30 Juli 2011

Die Agrarfrage bei den Aufständischen


Die Agrarfrage nimmt einen wichtigen Platz im politischen Diskurs der FARC-EP ein und das seit einem halben Jahrhundert des Bestehens. Dies wird in den verschiedenen Dokumenten deutlich, welche die FARC-EP veröffentlicht haben und die außerdem auf den Ursprung der FARC-EP hinweisen. In diesen Dokumenten wird die Agrarpolitik des kolumbianischen Staates benannt und Sorge um die Fortführung dieser Politik, wie wirtschaftliche Stärkung der Großgrundbesitzer, Landwirte und Viehzüchter und dem Erlassen von Gesetzen nur für diese Schichten und an den Realitäten und Notwendigkeiten der Campesin@s vorbei, geäußert.

In der Außenwahrnehmung könnte der Diskurs der FARC-EP häufig als reines Reklamieren und Verurteilen oder Aufforderung zu einer demokratischen Agrarreform verstanden werden, aber in den fünf Jahrzehnten des Existierens wurden die Ideen und Vorschläge zur Agrarpolitik immer weiter ergänzt. Und dabei geht es nicht nur einfach um eine Agrarreform um Zugang zum Land zu bekommen, sondern zum Beispiel um komplexe soziale, politische, wirtschaftliche, technische und juristische Zusammenhänge, wie die produktiven Verhältnisse auf dem Land verbessert werden können und wie neue rechtliche Bedingungen für die Landbevölkerung geschaffen werden können, die teilweise von ihrem Land vertrieben worden sind.

Diese Analysen sind mit einem Diskurs über dem Bewahren und dem Schützen der Umwelt einhergegangen, einem adäquaten Umgang mit den natürlichen Ressourcen, dem Verteidigen der Rechte und Souveränität, mit Plänen für eine territoriale Gesetzgebung und der Notwendigkeit des Staates für die Ernährungssicherheit zu garantieren. Zudem wurde mit dem Konzept der lokalen, regionalen und staatlichen Entwicklung Nachdruck auf die angemessene Nutzung des Landes, die Organisierung der Agrarproduktion, die interne Versorgung und die Möglichkeiten zum Anbieten der Produkte im internationalen Markt verliehen.

Die FARC-EP beharren dabei auf den Kampf für das Einführen einer revolutionären Agrarreform, welches im politischen Konzept der Aufständischen zum Ausdruck kommt. Neben dem Aufzeigen der schwierigen Eigentumsverhältnisse, zählen sie verschiedene Maßnahmen auf, um das Niveau der Lebensverhältnisse auf dem Land zu erhöhen. Dazu gehören der Zugang zu lebenswichtigen öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung, aber auch die Vereinfachung zum Erwerb von Krediten, sowie Unterstützung und Technologie für eine bessere Produktion. Damit bestätigt sich die FARC-EP nicht nur als eine Guerilla, die ihren Ursprung und ihre Basis auf dem Land hat, sondern in ihrem politisch-militärischen Kampf propagieren sie Vorschläge und fassen diese in einer sozialen, politischen und wirtschaftlichen Agenda zusammen und werden somit für die Campesin@s als ein politischer Akteur wahrgenommen.

20 Juli 2011

Die Presse und der Fall Toribío

Anfang Juli kam es in Toribío, in der kolumbianischen Provinz Cauca, zu einem Angriff von rund 400 Gueriller@s der FARC-EP auf Polizei- und Militäreinheitenin diesem Ort. Seit mehreren Wochen finden militärische Offensiven der Regierungsarmee gegen die Guerilla statt. In dem Medien wird die Offensive angeheizt und propagandistisch ausgeschlachtet. Im Folgenden soll ein Dokument der FARC-EP bezüglich der Kämpfe um Toribío veröffentlicht werden. 

