28 Juni 2012

Cauca - Der Krieg gegen die Zivilbevölkerung

Der „Krieg mit niederer Intensität“, allgemein auch als „schmutziger Krieg“ bekannt, ist heute die gängige Art und Weise der Kriegsführung bzw. in der Aufstandsbekämpfung. Die Aufstandsbekämpfung der kolumbianischen Armee, geschult durch Berater und Soldaten des Pentagons, wendet den Grundsatz der Kriegsführung an, nämlich das sogenannte „Meer trocken zu legen, um den Fisch zu fangen“. Der Fisch soll hier die Guerilla symbolisieren, so dass das „Meer“ der Menschen entfernt bzw. vertrieben wird, um den „Fisch“ zu isolieren.

Ihren Ursprung hat diese „Austrocknung des Meeres“ in Vietnam, wo zehntausende Menschen vertrieben und in strategische Dörfer umgesiedelt wurden. Weitere Techniken in einer Kriegsführung der niederen Intensität sind neben der militärischen Komponente, das heißt, der konventionellen Kriegsführung, die politische und wirtschaftliche Komponente. Dies bedeutet, dass der Erfolg der kolumbianischen Armee auch von den Aufbauprogrammen in der Infrastruktur abhängt, um den Lebensstandard der Menschen zu erhöhen. Letztendlich dient die Infrastruktur erst mal nur der Armee, um in weitere Gebiete vordringen zu können, die bisher vom Staat vernachlässigt worden sind. Ein Großteil der Bevölkerung ist zu diesem Zeitpunkt schon vertrieben worden oder hat selbst die Flucht ergriffen.

In Kolumbien ist diese Art von Krieg in einigen Regionen des Landes klar erkennbar. Guerillagruppen wie die FARC-EP, die sich für soziale Reformen und Forderungen der marginalen Bevölkerungsschichten einsetzen, gibt es seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Guerilla verteidigte die Bauern gegen die Angriffe der Armee und hatte aufgrund der sozialen Verankerung verschiedene Regionen des Landes unter ihrer Kontrolle, die somit zu Tabu-Zonen für die Zentralregierung und die Armee wurden. Und seit jeher gibt es Militäraktionen und „Säuberungsoperationen“, um die Initiative für den Staat und private Geschäftsleute (Großgrundbesitzer, lokale Wirtschaftsfürsten, Drogenhändler) zurück zu gewinnen. Hierzu zählt, wie oben bereits angemerkt, der Krieg gegen die Zivilbevölkerung, teilweise gepaart mit pseudo-sozialen Programmen, um zum Beispiel die vertriebene Zivilbevölkerung an einem anderen Ort anzusiedeln. Besonders stark betroffen sind Regionen wie Meta, Caquetá, Cauca, Tolima, Chocó, Antioquia und Gebiete an der venezolanischen Grenze (Cesar, Arauca). Dies drückt sich auch in Zahlen aus, so ist Kolumbien nach dem Sudan das Land mit der zweithöchsten Anzahl an Binnenflüchtlingen.

Nicht nur durch die Kämpfe hat die Zivilbevölkerung in der Region Cauca zu leiden, vielmehr werden sie durch das Militär vertrieben. Bei Militäraktionen, in denen das Militär „saubere“ und „entvölkerte“ Gebiete schaffen will oder durch die Aneignung von Land und Boden für neue Militärstützpunkte und deren Sicherungsgebiete in unmittelbarer Umgebung, werden Bauern vertrieben. Seit Mai gibt es zum Beispiel Mobilisierungen von Bauern und Indígenas, weil in der Gemeinde Miranda eine Militärbasis installiert werden soll. Unter anderem am 8. Juni demonstrierten mehr als 1500 Menschen gegen die Inbesitznahme des Bodens von Bauern und Indígenas und gegen die Gewalt der 28. Mobilen Brigade der Armee. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen, Provokationen und Gewalt von Militärangehörigen gegen die Zivilbevölkerung. Kritische Stimmen werden mundtot gemacht, Anzeigen nicht bearbeitet und Personen eingeschüchtert oder geschlagen. Am 5. Juni wurde sogar der Bauer Luis Alberto Cunda Poscué ermordet. Eine Gruppe von Bauern berichtete zudem, dass sie in der Nähe einer Militäreinrichtung in frisch ausgehobenen Schützengräben merkwürdige Kabel gesehen hätte und Minuten später seien sie auf eine Anti-Personen-Mine gestoßen.

