25 Jahre Resistencia International
bedeutet 25 Jahre alternative Informationen und Hintergründe des
politischen und bewaffneten Konfliktes in Kolumbien. Als vor 25
Jahren die Resistencia International in spanischer Sprache
erschien, da gab es eine Auflage von nur einigen Hundert. Das
Interesse an Informationen aus Kolumbien wuchs derart an, dass die
Zeitung später auch auf Deutsch, Englisch, Italienisch,
Portugiesisch und Russisch erschien. Ihre Hochzeit hatte Resistencia
International in den Jahren 2000 bis 2002, als die Zeitung
viermal im Jahr herausgegeben wurde. Mit der Verbannung der FARC-EP
auf die Liste der Terrororganisationen im Zuge des 11. September 2001
wurde die Herausgabe erschwert und musste in vielen Sprachen
eingestellt werden. Mehrere Themen haben sich in den Jahren
herauskristallisiert. Viele umreißen das politische und
gesellschaftliche Bewusstsein der FARC-EP als politische und
militärische Organisation. Politische, wirtschaftliche und soziale
Fragen wurden genauso behandelt, wie historische Themen, die wichtig
sind, um die Gründe des Konfliktes zu kennen.
Aus diesem Grund wird ein Artikel über
den indigenen Widerstand veröffentlicht, erschienen in der
Resistencia International Nr. 28 (Nov. 2001 – Feb. 2002).
Die Geschichte der Besiegten.
Vom Widerstand der indigenen Völker
Vom Widerstand der indigenen Völker
Vor mehr als 500 Jahren, am 12. Oktober
1492, landete der Genueser Seefahrer Christoph Kolumbus auf einer
Insel in der Karibik. Aus europäischer Sicht markiert dieses
Datum die Entdeckung und den Beginn der Eroberung Amerikas. So wird
dieser Tag auch noch heute in den dortigen Schulen gefeiert, in denen
kein anderes Geschichtsbild vermittelt wird, als das der großen,
weißen, heldenhaften Männer. Die, von denen die Namen heute bekannt
sind, gehörten allesamt der wirtschaftlichen, politischen oder
militärischen Elite an.
Für die Ureinwohner Amerikas (heute
insgesamt nur noch 50 bis 60 Millionen) ergibt sich ein anderes Bild.
Für sie bedeutete die Anwesenheit der Europäer
nichts anderes als die Besetzung ihrer angestammten Gebiete, die
Zerstörung ihrer Kultur, die Auferlegung verschiedener Formen von
Knechtschaft und den Beginn einer langen Etappe der Barbarei im Namen
einer »Zivilisation«, die bis heute die Existenz zahlreicher
indigener Gemeinschaften bedroht.
Angesichts dieser Entwicklung führten
die Ureinwohner Amerikas im Laufe der Jahrhunderte einen zähen, noch
immer andauernden Kampf um die Respektierung ihrer Traditionen, ihrer
Stammesgebiete und ihrer kulturellen Identität. Diesen Forderungen
wurde damals und wird heute mit brutaler Gewalt begegnet.
Der Widerstand der indigenen Völker
Lateinamerikas nahm über die Jahrhunderte verschiedene Formen an.
Aus Protest wurden ganze Siedlungen
niedergebrannt, etwa auf Befehl des Kaziken Sagipa, der die
Machthaber zwang, die Stadt Santafé de Bogotá auf den Trümmern neu
zu errichten. Es wurde indigenes Recht angewendet, um den
Landbesetzungen entgegenzuwirken und die Mißhandlungen durch die
encomenderos (Großgrundbesitzer) anzuzeigen. Auch kollektive
Selbstmorde gab es.
Im Arbeitsalltag wurden andere Formen
des Widerstandes gegen die dominante Kultur der Eroberer entwickelt.
Die »faule«, »feindselige« und »bösartige« Wesensart, die den
Ureinwohnern von den europäischen Eroberern zugeschrieben wurde, war
nichts anderes als eine Beschreibung des passiven Widerstandes, den
die zu einer Art Fronarbeit gezwungenen indigenen Gemeinschaften
gegenüber den Machthabern leisteten.
Der bewaffnete Widerstand hat den vor
allem spanischen, portugiesischen und französischen Eroberern
Kopfzerbrechen bereitet. Auf dem Gebiet des
heutigen Kolumbien waren zahlreiche indianische Gemeinschaften wie
die Muzos in der Region Vélez, die Panches in Tibacuy, Tocaima,
Anolaima und Villeta, die Pijaos in den Regionen Natagaima und
Coyaima, die Paeces im Cauca und andere aus Santa Marta und Cartagena
bekannt für ihren erbitterten Widerstand gegen die Eroberung durch
den weißen Mann.
Der rechtmäßige Verteidigungskampf
der Ureinwohner wurde durch die spanischen Geschichtsschreiber in ein
völlig falsches Licht gesetzt, indem sie das Bild des wilden oder
menschenfressenden Indios vermittelten. Aber der
Kampf brachte auch zahlreiche Führer des indigenen Widerstandes
hervor, wie zum Beispiel die Kaziken Nutibara, Tundama, Calarcá,
Saboyá, Maitamac, Acaime, La Gaitana, Lupachoque und Toné, deren
heroischer Kampf ein wichtiger, aber bis heute weitgehend
verschwiegener Teil unserer gemeinsamen Geschichte ist.
Die encomenderos waren diejenigen
Spanier, die als Dank für ihre militärische Hilfe bei der
Unterwerfung der indigenen Völker nicht nur ein Stück Land
erhielten, sondern auch die darauf wohnenden Ureinwohner von der
spanischen Krone quasi als Eigentum zugesprochen bekamen. Sie durften
mit ihnen verfahren, wie sie wollten, meist wurden die indianischen
Gemeinden zur Feldarbeit verdammt, wie zur Fronarbeit im
mittelalterlichen Europa.
