01 Februar 2013

Paramilitärischer Terror im Norden Kolumbiens


Während sich die Medien und große Teile der Öffentlichkeit auf den Friedensprozess zwischen FARC-EP und Regierung konzentrieren und dabei in jeder zweiten Nachricht die FARC-EP als verhandlungsunwillig kritisiert wird, können in vielen Teilen des Landes staatliche Sicherheitskräfte und paramilitärische Einheiten die Bevölkerung terrorisieren. Schon bei früheren Verhandlungen zwischen Guerilla und Regierung wurde die Situation von Militärs und Paramilitärs ausgenutzt, um die Durchsetzung ihrer Interessen zu verstärken (z.B. Militäroperationen oder Einschüchterungen durch Paramilitärs) oder gar die Verhandlungen zu torpedieren.

Auch aktuell gibt es aus dem ganzen Land Meldungen von Militäroperationen und Aktionen paramilitärischer Einheiten. Sowohl im Westen (Valle del Cauca), der Süden (Putumayo) als auch der Norden (Bolívar, Córdoba, Urabá) sind betroffen. Im Süden der Provinz Bolívar gibt es Berichte, dass es gemeinschaftliche Operationen von Militärs und paramilitärischen Gruppen gibt. Am 18. Januar wurden durch das ELN sechs Personen festgenommen, die nun in den Fokus von militärischen Operationen rücken. Staatliche Sicherheitskräfte, die jedoch zu keiner militärischen Einheit identifiziert werden können, sind von Antioquia aus in die Provinz Bolívar eingedrungen. Hier findet nun eine Zusammenarbeit mit örtlichen paramilitärischen Einheiten statt. Es ist kein Einzelfall, dass das staatliche Militär mit paramilitärischen Gruppen kooperiert und gemeinsame Aktionen durchführt. Leidtragend ist die Bevölkerung, die vertrieben, eingeschüchtert und bedroht werden. Nicht selten werden Bauern und andere Menschen der Zusammenarbeit mit den Guerillagruppen bezichtigt, was den Tod zur Folge haben kann. Einige Beispiele der Menschenrechtsverletzungen werden nun kurz dargestellt.

In der Gemeinde Tiquisio wuchs die Präsenz der Paramilitärs stetig und sorgte für Angst unter den Bewohnern, weil sie das soziale und ökonomische Leben beeinträchtigen. Es wurden verschiedene Kontrollpunkte auf Wegen und Straßen zwischen den Gemeinden und Dörfern errichtet, um die Mobilität der Menschen kontrollieren zu können. Es gibt Meldungen, dass Personen die einen Kontrollpunkt passieren wollen, die aber nicht bekannt sind, spurlos verschwinden. Außerdem werden Regeln (Ausgangssperre, Passierscheine) an die lokale Bevölkerung auferlegt und wenn man sich nicht daran hält, dann wird man bestraft. Auch von Formen der sozialen Säuberung wird berichtet. Am 14. Dezember vergangenen Jahres versammelten die Paramilitärs lokale Händler und Taxifahrer (in der Mehrheit Mototaxifahrer) auf einer Finca außerhalb der Gemeinde und sagten, dass sie von nun an das machen sollten, was sie sagen. Dies betrifft vor allem den kostenlosen Transport der Paramilitärs an jeden Ort.

Aus der Gemeinde Arenal werden vor allem Verstöße gegen die Menschenrechte seitens der staatlichen Sicherheitskräfte gemeldet. Der lokale Radiosender „Negrita Estéreo“ wird zum Beispiel dafür genutzt, um Informationen zu bekommen, eigene Programme zu senden und Kampagnen und Drohungen, vor allem gegen lokale Führer der sozialen Bewegungen, zu verbreiten. Weiter wird berichtet, dass eine Vielzahl unbekannter ambulanter Verkäufer, die nicht in der Region bekannt sind, den Handel übernommen hat. Dabei gibt es Verdächtigungen, dass sie auch in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind. Auch zahlreiche Morde wurden in der letzten Zeit bekannt. Zwar werden dieser unter gewöhnlicher Kriminalität geführt, doch einige Fakten lassen daran Zweifel aufkommen. So wurden einer der Ermordeten zuvor von der Polizei festgenommen und verdächtigt ein Guerillero zu sein. Andere Bewohner wurden von maskierten unbekannten Personen erschossen und die Polizei weigerte sich trotz brauchbarer Hinweise, die Verfolgung aufzunehmen bzw. zu ermitteln. Zudem gab es einen Brandanschlag auf eine Farm einer sozialen Organisation, die sich sehr für die soziale Inklusion von benachteiligten Familien und Vertriebenen einsetzt, Einschüchterungen und Bedrohungen und eine stetige Präsenz von bewaffneten Kräften (Militärs und Paramilitärs) in den Straßen.

In der Gemeinde Santa Rosa del Sur sind die Streitkräfte ebenfalls verantwortlich für Belästigungen und Ängste gegenüber der Bevölkerung. So wurden im Dezember und Januar vier Menschen festgenommen, denen Terrorismusakte vorgeworfen werden. Es waren Minenarbeiter, die kleine Stangen Dynamit bei sich hatten, die gerade dafür ausreichten, um im Bergwerk Arbeiten verrichten zu können. Nach einer Zahlung von Bestechungsgeldern wurden alle freigelassen. Zeugenaussagen zufolge mussten sie jeweils fünf bis sechs Millionen Pesos an Militärs und Justizbeamte zahlen, dass sie nicht weiter belangt werden. Zwei Absichten liegen bei solchen willkürlichen Verhaftungen. Zum einen die Belästigung und Einschüchterung der Leute und zum anderen das lukrative finanzielle Geschäft auf Kosten anderer. Ähnliche Vorfälle gab es auch bei anderen Personen bzw. Händlern in der Gemeinde. Ihnen wurde vorgeworfen mit der Guerilla zu kollaborieren, auch sie mussten Geldzahlungen leisten.

Berichte über paramilitärischen Terror kommen nicht nur aus Bolívar. Ende Januar wurde ein Massaker aus der Provinz Córdoba bekannt, die als eine der Hochburgen der Paramilitärs gilt. Hier wurden sechs Bauern ermordet und vier weitere verschleppt. Die Bauern holte man aus ihren Häusern, entführte sie und tötete sie anschließend. Der Gouverneur der Provinz verharmloste wie so oft den paramilitärischen Terror und sprach von Streitigkeiten zwischen Gruppen von Drogenhändlern. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch Anzeigen aus der Friedensgemeinde San José de Apartadó in der Provinz Urabá laut. Dort sollen am 27. Januar rund 50 Paramilitärs in verschiedene Dörfer der Gemeinde eingedrungen sein. Drei Bauern wurden verschleppt und einige Familien von ihren Grundstücken vertrieben. Immer wieder kommt es zu Vorwürfen über das Eindringen und Errichten von Stützpunkten der paramilitärischen Gruppen, ohne dass die Regierung dies verhindere. Rund 200 Menschen wurden seit der Bekanntgabe als Friedensgemeinde ermordet.