Generell ist es so, dass, wenn sich Personen für ihre Rechte einsetzen, ihnen vorgeworfen wird, Feinde des Militärs und damit Feinde der Regierung zu sein. Protest soll so kriminalisiert werden. Personen, die mit der Fahne der Bewegung „Marcha Patriótica“ bei Versammlungen auftauchen, werden als „Guerilleros“ bezeichnet. Außerdem gibt es Berichte, dass das Militär immer mehr Kontrollstützpunkte errichtet. Nicht nur die Bewegungsfreiheit wird dadurch eingeschränkt, auch die Schikanen nehmen damit zu. Fahrer und Mitfahrer von Fahrzeugen müssen aussteigen, sich und ihr Gepäck kontrollieren lassen und werden schließlich abgefilmt, obwohl es keine rechtliche Grundlage dafür gibt. Aufgrund dieser Vorfälle, der Militäraktionen und der permanenten Verletzung der Menschenrechte im Norden von Cauca und im Süden von Valle del Cauca, wurde eine soziale Karawane ins Leben gerufen. Die von politischen, sozialen, studentischen, gewerkschaftlichen Organisationen und Verbänden von Bauern und Indígenas getragene Karawane soll verschiedene Aktionsformen und die Öffentlichkeitsarbeit der betroffenen Gemeinden Miranda, Corinto, Caloto, Toribio, Florida und Pradera miteinander vernetzen umso auf die Probleme aufmerksam zu machen.

23 Juni 2012

FARC-EP: Bereitschaft zum Dialog und Frieden

In einer Erklärung, die am 22. Juni veröffentlicht wurde, wendet sich die aufständische Bewegung FARC-EP an den Präsidenten Santos. Die FARC-EP seien weiterhin zu Frieden bereit, doch der Präsident müsse beachten, dass dafür „tiefgreifende Reformen“ wichtig sind, die eine offene und demokratische Debatte im ganzen Land entfachen können.

Die FARC-EP sagen in ihrer Erklärung, dass die vorgeschlagene politische Lösung für den Konflikt nicht durch militärischen Druck der Regierung erreicht werden kann, doch genau dies mache sie seit ihrem Bestehen. Die Reformen im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich sind deshalb wichtig, weil damit die Ursachen und der Anlass verschwinden, die den kolumbianischen Konflikt weiterhin schüren.

Außerdem erinnern sie in dem Kommuniqué an eine Rede von Santos, die er während einer militärischen Zeremonie am 11. Juni in der Militärschule José Maria Córdoba gehalten habe. Dort betonte er, dass, wenn die Guerilleros vom Frieden reden, dann liege dies an der Stärke der Streitkräfte. Doch im Kommuniqué sagen die FARC-EP: „Die politische Lösung des Konflikts (…) ist ein untrennbarer Teil unseres ideologischen und politischen Erbes, sie ist nicht das Produkt irgendeinen militärischen Drucks.“ Und weiter: „Der friedliche, demokratische und dialogbereite Weg um den schweren Konflikt zu lösen, der Kolumbien plagt, steht seit der Gründung der FARC auf der Fahne.“

Kritik üben sie auch an der Justizreform, die den Verantwortlichen für Tod und Verbrechen die Haut retten soll. Auf Kosten der Bevölkerung wird zynischerweise versucht, die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Frieden zu verankern. Die FARC-EP sagen, dass sie weiter kämpfen werden, „bis die Gründe verschwunden sind, die früher Ursache und weiterhin Anlass für den kolumbianischen Konflikt sind.“

22 Juni 2012

Auf dem Marsch

Dieser Artikel ist aus der Zeitschrift „Resistencia International“ (deutschsprachige Ausgabe) und soll so lebendig sein, wie der geneigte Leser vor dem Bildschirm. Der Artikel ist zudem ein Fetzen, aus der Geschichte der aufständischen Bewegung in Kolumbien und soll knapp und wahrheitsgetreu einen Überblick über das alltägliche Leben eines Guerillero geben. Der Artikel ist zudem eine Liebeserklärung an jene Personen im Dschungel, in den Bergen, in den Städten und in den Gefängnissen, die für ein gerechtes und soziales Kolumbien kämpfen oder im Kampf gefallen sind.