Seit einigen Wochen finden in den kolumbianischen Provinzen Cauca, Tolima und Huila militärische Offensiven gegen die FARC-EP statt. Begründet werden die Offensiven mit einer zunehmenden Schlagkraft der Guerilla. Kenner gehen bei der Schlagkraft aber eher von einer Akzeptanz der Guerilla in den ländlichen Gebieten Kolumbiens aus. In der Presse wird der Feldzug von Armee und Polizei als ein Feldzug gegen die führenden Köpfe der FARC-EP und im Besonderen gegen den Anführer Alfonso Cano dargestellt. Damit soll die FARC-EP nachhaltig geschwächt werden. Verschiedene Medien, wie zum Beispiel die landesweit erscheinende und in den Händen der Familie des Präsidenten Santos befindliche Zeitung „El Tiempo“ berichten ausführlich über die Militäroperationen und den seit einigen Wochen immer wieder fast feststehenden Tod des Anführers. In dieser Propagandaschlacht wird aber nicht über die Repressionen und „Kollateralschäden“ der Zivilbevölkerung berichtet, die sich bei den Kämpfen und Operationen mit den FARC-EP ergeben. Und wie im Fall des Ortes Toribío (Cauca) wird bei Verlusten und Zerstörungen die Schuld ausschließlich der Guerilla gegeben. Die Armee verkörpert in der Berichterstattung die Behüterin der Menschenrechte. Während die FARC-EP mehrmals in den letzten Monaten auf die Notwendigkeit einer politischen Lösung des sozialen und bewaffneten Konflikts hinwiesen, setzt der Staat weiterhin auf eine militärische Lösung des Problems. Dass aber soziale Ungerechtigkeit, Armut und fehlenden politische Partizipation nicht mit Gewalt zu lösen sind, gilt für die kolumbianische Regierung nicht. Und das zwischen beiden Fronten, also zwischen Regierung bzw. Armee und der Guerilla, die Zivilbevölkerung noch mehr zu leiden hat, wird in den Medien nicht wird nicht eingesehen, geschweige denn medial verarbeitet. Dort werden mittels der staatlichen Propaganda eine Notwendigkeit der Militäroperationen und eine „humanitär“ handelnde Armee vermittelt, die Opfer und Schäden werden nur den Aufständischen zugeschrieben. Diese Propaganda funktioniert deshalb so gut, weil es kaum Möglichkeiten einer kritischen Berichterstattung gibt. Und sollte es diese kritische Berichterstattung oder Meinungen einmal geben, werden sie automatisch als Unterstützer der Guerilla dargestellt, was im schlimmsten Fall den Tod durch Paramilitärs bedeutet, die seit mehr als drei Jahrzehnten mit der Regierung zusammen arbeiten.

Im Zuge der Kämpfe um den Ort Toribía, bei dem es Verluste in der Bevölkerung gab, wurde vom westlichen Kommando der FARC-EP eine Erklärung veröffentlicht, die hier nun ebenfalls präsentiert werden soll. Natürlich kann mit dieser Erklärung nicht der bewaffnete Konflikt erklärt werden, weder soll der Artikel den bewaffneten Konflikt und die Kämpfe entschuldigen. Der Artikel und das Dokument der FARC-EP dienen ausschließlich dokumentarischen Zwecken.


Veröffentlicht vom Comando Conjunto Central (FARC-EP) am 16. Juli 2011

An die Bevölkerung des Ortes Toribío

Am 9. Juli führten Einheiten der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo (FARC-EP) einen Angriff auf die Polizeistation und ein Kommando einer Spezialeinheit der Armee durch, die in Häusern eines Wohngebietes der Gemeinde Toribio stationiert waren. Viele der vom Angriff betroffenen Häuser, wurden zum Zeitpunkt des Angriffs von Angehörigen der Polizei und der Armee angemietet oder von ihren Besitzer an ihnen überlassen.

Wir bedauern den Tod und die Verwundung von Zivilisten sowie andere Schäden, die durch die Kämpfe verursacht wurden. Wir betrachten den Staat als allein Verantwortlichen für den Schaden, weil dieser militärisches Personal und Infrastruktur in mitten der Zivilbevölkerung unterhält. Gleichzeitig appellieren wir an die Medien objektiv und unparteiisch sein, denn in den übermittelten Informationen wurden zu keiner Zeit die Dutzenden von Verlusten sowie die Schäden an der militärischen Infrastruktur erwähnt, die durch Polizei und Armee verursacht wurden.

