sechs oder sieben Personen in einer kleinen Zelle, in der unter anderem
auch die intimen Besuche empfangen werden mussten. Aber auch die jeweiligen
Familien waren über die Zustände schockiert und demzufolge genauso betroffen,
wie die Gefangenen selbst. Er beschreibt, wie die Besuche, zum Beispiel von
Familien oder Partnern, die Zustände in den Zellen ertragen mussten. Es gab
keine Privatsphäre und sie waren den Aggressionen der anderen Gefangenen und
den allgemeinen Lebensbedingungen ebenso ausgesetzt.
Weiterhin widmet er sich in seinen Ausführungen den neuen
Gefängnissen, die mit dem Geld des „Plan Colombia“ unter der Ära Uribe gebaut
worden sind. Er bemängelt an den Gefängnissen, dass diese so gebaut werden,
dass kein Sonnenlicht in die Gemäuer eindringen kann. Oftmals gibt es keine
Heizsysteme, gerade in den hohen kühleren Regionen führt dies häufig zu
Krankheiten. Hinzu kommt die Durchlässigkeit von Wind, so dass die Gefangenen
permanent in Decken eingehüllt sind. Es gibt keine privaten Rückzugsräume,
selbst die Bäder beim Duschen und die Toiletten zur Notdurft sind offen. Das
Fehlen von Türen in den sanitären Anlagen ist ein großer Eingriff in die
Intimität der Gefangenen.
Ein weiteres Problem sind die Beschränkungen und die
Lebensumstände in den Gefängnissen. Es gibt ein System von Schikanen, die
oftmals sehr willkürlich geschehen. Hierzu zählen das Verbot von Besuchen und
Anwälten, oder Einschränkungen die Bibliothek zu nutzen, soweit eine vorhanden
ist. Gefährlich, beziehungsweise als großen Einschnitt in das Gefängnisleben,
wird die Zusammenlegung der verschiedenen Gefangenen gesehen. Eine Schikane
kann zum Beispiel sein, dass man als politischer Gefangener mit rechten
Paramilitärs zusammengelegt wird. Jeder kann sich die Situation vorstellen,
wenn man im selben Ort mit einem Chef einer paramilitärischen Einheit
zusammenleben muss, der die Familie eines politischen Aktivisten auf dem
Gewissen hat. Selbst innerhalb der Gefängnismauern hat man keinen Schutz vor
deren Gewalt.
Auch Gesundheit und Ernährung sind ein Problem, erklärt
Miguel. Die Lebensmittel haben keine gute Qualität und besonders für kranke
Menschen, als Beispiel nennt er hier die Zuckerkranken, gibt es eine
ungenügende Versorgung. In den Gefängnissen gibt es keinen Anspruch auf eine
ausgewogene Ernährung oder eine medizinische Versorgung. Wenn die Situation
schon außerhalb der Gefängnisse für die Bevölkerung unzureichend ist, dann ist
sie in den Gefängnissen erst recht sehr prekär. Zu Schluss kommt er noch auf
die Sicherheitskräfte und die Politik des nationalen Gefängniswesens zu
sprechen. Die Gefangenen werden von den Sicherheitskräften und Wärtern nicht
nur verbal, sondern auch körperlich angegriffen. Das kolumbianische
Gefängnissystem und die Behörde INPEC sind sehr repressiv ausgerichtet und
haben nicht das Geringste mit Resozialisierung zu tun. Ein Gefangener, der
schon seine Freiheit verloren hat, verliert hier auch noch seine
Menschlichkeit.