In Kolumbien regt sich der soziale Protest. Besonders im
landwirtschaftlichen Bereich erleben wir in vielen Landesteilen die
Organisierung und Mobilisierung von Bauern sowie kleinen und mittleren
Agrarbetrieben, um für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu kämpfen. Dies
betrifft unter anderem die Bauern von Produkten wie Mais, Baumwolle, Milch,
Kakao, Zuckerrohr, Bananen und vor allem aktuell die seit dem 25. Februar in
einen landesweiten Streik getretenen Kaffeebauern. Mit der Umsetzung des
Freihandelsabkommens haben sich die Bedingungen für Arbeit und Leben für die
Bauern und die Familien nochmals verschlechtert. Seit der Einführung des
neoliberalen Modells in Kolumbien vor rund 15 Jahren änderten sich die
Verhältnisse und Arbeits- und Lebensumstände besonders auf dem Land rapide zum
Schlechten. Der soziale Protest, der in einigen Regionen Formen eines
Aufstandes angenommen hat, zeugt von der Wut und Trauer derjenigen, die in
immer ärmeren Verhältnissen leben müssen, während die Reichen und Großgrundbesitzer
die Gewinner von heute sind.
Der soziale Protest der Kaffeebauern, dem sich die Bauern aus anderen
Bereichen angeschlossen haben, reiht sich historisch ein in die Aufstände der
Kommunarden in Santander 1789, den der Bauern in den 30er und 40er Jahren des
letzten Jahrhunderts, als mehrere sogenannte unabhängige Bauernrepubliken wie
die von Tequendama entstanden, den Widerstand der Bauern gegen die Aggression
der Armee in Marquetalia von 1964 aus denen die Revolutionären Streitkräfte
Kolumbiens entstanden (FARC) oder den Demonstrationen und Widerstandskämpfen
der indigenen Landbevölkerung in Cauca, die alle gegen die feudale und
imperiale Herrschaft der Oligarchie aufbegehrten. Es ist eine kraftvolle
Mobilisierung, die sowohl von den Bauernverbänden und sozialen Bewegungen
unterstütz wird, als auch von der Guerilla, die, wie das Beispiel der FARC
zeigt, ruralen Ursprungs sind und auch heute noch die soziale Basis auf dem
Land haben.
In den Dörfern und Kleinstädten von Cauca, Huila, Caldas, Antioquia,
Tolima, Quindío, Nariño, Santander, Cesar und Magdalena Medio gibt es
Protestcamps und Demonstrationen. In vielen Gebieten wurden Straßensperren
errichtet, zum einen, um als Teil der Strategie eines Streiks die Wirtschaft
lahmzulegen, zum anderen, um die Polizei und Armee daran zu hindern, die
Dörfer, Protestcamps und Demonstrationen anzugreifen. Die bisherigen
Auseinandersetzungen und Angriffe der Polizei, vorgetragen durch die
berüchtigten Aufstandsbekämpfungseinheiten ESMAD, sind brutal und führten zu
vielen Verletzten. Immer wieder werden die Demonstrationen, die sich regional
in den Gemeindebezirken und Kleinstädten bilden und von Tausenden Teilnehmern
getragen werden, von der Polizei angegriffen und die Protestcamps
niedergebrannt. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein und schießt mit Gasgranaten
direkt auf die protestierenden Bauern.
Doch die Bauern lassen sich nicht einschüchtern. Es gibt große
Versammlungen, in denen die Arbeits- und Lebensbedingungen sowie
Lösungsvorschläge thematisiert werden. Es gibt Konzerte, Theaterstücke und
verschiedene Foren, an denen sich Teile der Bevölkerung beteiligen. Die 350.000
Kaffeebauern sind müde geworden, von der Bürokratie und ihrer angeblichen
Vertretung durch die Nationale Kaffeeföderation, die mehr und mehr die
Interessen der Konzerne vertreten als die der Bauern. So sank der Verkaufspreis
für Kaffee über die Jahre, während der Produktionspreis und die
Lebenserhaltungskosten stetig steigen. Außerdem werden Hilfen für Umwelt- und
Wetterschäden und eine Regelung für die Landvergabe gefordert. 512.000 Pesos
kosten 125 Kilo Kaffee im Verkauf, die Produktion der gleichen Summer beläuft
sich auf rund 700.000 Pesos (rund 300 Euro). Der von der Regierung bestimmte
Kaffeepreis liegt also deutlich unter den Kosten, die für die Produktion von
Nöten sind.
Die Landfrage und die Arbeits- und Lebensbedingungen sind nicht nur
historisch gesehen ein wichtiger Bestandteil in der politischen Programmatik
der FARC-EP, sondern noch immer ist die Guerilla klar auf rurale Themen
verortet und sieht sich als eine Interessensvertretung der Bauern und
ländlichen Bevölkerung. In den Friedensverhandlungen ist die Frage einer
Agrarreform deshalb der erste Punkt auf der Agenda. Noch immer ist die große
Mehrheit des kolumbianischen Landbesitzes in den Händen weniger
Großgrundbesitzer oder transnationaler Konzerne konzentriert. Durch massive
Vertreibungen der Landbevölkerung, die unrechtmäßige Aneignung des Landes und
die Interessen der transnationalen Konzerne an den natürlichen Ressourcen
Kolumbiens ist die Landfrage mehr denn je von enormer Bedeutung. In
zivilgesellschaftlichen Foren und Vorschlägen der FARC-EP wurde bereits
mehrmals über die Neuordnung und Nutzung des Bodens, Nahrungsmittelsouveränität,
Umweltschutz und finanzielle Hilfen diskutiert.