Unsicher setze ich meine Schritte. Der Boden ist zwar eben, doch ich habe noch wenig Erfahrung für solche Märsche. Wird es noch ein langer Anstieg werden, oder kommen wir bald an? Um diese Frage zu beantworten, müsste ich den Blick nach oben richten.
Ich gehe mit gesenktem Kopf, um nicht die Höhe der Berge zu sehen, die noch zu erklimmen sind. Doch der Kommandeur fordert uns ständig auf, hebt den Kopf, sonst seht ihr den Feind im Hinterhalt nicht und er wird euch töten. Und ich hebe wieder den Kopf. Nach sechs Stunden kommen wir am höchsten Punkt des Berges an. Was ich sehe beeindruckt mich stark. Es ist wunderbar. Nur wir, mitten in der Wildnis, die wir nun alle bewundern können.
Der Himmel ist sauber, wie gerade gewaschen, über uns ein wirkliches Himmelblau. Das Weiß ist perfekt. Ich habe den Eindruck, den Himmel mit den Händen fassen zu können. Wir saugen die reine Luft in unsere Lungen auf. Und ich vergesse, dass ich noch vor wenigen Minuten vollkommen fertig war, vergesse die am Körper klebende schweißnasse Kleidung. Auch die Schürfungen auf meinem Rücken, die von der Last des Rucksacks entstanden sind, spielen keine Rolle mehr. Rings um uns ist eine ausgedehnte grüne Wiesenlandschaft. In der Ferne, zwischen einer großen Baumgruppe ist ein wasserreicher Fluss zu sehen. Ich vermute, dass wir dort unser Lager aufschlagen werden. Nach zwei weiteren Stunden Marsch kommen wir letztendlich dort an.
Der Rucksack mit seinen 20 Kilo Gewicht steht endlich auf dem Boden. Eine Portion Eis, das wäre jetzt köstlich, träume ich. – „Antreten!“ Befiehlt der Kommandeur Oscar.
„Hier werden wir unser Lager aufbauen“, sagt er und weist an: „Der Trupp von Nancy macht den Aufbau dort an diesen Bäumen im Norden, der von Monazo dort in südlicher Richtung, wo die Bäume stehen und…“. – Wir bereiten das Gelände vor, bauen die Krankenstation, den Verpflegungspunkt, das Lehrkabinett, und die „chontos“ – wie die Guerilleros zu den Abtritten sagen. Mit den Macheten bereiten wir das Terrain vor und schlagen Holz. Nach einer gewissen Zeit ist das Lager fertig. Nun können wir baden gehen. Mit Scherzen und Lachen stürzen wir uns in den Fluss und erholen uns nach einem langen und schweren Tag.
Das Abendessen: Reis mit gebratenen Nudeln, „cancharinas crocantes“ – eine Art Maisfladen, jedoch gebraten und aus Weizen. Und natürlich heißer Kaffee. Ach, wie schön ist es für den Guerrillero, essen zu können! Heute haben wie kein Fleisch. Doch morgen wird es einen schönen Stier geben.
Es ist schon 18.30 Uhr und wir sitzen nun im Lehrkabinett und warten auf den Beginn der Kulturstunde. Die Mädchen in ihren sauberen Uniformen, das Haar locker und glänzend, das Gesicht sorgsam geschminkt. Wir Männer, sauber und gekämmt, bewundern die Mädchen wegen ihres Schneids und ihrer Zerbrechlichkeit. Heute Abend treten ein Dichter und zwei Sänger mit revolutionären Liedern auf. Die Gruppe 3 wird ein Theaterstück improvisieren.
20 Uhr: Zeit, um schlafen zu gehen. „Absolute Ruhe!“ Ordnet der Kommandeur an.
Es herrscht fast absolute Ruhe. Nur in den Unterkünften der Paare ist noch leises Murmeln zu hören. Nun liege ich auf dem Moskitonetz, auf einer Matratze von Palmenblättern und spüre so richtig die Erschöpfung des Tages. Meine Augen fallen zu und ich denke, jetzt könntest du mehrere Tage durchschlafen, wenn sie dich nicht um 24 Uhr zur vierten Wachschicht wecken würden. Na gut, nach der Wache kann ich ja noch ein Weilchen weiterschlafen.
