Am 25. Februar 2011 wurden die Arbeiten zu dem gigantischen
Infrastrukturprojekt des Staudamms von El Quimbo durch Präsident Santos
offiziell eröffnet. Doch schon Jahre davor und bis jetzt regt sich Widerstand
gegen dieses Projekt, dass die einzigartige Flusslandschaft des Magdalena
zerstört.
Der Kampf gegen die Megaprojekte in Kolumbien ist derzeit im ganzen Land
in vollem Gange. Als ein Sprachrohr und eine Interessensvertretung der
ländlichen Bevölkerung versuchen auch die aufständischen Bewegungen wie die
FARC-EP die Bevölkerung zu mobilisieren und auf die Nachteile dieser Politik
aufmerksam zu machen. Von Bildungsveranstaltungen, Flugblättern und Beiträgen
in Zeitschriften oder Radiosendungen, bis hin zu Kundgebungen, Protestmärschen
und direkten Angriffen auf die beteiligten und bauausführenden Firmen reichen
hierbei die Aktionen.
Erst kürzlich haben ELN und FARC-EP in der Provinz Antioquia
beschlossen, gemeinsam den Kampf gegen die Megaprojekte zu führen. Dazu trafen
sich die Kommandierenden der militärischen Strukturen im Nordwesten Kolumbiens
in den ersten Februartagen. In einem Kommuniqué werden am Raubbau und der
Ausplünderung der natürlichen Ressourcen vor allem die Bergbauunternehmen,
Betreiber von Staudammprojekten und die Firmen und Großgrundbesitzer für Monokulturen der Holzwirtschaft
Agrotreibstoffe erwähnt, die die Bevölkerung vertreiben, nicht an den Erlösen
teilhaben lassen und für immense ökologische Schäden sorgen. Das Projekt des
Staudamms El Quimbo am Fluss Magdalena im Süden Kolumbiens steht exemplarisch
für die Megaprojekte.
Der Fluss Magdalena ist das vielleicht authentischste Symbol von
Kolumbien. Er durchfließt fast das gesamte Land von Süden nach Norden und
sammelt sein Wasser aus dem ihm umgebenden Kordilleren der Anden, den anderen
Wahrzeichen Kolumbiens. Aus den mit Schnee bedeckten Bergen kommt das Wasser,
schlängelt sich durch die Berge und Täler, wird zu einem immer größer werdenden
Fluss, zieht durch die Savannen, Wald- und Agrargebiete bis in das Delta in der
Nähe der Sierra Nevada. Schließlich endet der Fluss Magdalena im Karibischen
Meer.
Vor der Eroberung Lateinamerikas war der Fluss Lebensraum der
verschiedenen indigenen Völker. Sie nannten ihn „Yuma“, Fluss des freundlichen
Landes. Auf und an dem Fluss fand ein reger Austausch und Handel der Kulturen
statt. Hier trafen die Indígenas aus dem Hochland auf die Indígenas, die im
Küstengebiet lebten. Aber auch die Eroberer nutzten später den Fluss für ihre
Erkundungstouren. Mit dem Fluss und entgegen der Strömung stießen sie bis in
das Landesinnere vor und kamen zum Hochland, wo später die Hauptstadt Bogotá
gegründet werden sollte.
Der Fluss hat seine eigene Geschichte. Diese wird in Liedern, Sagen und
Geschichten transportiert. Diese erzählen von dem leben am Fluss, von seinem
Reichtum, von den Fischern und vom Stolz der Leute. Ein Kolumbien ohne den Fluss Magdalena ist
nicht vorstellbar. Er ist Bestandteil des Landes und seine wohl wichtigste
Arterie, er verknüpft die Regionen, versorgt die Menschen mit Nahrung und
bildet ihr Heiligtum. Auch Gabriel García Márquez beschrieb den Fluss in seinen
mit Weltruhm erlangten literarischen Erzählungen.
Nun ist der Fluss in Lebensgefahr durch die Politik von Präsident Santos
mit seinem Wirtschaftsmodell der „locomotoras“, den großindustriellen Projekten
die durch die transnationalen Konzerne finanziert werden. So soll im Süden der
Provinz Huila ein solches Megaprojekt, ein Staudamm, entstehen, der den Fluss
in seinem natürlichen Verlauf stört und eine ganze Region einbetoniert wird.
Seit mehreren Jahren gibt es Proteste der lokalen Bevölkerung und Aufklärung
darüber, was dieses neoliberale Infrastrukturprojekt für verheerende
Auswirkungen auf die Natur und die Bevölkerung hat, während die Macher des
Projekts die große Erzeugung von Energie, die Erlöse des Verkaufs der Energie
ins Ausland und die Steigerungsraten des Inlandsproduktes lobpreisen.
Der Staudamm von El Quimbo, entwickelt und erbaut durch Emgesa/Endesa,
einem kolumbianisch-spanischem Elektrizitätsunternehmen, wird Tausende von
Hektar Land überfluten, die Bevölkerung von sechs Gemeinden vertreiben und eine
Region von ihren alten Verkehrs- und Handelswegen abschneiden. Wie so häufig
bei Megaprojekten wird die örtliche Bevölkerung von den Gewinnen der Konzerne
nicht profitieren, sondern in ihrem sozialen und wirtschaftlichen Leben
eingeschränkt. Hinzu kommen die ökologischen Schäden, durch aktuelle Arbeiten
und den Staudamm selbst. Das Zerstören von Flora und Fauna, aber auch die Errichtung
des Dammes in einem Erdbebengebiet birgt Risiken, die bisher noch nicht
einzuschätzen sind.
Die Entwicklung der Region und der Wohlstand der Bauern, die mit diesem
Projekt versprochen wurden, wird in Wirklichkeit nur ein Riesengeschäft für die
ausländischen Investoren und die kolumbianische Oligarchie sein. Der Kampf der
sozialen Bewegungen, der Bauernverbände und der FARC-EP gegen den Staudamm El
Quimbo wird weitergehen. Es gibt Heiligtümer, die dürfen nicht angetastet
werden. Für die Kolumbianer ist der Fluss Magdalena ein solches. Nein zum
Staudamm El Quimbo!