Während sich die Medien und große Teile der Öffentlichkeit auf den
Friedensprozess zwischen FARC-EP und Regierung konzentrieren und dabei in jeder
zweiten Nachricht die FARC-EP als verhandlungsunwillig kritisiert wird, können
in vielen Teilen des Landes staatliche Sicherheitskräfte und paramilitärische
Einheiten die Bevölkerung terrorisieren. Schon bei früheren Verhandlungen
zwischen Guerilla und Regierung wurde die Situation von Militärs und
Paramilitärs ausgenutzt, um die Durchsetzung ihrer Interessen zu verstärken
(z.B. Militäroperationen oder Einschüchterungen durch Paramilitärs) oder gar die
Verhandlungen zu torpedieren.
Auch aktuell gibt es aus dem ganzen Land Meldungen von
Militäroperationen und Aktionen paramilitärischer Einheiten. Sowohl im Westen (Valle
del Cauca), der Süden (Putumayo) als auch der Norden (Bolívar, Córdoba, Urabá)
sind betroffen. Im Süden der Provinz Bolívar gibt es Berichte, dass es
gemeinschaftliche Operationen von Militärs und paramilitärischen Gruppen gibt.
Am 18. Januar wurden durch das ELN sechs Personen festgenommen, die nun in den
Fokus von militärischen Operationen rücken. Staatliche Sicherheitskräfte, die
jedoch zu keiner militärischen Einheit identifiziert werden können, sind von
Antioquia aus in die Provinz Bolívar eingedrungen. Hier findet nun eine
Zusammenarbeit mit örtlichen paramilitärischen Einheiten statt. Es ist kein
Einzelfall, dass das staatliche Militär mit paramilitärischen Gruppen
kooperiert und gemeinsame Aktionen durchführt. Leidtragend ist die Bevölkerung,
die vertrieben, eingeschüchtert und bedroht werden. Nicht selten werden Bauern
und andere Menschen der Zusammenarbeit mit den Guerillagruppen bezichtigt, was
den Tod zur Folge haben kann. Einige Beispiele der Menschenrechtsverletzungen
werden nun kurz dargestellt.
In der Gemeinde Tiquisio wuchs die Präsenz der Paramilitärs stetig und
sorgte für Angst unter den Bewohnern, weil sie das soziale und ökonomische
Leben beeinträchtigen. Es wurden verschiedene Kontrollpunkte auf Wegen und
Straßen zwischen den Gemeinden und Dörfern errichtet, um die Mobilität der
Menschen kontrollieren zu können. Es gibt Meldungen, dass Personen die einen
Kontrollpunkt passieren wollen, die aber nicht bekannt sind, spurlos
verschwinden. Außerdem werden Regeln (Ausgangssperre, Passierscheine) an die
lokale Bevölkerung auferlegt und wenn man sich nicht daran hält, dann wird man
bestraft. Auch von Formen der sozialen Säuberung wird berichtet. Am 14.
Dezember vergangenen Jahres versammelten die Paramilitärs lokale Händler und
Taxifahrer (in der Mehrheit Mototaxifahrer) auf einer Finca außerhalb der
Gemeinde und sagten, dass sie von nun an das machen sollten, was sie sagen.
Dies betrifft vor allem den kostenlosen Transport der Paramilitärs an jeden
Ort.
Aus der Gemeinde Arenal werden vor allem Verstöße gegen die
Menschenrechte seitens der staatlichen Sicherheitskräfte gemeldet. Der lokale
Radiosender „Negrita Estéreo“ wird zum Beispiel dafür genutzt, um Informationen
zu bekommen, eigene Programme zu senden und Kampagnen und Drohungen, vor allem
gegen lokale Führer der sozialen Bewegungen, zu verbreiten. Weiter wird
berichtet, dass eine Vielzahl unbekannter ambulanter Verkäufer, die nicht in
der Region bekannt sind, den Handel übernommen hat. Dabei gibt es
Verdächtigungen, dass sie auch in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind. Auch
zahlreiche Morde wurden in der letzten Zeit bekannt. Zwar werden dieser unter
gewöhnlicher Kriminalität geführt, doch einige Fakten lassen daran Zweifel
aufkommen. So wurden einer der Ermordeten zuvor von der Polizei festgenommen
und verdächtigt ein Guerillero zu sein. Andere Bewohner wurden von maskierten
unbekannten Personen erschossen und die Polizei weigerte sich trotz brauchbarer
Hinweise, die Verfolgung aufzunehmen bzw. zu ermitteln. Zudem gab es einen Brandanschlag
auf eine Farm einer sozialen Organisation, die sich sehr für die soziale
Inklusion von benachteiligten Familien und Vertriebenen einsetzt,
Einschüchterungen und Bedrohungen und eine stetige Präsenz von bewaffneten
Kräften (Militärs und Paramilitärs) in den Straßen.
In der Gemeinde Santa Rosa del Sur sind die Streitkräfte ebenfalls
verantwortlich für Belästigungen und Ängste gegenüber der Bevölkerung. So
wurden im Dezember und Januar vier Menschen festgenommen, denen Terrorismusakte
vorgeworfen werden. Es waren Minenarbeiter, die kleine Stangen Dynamit bei sich
hatten, die gerade dafür ausreichten, um im Bergwerk Arbeiten verrichten zu
können. Nach einer Zahlung von Bestechungsgeldern wurden alle freigelassen.
Zeugenaussagen zufolge mussten sie jeweils fünf bis sechs Millionen Pesos an
Militärs und Justizbeamte zahlen, dass sie nicht weiter belangt werden. Zwei
Absichten liegen bei solchen willkürlichen Verhaftungen. Zum einen die
Belästigung und Einschüchterung der Leute und zum anderen das lukrative
finanzielle Geschäft auf Kosten anderer. Ähnliche Vorfälle gab es auch bei
anderen Personen bzw. Händlern in der Gemeinde. Ihnen wurde vorgeworfen mit der
Guerilla zu kollaborieren, auch sie mussten Geldzahlungen leisten.
Berichte über
paramilitärischen Terror kommen nicht nur aus Bolívar. Ende Januar wurde ein
Massaker aus der Provinz Córdoba bekannt, die als eine der Hochburgen der
Paramilitärs gilt. Hier wurden sechs Bauern ermordet und vier weitere
verschleppt. Die Bauern holte man aus ihren Häusern, entführte sie und tötete
sie anschließend. Der Gouverneur der Provinz verharmloste wie so oft den
paramilitärischen Terror und sprach von Streitigkeiten zwischen Gruppen von
Drogenhändlern. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch Anzeigen aus der
Friedensgemeinde San José de Apartadó in der Provinz Urabá laut. Dort sollen am
27. Januar rund 50 Paramilitärs in verschiedene Dörfer der Gemeinde
eingedrungen sein. Drei Bauern wurden verschleppt und einige Familien von ihren
Grundstücken vertrieben. Immer wieder kommt es zu Vorwürfen über das Eindringen
und Errichten von Stützpunkten der paramilitärischen Gruppen, ohne dass die
Regierung dies verhindere. Rund 200 Menschen wurden seit der Bekanntgabe als
Friedensgemeinde ermordet.