In der Wildnis leben Affen, die einen besonderen Ruf von sich geben. Wir imitieren ihn, indem wir mit den Lippen zwischen die aneinandergelegten Handflächen blasen, in denen sich ein Palmenblatt befindet. „Shit, shit“, das ist der Weckruf für die Guerilleros um 4.50 Uhr. Nach einer Viertelstunde sind wir angetreten, das Gepäck auf dem Rücken. Die Diensthabenden kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Nachdem wir unsere Ausrüstung abgesetzt haben gehen wir, um uns den „tinto“ zu holen. „Tinto“ – so nennen wir den Kaffee in Kolumbien. Er ist heiß und hat ein wunderbares Aroma.
Bis sechs Uhr machen wir Frühsport. Dann kommt das Frühstück dran: Maisfladen und, wenn vorhanden, gebratene Eier und Schokolade. Dann, nachdem das Lager in Ordnung gebracht wurde, treffen wir uns im Lehrkabinett, um die Nachrichten im Fernsehen zu schauen und darüber zu diskutieren.
Um acht Uhr stehen wir in militärischer Formation bereit und die Kommandeure der Züge kontrollieren auf den Millimeter genau, dass wir in Reih und Glied angetreten sind. Dann wird dem Kompanie-Kommandeur Meldung über die Neuigkeiten der letzten Nacht und den Zustand seiner Truppe gemacht. Kommandeur Oscar übernimmt das Kommando und befiehlt: „Kompanie, rührt euch!“ Danach sagt er: „Die Kompanie hat die Aufgabe, politische Schulungen zu absolvieren und politische Arbeit unter der Bevölkerung der Region durchzuführen. Zug 1 hat den Auftrag, für Sicherung und Logistik zu sorgen. Zug 4 begibt sich in das umliegende Gebiet und besucht die Bevölkerung. Geht von Haus zu Haus, sprecht mit den Leuten, erkundigt euch nach ihren Problemen und versucht zu helfen, wenn es möglich ist. Erklärt ihnen die Politik der FARC-EP. Die Züge 2 und 3 werden einen zweimonatigen Lehrgang absolvieren, täglich von acht bis 11.30 Uhr und von 13.30 bis 16.30 Uhr. Studienthemen sind: Die Geschichte Kolumbiens und Lateinamerikas, Politische Ökonomie, der strategische Plan der FARC-EP, Kommandostrukturen und gesellschaftliche Organisation.“
Die Lehrtexte sind in den Büchern und Broschüren, die wir in unserem Marschgepäck mitgenommen haben. Nun werden sie dem Verantwortlichen übergeben, um die Bibliothek des Lagers damit auszustatten.
Heute nutzen wir den Tag, um die Waffen zu reinigen, die Bekleidung herzurichten und alles das wieder in Ordnung zu bringen, was nach 15 Stunden Marsch Schaden erlitten hat. Wir nehmen die unterbrochene Lektüre eines Buches wieder auf, bringen die Unterkünfte auf Vordermann, bauen z.B. einen kleinen Tisch und vieles andere mehr. Nach dem Mittagessen spielen wir eine Runde Volleyball.
Ich habe etwas Zeit und besuche meine Freundin Eliana. Ich treffe sie wie immer im Unterstand für Kommunikationstechnik, vor einem Computer sitzend, umgeben von Batterien, elektrischen Kabeln und Antennen. „Hallo, Eliana, wie geht’s?“ begrüße ich sie.
„Gut, mein Junge. Ach ich bin wieder dabei mich an dieses Gerät zu gewöhnen, und wünschte, wir würden den Marsch fortsetzen.“
„Ja“, bemerke ich, „man gewöhnt sich daran, den ganzen Tag zu laufen und vermisst es, wenn wir nicht marschieren.“
„Wollen wir vallenatos hören?“ fragt Eliana. (Vallenatos ist eine typische traditionelle Musikrichtung der Region Valledupar – d.Ü.) „Na klar, schon seit zwei Tagen habe ich keine Musik mehr gehört“, antworte ich. Als ich ihr Zelt verlasse, sind die Liedzeilen von Julián Conrado, einem Liedermacher der Guerilla, zu hören: „... denn ich bin Guerillero, weil ich den Frieden liebe … weil ich den Frieden liebe...“.

