28 Februar 2014

Barrancabermeja – Hort des Paramilitarismus


Barrancabermeja ist eine Industriestadt in der Provinz Santander. Die Stadt ist für ihre Erdölindustrie bekannt, denn hier befinden sich am Río Magdalena die größten Erdölraffinerien des Landes. War die Stadt bis in Ende der 1980er Jahre für ihren Proletarismus und Politisierung bekannt, so übernahmen später paramilitärische Gruppen die Macht und sorgen bis heute für ein Klima der Angst und Bedrohung.

Mit 230.000 Einwohnern ist die Stadt Barrancabermeja zwar nicht sehr groß, doch durch ihre erdölverarbeitende Industrie und ihre zentrale Lage war sie seit jeher ein wichtiger Industriestandort. Am Ufer des größten Flusses Kolumbiens gelegen, wurde die Stadt mit dem Hafen ein Kommunikations- und Transportzentrum. Von der Holz- und weiterverarbeitenden Industrie änderte sich das Stadtbild mit der Industrialisierung des Landes und den ersten Erdölfunden hin zu einer modernen Industriestadt, in der das Erdöl das maßgebliche Industrieprodukt wurde. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts vereinbarte man die ersten Förderkonzessionen und mit der Tropical Oil Company begann die Förderung des schwarzen Goldes.

Die Erdölindustrie sorgte nicht nur für den wirtschaftlichen Aufschwung, sondern mit dem immer stärkeren Ausbau wandelte sich auch das innere und äußere Erscheinungsbild der Stadt. Neue Viertel entstanden, in denen die Arbeiter und ihre Familien untergebracht wurden und meist nach langen Bitten und Kämpfen entstand die dazu nötige Infrastruktur wie die Verbindung der Viertel, Schulen, ein Krankenhaus und andere Einrichtungen. Mitte der 1970er Jahre nahm die Stadt den vierten Platz in der Liste der Städte ein, die die meisten marginalen Viertel und sozialen Probleme hatten. Gab es 1970 36 Stadtviertel, so waren es 1980 schon 48 und 1990 mehr als 120. Die Hälfte der 120 Viertel war auf illegale Weise entstanden und von den Behörden nicht genehmigt.

Auch die Einwohnerschaft war stark geprägt von den sozialen Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Stadt wurde eine Hochburg der kommunistischen und gewerkschaftlichen Ideen sowie der verschiedensten politischen Gruppierungen. Die soziale Misere und die Arbeit in der Erdölindustrie schärften den Arbeitern und Familien den Blick für die Notwendigkeit von politischen und sozialen Veränderungen. In den 1980er und 1990er Jahren sorgten Entlassungen und der Zuzug der Landbevölkerung, vor allem vom Land vertriebene Menschen aus dem Magdalena Medio, für ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit und weiterer Probleme. Kein Wunder also, dass Guerillagruppen wie FARC-EP, ELN und EPL hier einen großen Zulauf hatten.

Die Firma Ecopetrol, Kolumbiens halbstaatliche Erdölfördergesellschaft, verschärfte die Situation und die sozialen Kämpfe vor Ort. Um den Arbeitskämpfen und den sozialen Kämpfen in der Stadt Herr werden zu können engagierten sie paramilitärische Einheiten und das staatliche Militär. Die Bevölkerung wiederum sucht den Schutz bei den Guerillabewegungen, die ihrerseits Milizen in der Stadt aufbauten und durch nahe Fronten in der Gegend vertreten waren. Die Kämpfe der Guerilla für die Rechte der Bevölkerung standen also ganz im Sinne der Tradition einer kämpferischen Stadt, die sich nun gegen die Privatisierung, gegen die Sklaverei der transnationalen Konzerne und der Militarisierung der Stadt auflehnte.

Schnell machte in Kolumbien die Runde, dass Barrancabermeja unter Einfluss der Guerilla stehe. Dabei wurde die gesamte Bevölkerung der Stadt stigmatisiert. Sicherlich hatte die Guerilla großen Rückhalt unter den Leuten, doch sorgte die soziale Situation und die Repression der Regierung erst dafür, dass die Leute aufbegehrten. In den 1990er Jahren war die FARC-EP mittlerweile so erstarkt, dass ein offener Krieg durch die Paramilitärs ausgerufen wurde. Eine Front der EPL, deren großer Teil sich ab 1990 kurz nach den Friedensgesprächen von M-19, EPL und anderen Gruppen mit der Regierung demobilisieren ließ, schloss sich der FARC-EP an. In der Guerilla sahen sie die einzige Möglichkeit zur Verteidigung ihrer Interessen.

