01 März 2013

Sozialer Protest der Bauern


In Kolumbien regt sich der soziale Protest. Besonders im landwirtschaftlichen Bereich erleben wir in vielen Landesteilen die Organisierung und Mobilisierung von Bauern sowie kleinen und mittleren Agrarbetrieben, um für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu kämpfen. Dies betrifft unter anderem die Bauern von Produkten wie Mais, Baumwolle, Milch, Kakao, Zuckerrohr, Bananen und vor allem aktuell die seit dem 25. Februar in einen landesweiten Streik getretenen Kaffeebauern. Mit der Umsetzung des Freihandelsabkommens haben sich die Bedingungen für Arbeit und Leben für die Bauern und die Familien nochmals verschlechtert. Seit der Einführung des neoliberalen Modells in Kolumbien vor rund 15 Jahren änderten sich die Verhältnisse und Arbeits- und Lebensumstände besonders auf dem Land rapide zum Schlechten. Der soziale Protest, der in einigen Regionen Formen eines Aufstandes angenommen hat, zeugt von der Wut und Trauer derjenigen, die in immer ärmeren Verhältnissen leben müssen, während die Reichen und Großgrundbesitzer die Gewinner von heute sind.

Der soziale Protest der Kaffeebauern, dem sich die Bauern aus anderen Bereichen angeschlossen haben, reiht sich historisch ein in die Aufstände der Kommunarden in Santander 1789, den der Bauern in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, als mehrere sogenannte unabhängige Bauernrepubliken wie die von Tequendama entstanden, den Widerstand der Bauern gegen die Aggression der Armee in Marquetalia von 1964 aus denen die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens entstanden (FARC) oder den Demonstrationen und Widerstandskämpfen der indigenen Landbevölkerung in Cauca, die alle gegen die feudale und imperiale Herrschaft der Oligarchie aufbegehrten. Es ist eine kraftvolle Mobilisierung, die sowohl von den Bauernverbänden und sozialen Bewegungen unterstütz wird, als auch von der Guerilla, die, wie das Beispiel der FARC zeigt, ruralen Ursprungs sind und auch heute noch die soziale Basis auf dem Land haben.

In den Dörfern und Kleinstädten von Cauca, Huila, Caldas, Antioquia, Tolima, Quindío, Nariño, Santander, Cesar und Magdalena Medio gibt es Protestcamps und Demonstrationen. In vielen Gebieten wurden Straßensperren errichtet, zum einen, um als Teil der Strategie eines Streiks die Wirtschaft lahmzulegen, zum anderen, um die Polizei und Armee daran zu hindern, die Dörfer, Protestcamps und Demonstrationen anzugreifen. Die bisherigen Auseinandersetzungen und Angriffe der Polizei, vorgetragen durch die berüchtigten Aufstandsbekämpfungseinheiten ESMAD, sind brutal und führten zu vielen Verletzten. Immer wieder werden die Demonstrationen, die sich regional in den Gemeindebezirken und Kleinstädten bilden und von Tausenden Teilnehmern getragen werden, von der Polizei angegriffen und die Protestcamps niedergebrannt. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein und schießt mit Gasgranaten direkt auf die protestierenden Bauern.

Doch die Bauern lassen sich nicht einschüchtern. Es gibt große Versammlungen, in denen die Arbeits- und Lebensbedingungen sowie Lösungsvorschläge thematisiert werden. Es gibt Konzerte, Theaterstücke und verschiedene Foren, an denen sich Teile der Bevölkerung beteiligen. Die 350.000 Kaffeebauern sind müde geworden, von der Bürokratie und ihrer angeblichen Vertretung durch die Nationale Kaffeeföderation, die mehr und mehr die Interessen der Konzerne vertreten als die der Bauern. So sank der Verkaufspreis für Kaffee über die Jahre, während der Produktionspreis und die Lebenserhaltungskosten stetig steigen. Außerdem werden Hilfen für Umwelt- und Wetterschäden und eine Regelung für die Landvergabe gefordert. 512.000 Pesos kosten 125 Kilo Kaffee im Verkauf, die Produktion der gleichen Summer beläuft sich auf rund 700.000 Pesos (rund 300 Euro). Der von der Regierung bestimmte Kaffeepreis liegt also deutlich unter den Kosten, die für die Produktion von Nöten sind.

Die Landfrage und die Arbeits- und Lebensbedingungen sind nicht nur historisch gesehen ein wichtiger Bestandteil in der politischen Programmatik der FARC-EP, sondern noch immer ist die Guerilla klar auf rurale Themen verortet und sieht sich als eine Interessensvertretung der Bauern und ländlichen Bevölkerung. In den Friedensverhandlungen ist die Frage einer Agrarreform deshalb der erste Punkt auf der Agenda. Noch immer ist die große Mehrheit des kolumbianischen Landbesitzes in den Händen weniger Großgrundbesitzer oder transnationaler Konzerne konzentriert. Durch massive Vertreibungen der Landbevölkerung, die unrechtmäßige Aneignung des Landes und die Interessen der transnationalen Konzerne an den natürlichen Ressourcen Kolumbiens ist die Landfrage mehr denn je von enormer Bedeutung. In zivilgesellschaftlichen Foren und Vorschlägen der FARC-EP wurde bereits mehrmals über die Neuordnung und Nutzung des Bodens, Nahrungsmittelsouveränität, Umweltschutz und finanzielle Hilfen diskutiert.