[„Resistencia International“ - deutschsprachige Ausgabe der FARC-EP, Nummer 05 von September bis Dezember 2001]

14 Juni 2012

Bilder von Simón Trinidad aus dem Gefängnis

Mit einer Leichtigkeit kann man die körperliche und moralische Unversehrtheit eines Guerillero der FARC-EP einschätzen, die ihn, wie bei einem Menschen aus Stahl, aufgrund der Stärke seiner Überzeugung auszeichnet.
Aus den Bergen Kolumbiens ehren wir diesen aufrechten Helden der kolumbianischen, lateinamerikanischen und weltweiten Revolution.
Wir wissen, dass die Tore, Mauern, Ketten, Wachleute und die Apparate von Polizei, Militär und des Gesetzes niemals die ehrenhaften Bestrebungen des Volkes unterwerfen können.
Menschen wie du, Simón, bleiben immer in der vordersten Kampflinie, sie geben niemals klein bei und sind Beispiele für diese und alle kommenden Generationen.
Wir wissen, als du hier warst, folgtest du deiner Uniform und hast jeden Tag in deinem Glauben gegen den Imperialismus und ihre Diener in Kolumbien gekämpft.
So sehen wir dich, so fühlen wir dich, so wissen wir um dich, Simón, Bruder, Freund, Genosse und Kommandant.

Wir haben geschworen zu siegen! Und wir werden siegen!


12 Juni 2012

Die andere Geschichte der Guerilla Kolumbiens

Die Guerilla in Kolumbien hat einen schlechten Ruf. Sowohl bei der Mainstream-Bevölkerung, als auch bei der Linken in Deutschland gibt es die weit verbreitete Ansicht, dass es sich bei der Guerilla in Kolumbien um eine Organisation handelt, die einzig und allein aufgrund ihrer finanziellen Aktivitäten existiert. Es gibt kaum Presseberichte, in denen die FARC-EP nicht mit einem Drogenkartell gleichgesetzt wird. Selbst scheinbar unabhängige Journalisten oder Linke übernehmen kritiklos die Propaganda der Regierungsmedien, die seit dem Bestehen der aufständischen Bewegung versuchen, die Guerilla politisch zu delegitimieren.
Dabei sind die FARC-EP eine der wenigen letzten und großen Organisationen in Lateinamerika, die eine sozialistische Orientierung haben und entgegen der allgemeinen Annahme über eine weite soziale Verankerung im Land verfügen. Im Folgenden wird auszugweise Bezug auf einen Artikel von Raúl Zelik genommen, in dem er die Entstehung und Entwicklung der Guerilla aufzeigt. [„Die etwas andere Geschichte der Guerillas in Kolumbien“ in Lateinamerika Nachrichten Nr. 286 vom April 1998]

Der ganze Artikel befindet sich unter der Rubrik Kurze Historie FARC-EP 

08 Juni 2012

Kampf um politische Anerkennung

Ein wichtiger Schritt für die FARC-EP und die Linke weltweit ist der Kampf für die Anerkennung der Guerilla als politischer Akteur und Kriegspartei im bewaffneten Konflikt Kolumbiens. In den letzten zehn Jahren, seit dem Scheitern der Friedensverhandlungen von Caguán, seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA und seit dem Amtsantritt von Präsident Uribe, wird die aufständische Bewegung als terroristische Organisation bezeichnet und ihr jeglicher politischer Status von offizieller Seite abgesprochen. Dabei ist in Dokumenten und Gesetzen der Vereinten Nationen und der Genfer Konventionen erklärt, wie mit Kriegszustand, Menschenrecht und Neutralität in innerstaatlichen bewaffneten Konflikten umgegangen werden kann. Die kolumbianische Regierung und ihre internationalen Verbündeten jedoch, verwehren der FARC-EP jegliche Anerkennung, um politisch-militärische Legitimität und moralische Stärke der aufständischen Bewegung zu verhindern.

Das Internationale Recht sieht in Bezug auf die Anerkennung einer Organisation bzw. Kriegspartei in Bürgerkriegen folgende Punkte als wichtig für die Beurteilung an: Die Organisation muss politische Ziele verfolgen, die Organisation muss eine politische Führung und Leitung besitzen, die Organisation muss disziplinarische Strukturen innerhalb ihrer Streitkräfte unterhalten, die Organisation muss Territorien innerhalb eines Landes kontrollieren und zu guter Letzt muss die Organisation die Gepflogenheiten und das Internationale Recht in Kriegen respektieren. Diese Punkte sind allerdings teilweise nicht genau definiert, so dass einige Faktoren durchaus unterschiedlich interpretiert werden können. Generell wird die Anerkennung einer Organisation durch die Regierung oder durch Drittstaaten jedoch nur vorgenommen, wenn eine aufständische Organisation kurz vor einem politisch-militärischen Sieg steht, wenn eine friedliche Lösung eines Konflikts angestrebt wird, wenn die Stabilität einer Region oder eines Landes wiederhergestellt werden soll oder wenn aufgrund von Dauer oder Intensität eine humanitäre Katastrophe verhindert werden soll.