Es befinden sich militärischen Einheiten mitten in der Bevölkerung, um angeblich „die Zivilbevölkerung zu schützen", aber was sie in der Realität wollen ist, dass durch die Präsenz in der Bevölkerung die Aufständischen auf Angriffe verzichten. Im Zusammenhang mit der Intensivierung des Krieges, der als charakteristisch für Kolumbien gilt, verletzt die Regierung damit die Regeln des humanitären Völkerrechts, welche von der Regierung unterzeichnet wurden und zu welcher das Büro der Vereinten Nationen in Kolumbien noch keine Stellung bezogen hat.
So bestimmt das Erste Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen von 1977, Artikel 58 - Vorsichtsmaßnahmen gegen die Wirkungen von Angriffen:
„Soweit dies praktisch irgend möglich ist, werden die am Konflikt beteiligten Parteien aufgefordert:
a) sich unbeschadet des Artikels 49 des IV. Abkommens bemühen, die Zivilbevölkerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte, die ihrer Herrschaft unterstehen, aus der Umgebung militärischer Ziele zu entfernen;
b) es vermeiden, innerhalb oder in der Nähe dicht bevölkerter Gebiete militärische Ziele anzulegen;
c) weitere notwendige Vorsichtsmaßnahmen treffen, um die Zivilbevölkerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte, die ihrer Herrschaft unterstehen, vor den mit Kriegshandlungen verbundenen Gefahren zu schützen.“

Es ist auch üblich, dass Einheiten der Armee und Polizei ihre Macht ausnutzen und mittels ihrer Waffen oder Waffengebrauch die Bevölkerung einschüchtern sowie die Mobilität einschränken und sie als Guerilleros oder Unterstützer der Guerilla bezeichnen. Dadurch werden auch die fundamentalen (zivilen und politischen) Grundrechte der Menschen verletzt. In anderen Fällen sind sie zur Zielscheibe von Schüssen, Maschinengewehrfeuer und wahllosen Bombardierungen geworden oder dem Töten von Dorfbewohnern wie es sich in der Gemeinde Toribío vergangenen Juni ereignet hat, als die Polizei den jungen Wilmer Ovidio Yatacué Yonda im Ortsteil Sesteadero getötet hat. Auf diese Art und Weise verstoßen sie gegen den Artikel 93 der kolumbianischen Verfassung.

„Die durch den Kongress ratifizierten Verträge und Konventionen erkennen die Menschenrechte an und verbieten die Einschränkung im Fall eines Ausnahmezustandes.

Die in dieser Charta verankerten Rechte und Pflichten stimmen mit den von Kolumbien ratifizierten internationalen Verträgen über Menschenrechte überein."

Angesichts des oben genannten und um weitere Schäden an der Zivilbevölkerung zu vermeiden ist notwendig, den Bau von Anlagen der Polizei im Stadtgebiet zu verhindern und in keinster Weise sollen die Bewohner von Toribío ihre Häuser der Polizei und Armee bereitstellen oder vermieten und darauf bestehen, dass ihre Kommandos und Einheiten die besiedelten Gebiete verlassen.

So wie der Staat allein für den Schaden an den Zivilisten verantwortlich ist, so ist die Regierung selbst dazu verpflichtet die Schäden, die den Bürgern wegen der Kriegshandlungen verursacht werden und die von Tag zu Tag an Intensität zu nehmen, zu reparieren.

Der soziale und bewaffnete Konflikt, der seit Jahrzehnten in unserem Land tief verankert ist, hat seine Ursachen in den sozialen Ungleichheiten und wird nicht mit mehr Bomben und Kugeln gelöst werden. Nur durch den Dialog zwischen Regierung und Aufständischen aus welchen sich Vereinbarungen für eine stärkere soziale Investitionen und wirtschaftliche, politische, soziale, kulturelle und ökologische Garantien für alle Kolumbianer ergeben, können wir den internen Krieg überwinden.

Wir rufen die Menschen, die sozialen Organisationen und Bewegungen und politischen Parteien auf, die faschistische und kapitalistische Regierung von Santos aufzufordern nach einer politischen Lösung des sozialen und bewaffneten Konflikts in unserem Land zu suchen.

14 Juli 2011

Wo ist Julián Conrado

Am 30. Mai wurde der Liedermacher und Sänger der FARC-EP Julián Conrado in Venezuela von den dortigen Sicherheitsbehörden festgenommen. Der kolumbianische Präsident Manuel Santos bedankte sich daraufhin bei dem Nachbarland und erklärte, dass Julián Conrado an einem sicheren Ort festgehalten werde.
Nach mehr als sechs Wochen ist immer noch nichts über seinen Aufenthalt und seinen gesundheitlichen Zustand bekannt.