Hunderte wurden in den Jahren umgebracht und der Terror von paramilitärischer und staatlicher Seite war so groß, dass die politische Organisation und Betätigung der Bevölkerung bereits als Todesurteil galt. Konnte die FARC-EP zuerst noch politisch-militärisch die Oberhand behalten, sorgten sie zumindest auf militärischer Ebene für einen Rückzug, um das Leben der Bevölkerung nicht weiter zu gefährden. Politisch wurde die Arbeit jedoch nicht aufgegeben und trotz des paramilitärischen Terrors versuchten sich die Menschen zu organisieren. Andere schlossen sich den Fronten der FARC-EP an, die außerhalb der Stadt im Block „Magdalena Media“ operierten.

Dass der Terror der Paramilitärs auch heute noch aktuell ist, zeigen Beispiele aus den letzten Wochen. So hat eine Gruppe namens „Los Álvarez“ auf Facebook verkündet, mit sogenannten sozialen Säuberungen zu beginnen. In der Regel handelt es sich dabei um Bedrohungen, Vertreibungen und Ermordungen von Menschen, die nicht in das Bild einer konservativen Gesellschaft passen. Zudem werden diese Säuberungen auch häufig genutzt, um politische Gegner zu schädigen. Anfang Februar tauchten Trupps von schwerbewaffneten Paramilitärs in einigen marginalen Vierteln der Stadt auf, die in Jeeps durch die Straßen patrouillierten, Leute einschüchterten und einen Jugendlichen umbrachten. Geschäftsinhaber mussten ihre Läden schließen und alle auf den Straßen befindlichen Personen wurden bedroht. Eine Reaktion seitens der staatlichen Sicherheitskräfte gab es nicht.

Auch Menschenrechtsbeobachter verschiedener nationaler und internationaler Organisationen wurden in den letzten Wochen bedroht. Häufig werden dabei Telefonanrufe in den Büros benutzt, um Mitglieder von politischen und sozialen Bewegungen einzuschüchtern. Auch Flugblätter werden im Stadtgebiet verteilt, auf denen die Namen von potentiellen Opfern zu lesen sind. Im Januar dieses Jahres schickten Paramilitärs einem Mitglied einer Menschenrechtsorganisation einen Brief, mit der Aufforderung die Stadt binnen 48 Stunden zu verlassen, sonst werde er und seine Familie ermordet. Anbei wurde eine Patrone mitgesendet. Weniger häufig, aber in der Konfrontation stärker, werden Handgranaten an die Wohnhäuser oder Büros der Personen geworfen. Diese Vorfälle zeigen deutlich, wie wenig die Regierung handelt und wie gefährlich das Leben und die Betätigung in Barrancabermeja sind.

26 Februar 2014

FARC-EP gegen Kriminalisierung der Drogenkonsumenten


Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens - Volksarmee haben diese Woche neue Vorschläge zum Thema illegale Drogen vorgebracht. Die Vorschläge enthalten im Wesentlichen die Anerkennung von bewusstseinsverändernden Drogen als Gesundheitsproblem bzw. Krankheit und verbinden damit die Entkriminalisierung der Konsumenten von diesen Drogen. Diese Woche wurden die Gespräche zu diesem Punkt der Agenda wieder aufgenommen.

Schon zuvor hat die FARC-EP von der Regierung Santos die Legalisierung der Koka- Pflanzen und von Marihuana im Land gefordert. Dies sei eine Möglichkeit, um den armen Bauern in Kolumbien zu helfen. Das Thema der illegalen Drogen ist seit jeher ein schwieriges Thema. Während die FARC-EP auf eine Legalisierung pocht, das sowohl den Bauern als auch den Konsumenten weiterhilft und dem internationalen Markt die Gelder entzieht, gibt es in der Regierung und bei den rechten politischen Kräften starke Vorbehalte.

Die Regierung müsse Verantwortung zu dem Problem der illegalen Drogen nehmen, so die Friedensdelegation der FARC-EP. Präventiv müsse man vor allem bei dem Problem vorgehen und eine kostenlose medizinische Behandlung der Konsumenten, die die eigentlichen Opfer des internationalen Drogenhandels sind. Dazu gehört freilich auch das Beenden der Kriminalisierung und Stigmatisierung von Drogenkonsumenten.