Von Caonabó nach Tundama
Caonabó, ein
karibischer Häuptling auf der Insel La Española (heute
Dominikanische Republik) war einer der ersten Führer des
indianischen Widerstandes gegen die Spanier, die mit Kolumbus in der
Region einfielen. Sobald er von der Anwesenheit der Spanier und ihren
Besitzansprüchen erfuhr, organisierte der gebürtige Karibe in der
Provinz Managua den Kampf gegen die »weißen Eindringlinge«, in
dessen Verlauf den Spaniern große Verluste zugefügt wurden. Ein
anderes Mal überfiel er mit seinen Kriegern das Fort Navidad, das
die Spanier aus den Überresten des Flagschiffes Santa Maria erbaut
hatten. Die Belagerung und den Kampf um
Fort Navidad überlebte keiner der spanischen Soldaten. Zu den
militärischen Erfolgen des Kaziken gehört auch der Angriff auf die
Festung Santo Tomás.
Da es unmöglich schien, Caonabós
gewaltsam Herr zu werden, bediente sich Alonso de Ojeda,
Oberbefehlshaber der spanischen Truppen, einer List. Er besuchte
Caonabó in vermeintlich friedlicher Absicht. Als Gastgeschenk
brachte er ein Paar Fußschellen mit, die er dem Kaziken als Geschenk
überreicht. Caonabó, dem die Fesseln unbekannt waren, hielt sie für
einen Schmuck. Als die Verschlüsse einrasteten, stürzten die
Soldaten auf ihn und nahmen den kampfstarken Kaziken fest.
Aus der Sicht der Eroberer, die unsere
Geschichtsschreibung bis heute bestimmt, sind dieser leichte Sieg und
andere der »Geistesschärfe« der Eroberer und der »Naivität« der
Eroberten zu verdanken. Aus der Sicht der Besiegten aber waren es die
unbekannten Kulturelemente der Spanier, wie Handfeuerwaffen, Pferde
und Jagdhunde, die zu den Siegen beitrugen.
Aber die Völker lernten aus ihren
Erfahrungen, und bald schon waren ihnen diese neuen Elemente
vertraut. Sie lernten, mit ihnen umzugehen, und sie lernten ihre
Schwächen kennen. Auf diese Weise, und mit der Erkenntnis über die
waren Intentionen der Eroberer, wurde der indianische Widerstand
immer effektiver.
Diese neue Haltung der Ureinwohner
wurde von einigen europäischen Chronisten durchaus wahrgenommen. In
seinen »historischen Notizen« erzählt Fray Pedro Simón eine
Episode aus der Zeit der Eroberung wie folgt:
»Der spanische Kapitän Baltasar
Maldonado wandte sich an den Kaziken Tundama, der den Eroberern
erklärtermaßen Widerstand leisten wollte. »Du tätest besser
daran, dein Leben und das deiner Gefolgsleute mit Mauern und
Palisaden aus Frieden und Freundschaft zu schützen, denn das ist es,
was wir dir zu wünschen und garantieren gekommen sind. (...)
Diesen Frieden trage ich dir an ein ums andere Mal und die
Unterordnung unter den König von Spanien, der dich gegen jegliche
Angreifer verteidigen würde, denn seine königlichen Hände sind
allmächtig.«
Darauf antwortete der Kazike Tundama:
»Halte mich nicht für so barbarisch, daß ich den Frieden und die
Früchte, die ihm erwachsen, gering achte. Auch die Freundschaft, die
ihr mir antragt, würde ich euch gerne erwidern, wüßte ich nicht um
euer Ränkespiel, uns mit sanften Worten in eure Freundschaft
einzuzwingen, um uns alsbald mit Tributlasten zu ersticken.« Nach
diesen Worten ließ der Kazike den Quellen zufolge einen Pfeil aus
seinem Bogen schnellen und gab damit das Zeichen zum Angriff.
La Gaitana: Ein weiteres Symbol des
indigenen Widerstandes
1538 wollte Pedro de
Añasco, General der Truppen von Belacázar und von diesem mit der
Gründung der Stadt Villa de Timan beauftragt, einen Aufstand der
Indianer in dieser südkolumbianischen Region niederschlagen. Dabei
wurde auch der Sohn der Kazikin La Gaitana ermordet. Die
Spanier verbrannten ihn bei lebendigem Leibe.
Die Stämme der Andakies, Yalkones und
Paeces vereinigten sich daraufhin unter der Leitung der Kazikin. Eine
weitere Allianz führte die Schlacht im Tal von Yguilga, in der weite
Teile der spanischen Truppen eingekesselt wurden. Unter den
Gefangenen befand sich auch Añasco. Zur Strafe für seine Verbrechen
wurde er an einen Baum gebunden, geblendet und als Beispiel der
Besiegbarkeit der Eroberer durch die Dörfer geführt. Der Kampf in
der Region dauerte noch ein ganzes Jahr an, am Ende siegte die
Übermacht der Spanier, aber der Preis war die völlige Zerstörung
der Region. Der Sieg ließ verbrannte Erde zurück.
Zahlreich sind die Beispiele für den
indianischen Widerstand. Der Kampf ist tatsächlich niemals ganz zum
Erliegen gekommen, er läßt sich bis weit über das Ende der
Kolonialzeit hinaus verfolgen. Bis in unsere Zeit.
Heute allerdings werden die Kämpfe unter anderen Bedingungen
geführt. Im Zeitalter der Globalisierung will man uns die scheinbar
ultimativen Werte des Marktes und der Konkurrenz schmackhaft machen,
ohne dabei kulturelle Besonderheiten zu beachten. Ähnliches
hatten schon einmal die Spanier versucht.