Wer ist Julián Conrado?

Julián Conrado nahm die Waffen gegen die kolumbianische Regierung als Folge des erfolglosen politischen Versuchs zwischen seiner Partei, der Unión Patriótica (Patriotische Union = politische Partei von FARC-EP, Kommunistischer Partei und unabhängigen Linken), und der Regierung von Belisario Betancur (1982-1986) auf. In den 1980er Jahren, nachdem die gesamte politische Führung und Sympathisanten der Unión Patriótica von kolumbianischen Militärs und paramilitärischen Kräften ermordet wurden, hat sich Julián Conrado den Aufständischen der FARC-EP angeschlossen. Zu dieser Zeit war er 29 Jahre alt.
Julián Conrado war an der Atlantikküste in der politisch-legalen Bewegung organisiert. Er interessierte sich für die einfachen aber notwendigen politischen Themen. Nach dem seine Freunde und Genossen umgebracht wurden, schloss er sich dem bewaffneten Kampf an. Er sagte einmal, dass es in Kolumbien einfacher sei eine Guerilla zu gründen als eine aktive legale politische Zelle. Erfahrungen hatte er in der politischen Arbeit schon zuvor gesammelt. Seit 1965, unter dem Einfluss von Camilo Torres, war er politisch engagiert.

In den folgenden Jahren wurde er zu einer anerkannten und berühmten Persönlichkeit innerhalb der FARC-EP und in der kolumbianischen Gesellschaft. Geboren 1954 interessierte er sich früh für die Musik. Und so begann er Lieder und sozial kritische Texte zu schreiben. In einer Mischung aus typisch kolumbianischer Folklore (zum Beispiel Vallenato = Musik der Atlantikküste) und seinen Protestliedern war seine Musik stets beliebt. 1989 wurde sein erstes Doppelalbum mit dem Namen „Mensaje fariano“ veröffentlicht. Seine Musik war ein steter kultureller Begleiter in den Radiosendungen des Untergrundsenders „Voz de la Resistencia“ (Stimme des Widerstandes). Viele weitere Veröffentlichungen von Alben und mehr als 100 Lieder, zum Teil mit anderen kritischen Sängern der Guerilla, sollten folgen.
Bekannt waren seine Auftritte in der entmilitarisierten Zone. In dieser Zone fanden die Dialoge zwischen FARC-EP Gründer Manuel Marulanda Vélez und dem Kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana (1998-2002) statt. Er war Mitglied der 19. Front unter dem Kommando von Simón Trinidad. Bekannt ist unter anderem ein Lied, welches auch als inoffizielle Hymne der FARC-EP bezeichnet wird „Aus meinem Dorf zur Guerilla“. Einen seiner besten Auftritte hatte er im April 2000 bei der Gründung des „Movimiento Bolivariano“ in der Nähe von San Vicente del Caguán.

Wo ist Julián Conrado?

Julián Conrado wurde am 30. Mai 2011 in Venezuela von rund 40 venezolanischen Sicherheitskräften und mit Hilfe der kolumbianischen Sicherheitsbehörden festgenommen. Am 1. Juni erklärte der aktuelle Präsident Kolumbiens Manuel Santos der Presse, dass der Guerillero festgenommen wurde und an einem sicheren Ort in Venezuela festgehalten werde. Er solle mit der Hilfe Venezuelas ausgeliefert werden.
Bereits vorher fiel Venezuela in der Kooperation mit Kolumbien auf, als der linke Journalist und schwedische Staatsbürger Joaquín Pérez Becerra Ende April dieses Jahres auf einem Flug von Frankfurt/Main nach Caracas auf dem Flughafen in Venezuela festgenommen wurde. Becerra beantragte in Schweden politisches Asyl und galt in Kolumbien als internationaler Kopf der FARC-EP.

Seit mehr als sechs Wochen wird Julián Conrado von den Sicherheitsbehörden festgehalten, ohne dass sein Aufenthaltsort oder etwas über seinen gesundheitlichen Zustand bekannt ist.

Solidarität mit den politischen Gefangenen!
Für die sofortige Freilassung!
Venceremos!

 http://www.youtube.com/watch?v=FTZ7Ps9NtWw (Lied "Aus meinem Dorf zur Guerilla")