Heute verkündet die FARC-EP, eine Kommission müsse eingerichtet werden, die sich mit dem Drogenhandel, der Macht und deren Einfluss in Politik und Gesellschaft auseinandersetzt. Zudem sollen anschließend das Staatsgebilde sowie politische Institutionen wie die Kontrollorgane, Wahlbehörde, staatliche Sicherheitskräfte, Geheimdienst und andere von den paramilitärischen Drogenbanden gesäubert werden, um deren Korruption und Einfluss zu mindern bzw. aufzuheben.


24 Februar 2014

Antidemokratie und Gewalt in Kolumbien vor Wahlen


Vor den Wahlen zur Legislative am 9. März und den Präsidentschaftswahlen am 25. Mai dieses Jahr wird Kolumbien von antidemokratischen Ereignissen und einer Welle der Gewalt und gegen oppositionelle Gruppen und Parteien überschattet. Neuester Vorfall ist der Attentatsversuch gegen die linke Präsidentschaftskandidatin der Unión Patriótica Aída Avella in Arauca. Ihr Wahlkampfteam wurde mit Maschinengewehren angegriffen. Erst 2013 kehrte Avella nach Kolumbien zurück. Sie lebte 17 Jahre im Exil außerhalb des Landes, nachdem sie bereits schon einmal ein Attentatsversuch überlebte. Seit ihrer Rückkehr wurde sie mehrmals von paramilitärischen Gruppen wie den „Los Rastrojos“ bedroht.

Doch dieser Attentatsversuch ist kein Einzelfall. Immer wieder werden Bauern, Gewerkschafter und Anführer von sozialen und politischen Bewegungen bedroht oder ermordet. Auch die ehemalige linke Politikerin Piedad Córdoba, die sich stets für einen Dialog und Verhandlungen mit der FARC-EP aussprach, wurde wiederholt bedroht und ihre Familie angegriffen. Dabei wurde ein Familienmitglied der Rechtsanwältin, Politikerin und Menschenrechtskämpferin durch rechte Paramilitärs im Nordwesten Kolumbiens getötet. Piedad Córdoba war bis 2010 Senatorin, musste dann aber alle ihre politischen Ämter nach einem Prozess wegen Vermittlungsbemühungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC aufgeben. 

Wegen einem anderen Vorfall bereitet sie derzeit eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und bei der Menschenrechtskommission vor. So hat das kolumbianische Militär elektronische Daten der Regierung und der FARC während der aktuell laufenden Friedensverhandlungen ausspioniert. Die Spionagetätigkeiten des Militärs wurden bei Recherchen der Zeitschrift Semana entdeckt und veröffentlicht. Die Regierung verneinte einen Zusammenhang mit den Ereignissen und leitete Untersuchungen ein. Mehrere hohe Armeefunktionäre, darunter der Geheimdienstchef der Armee, mussten bereits ihre Ämter aufgeben. In einer Zentrale im Hauptstadtviertel Galerías spionierte eine Gruppe von Militärangehörigen unter anderem Emails, elektronische Daten und Telefongespräche aus. Noch wird untersucht, wer die Auftraggeber sind. Die FARC jedenfalls bezichtigen Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, der ein erklärter Gegner des Friedensprozesses ist. Außerdem wird das Militär derzeit von einem Korruptionsskandal überschattet.

Die anhaltende Gewalt und die antidemokratischen Ereignisse, hier nur einige Beispiele aufgeführt, zeigen deutlich, dass das politische Klima alles andere als friedfertig und partizipativ ist. Wie soll man den Menschen erklären, dass eine Guerilla wie die FARC-EP die Waffen niederlegen soll, wenn im ganzen Land Oppositionelle bedroht und ermordet werden? Wie soll eine politische Beteiligung der Menschen geschehen, wenn sie in permanenter Angst leben müssen? Solange die Bedingungen für eine politische Beteiligung nicht gegeben sind, braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn die Guerilla alle Friedensabsichten der Regierung mit Vorsicht betrachtet und viele ihrer Guerilleros die Waffen als Schutz vorerst nicht ablegen werden. Die Beteiligung des Volkes ist die einzige Garantie, so die Friedensdelegation der FARC-EP nach der 20. Gesprächsrunde mit der Regierung.