Die kolumbianische Regierung scheint nicht gewillt zu sein, den bewaffneten Konflikt lösen zu wollen. Die Anerkennung der FARC-EP als politischer Akteur und Kriegspartei würde für die Regierung Kolumbiens die Anerkennung eines vorhandenen Bürgerkrieges bedeuten. Bisher heißt es zynischerweise dazu immer, dass in Kolumbien kein Krieg, sondern das Land ein Problem mit Terroristen hat. Neben der eben angesprochenen moralischen Unterstützung der Aufständischen bei einer Anerkennung, würde dies auch eine politische Stärkung bedeuten und in jenem Moment eine Schwächung der Politik der Regierung. So hätten die FARC-EP, genau wie die Regierung auch, verschiedene Rechte und würden juristischen Schutz genießen. Die Internationalisierung des Konfliktes wäre eine logische Schlussfolgerung daraus. Dies alles widerspricht jedoch der kolumbianischen Regierungsdoktrin, die mit repressiven und militärischen Mitteln den Konflikt lösen will.

Die FARC-EP sind aus einer berechtigten Konfrontation mit dem Staat heraus entstanden, die Ursprünge liegen in der Verteidigung sozialer Rechte und in der Selbstverteidigung von Bauernverbänden nach dem Mord an den populären liberalen Anführer Jorge Eliécer Gaitán und der daraus folgenden staatlichen Gewaltorgie („Violencia“ genannt) mit Hunderttausenden von Toten. Die FARC-EP als bewaffneter Widerstand entstanden 1964 im Zuge der nordamerikanischen Militärdoktrin der Nationalen Sicherheit, in welcher korrupte und ungerechte Staaten mit den sozialen und politischen Widerstandsbewegungen brechen wollten. Doch genau das Gegenteil entwickelte sich daraus, die aufständische Bewegung wuchs weiter an und manifestierte sich durch ihre politischen und sozialen Ziele im ganzen Land. Was folgte war der Krieg der verschiedenen Regierungen mit schmutzigen Mitteln und Paramilitarismus gegen die Aufständischen. Ihre Höhepunkte erreichte dieser Krieg mit dem politischen Genozid an Mitgliedern und Sympathisanten der Unión Patriótica, einer politisch linken und legalen Front als ein Teil der Friedensverhandlungen der 1980er Jahre, mit dem Beginn von Massakern durch Paramilitärs an politisch und sozial engagierten Menschen sowie der Bevölkerung Mitte der 1990er Jahre und mit den Militäroffensiven der letzten Jahre, die bis heute anhalten. Dadurch wird klar, was die kolumbianische Regierung beabsichtigt; die Vernichtung des internen Feindes mit allen Mitteln. Mit Para-Politik, einem schmutzigen Krieg, Angriffe staatlicher Sicherheitsorgane auf Land und Leute, staatlicher Repression und einem hochgerüsteten Militär sollen die vermeintlichen Terroristen, so der offizielle Jargon, besiegt werden.

Doch die FARC-EP sind mitnichten eine terroristische Organisation. Sie haben all jene Merkmale und Faktoren, die für die Beurteilung und Anerkennung einer regulären Kriegs- und Politikpartei wichtig sind.
  • Die FARC-EP haben als revolutionäre Organisation klare politische Ziele und als eine politische Kraft werden diese bei den Kongressen und nationalen Konferenzen definiert und beschlossen. Weiterhin findet man die politischen Ziele und Forderungen in den Statuten, Deklarationen, Kommuniqués und programmatischen Dokumenten, wie es sich für eine politisch-revolutionäre Organisation gehört.
  • Als eine politisch-militärische Organisation gibt es innerhalb der FARC-EP klare Befehls- und Entscheidungsstrukturen mit Verantwortlichkeiten. Hierzu zählen unter anderem die Kommandeure und ihre Stellvertreter bei den militärischen Gliederungen wie den Trupps, Guerillas, Kompanien, Kolonnen, Fronten und den geografisch-militärischen Blöcken der verschiedenen Fronten. Eine politische Entscheidungs- und Verantwortlichkeit ergibt sich aus den Kommandostrukturen der Kompanien und Kolonnen und den Generalstäben der Fronten bis hin zum übergeordneten Zentralen Generalstab und seinem höchsten Exekutivorgan, dem Sekretariat des Zentralen Generalstab.
  • Als eine politisch-militärische Organisation verfügen die FARC-EP über disziplinierte und organisierte Streitkräfte. Sie stehen unter den Anordnungen und Befehlen der weisungsberechtigten Kommandeure und Befehlshaber. Die disziplinarischen Regularien und Anordnungen sind schriftlich fixiert und allgemein gültig. Weil die FARC-EP eine revolutionäre Armee und klandestine politische Partei sind, dient die militärische Untergliederung der Trupps (12 Personen inklusive Kommandeur und Stellvertreter) zugleich auch als politische Zelle. Die maßgeblichen richtungsweisenden Anordnungen stehen in den Bestimmungen zur disziplinarischen Ordnung.
  • Als eine politisch-militärische Organisation hat die aufständische Bewegung ebenfalls diverse Territorien unter ihrer Kontrolle. In diesen Gebieten üben die FARC-EP die politische und soziale Macht aus. Dabei halten sie sich an die international geltenden Bestimmungen und Menschenrechte. Der politische und soziale Einfluss im kolumbianischen Staatsgebiet ist höchst unterschiedlich, er reicht vom klandestinen Charakter bis hin zu offen agierender Einflussnahme mit Unterstützung aus der Bevölkerung in den befreiten Gebieten. In letzteren Gebieten kommt der aufständischen Bewegung eine gesetzgebende und gesetzesausführende Funktion zu. Dabei ist die höchste Priorität, die Würde der kämpfenden als auch nicht-kämpfenden Bevölkerung zu wahren, Verstöße werden in jeder Hinsicht sanktioniert.
  • Als eine politisch-militärische Organisation gab es in der Geschichte der FARC-EP immer wieder Momente, in denen Dialoge und Verhandlungen mit der Regierung als gleichberechtigter und anerkannter Partner geführt worden sind. Friedensprozesse fanden mit den Regierungen von Belisario Betancourt (1984) und Andrés Pastrana (1998) statt. Unter anderem während jener Momente wurden politische Vereinbarungen getroffen und Verträge abgeschlossen sowie internationale Beziehungen zu Regierungen und Organisationen politischen und sozialen Charakters geführt. Mit der Politik der USA im Zuge des 11. September 2001 und ihrem sogenannten Kampf gegen den Terror änderten sich auch die Umstände in Kolumbien, so dass die FARC-EP nun auf der schwarzen Liste zu finden sind.

Die Suche nach Anerkennung der FARC-EP als politischer Akteur und Kriegspartei bedeuten nicht nur für die Guerilla selbst Vorteile, sondern diese tragen auch zu vorteilhaften Änderungen im Kontext des Bürgerkrieges und die von ihr betroffene Bevölkerung bei. Garantien und Vereinbarungen sind zwischen mehr oder weniger gleichberechtigten und anerkannten Akteuren besser zu treffen. Das Ziel muss es sein, mit dem Krieg aufzuhören, Vereinbarungen für die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen zu treffen und einen Weg hin zum Frieden und zur sozialen Gerechtigkeit zu gehen, der die Interessen der gesamten Bevölkerung mit einschließt. Doch jene Ziele können nur erreicht werden, wenn die aufständische Bewegung einen legalen Status bekommt und die Kriminalisierung der Kämpfer, Unterstützer und Sympathisanten als Terroristen aufhört. Zudem muss ein Umgang auf politischer und justizieller Ebene mit den politischen Delikten gefunden werden, die durch die Regierung negiert werden. Nur so wird der Weg zu Vertrauen, Frieden und Stabilität in Kolumbien und der ganzen Region geebnet.

01 Juni 2012

Videodokumentation einer militärischen Kampagne

Videodokumentation einer militärischen Kampagne des militärischen Westblocks der FARC-EP in den ersten Monaten dieses Jahres.