27 Juli 2013

FARC-EP Homepage auf Englisch

Das erste Mal in ihrer Geschichte veröffentlichen die FARC-EP eine Homepage auf Englisch.

Zur Homepage (Englisch) der Friedensdelegation der FARC-EP

21 Juli 2013

Schwere Kämpfe und Gefangennahme US-Bürger



Bei Kämpfen an diesem Wochenende sind mehr als 20 Soldaten und eine unbestimmte Anzahl Guerilleros getötet worden. Die folgenschwersten Gefechte ereigneten sich dabei am Sonnabend, dem Nationalfeiertag Kolumbiens, in Fortul, welches in der Region Arauca liegt. Bei den Kämpfen zwischen der 10. Kampffront der FARC-EP und dem 14. Bataillon der 18. Brigade der Armee sind mindestens 17 Soldaten gestorben. Auch wenn zur Zeit die Untersuchungen anhalten und die Informationen noch sehr unzureichend sind, gibt es weitere Verletzte Soldaten und auch Spekulationen über die Gefangennahme weiterer durch die Guerilla. Arauca gilt als eine der Hochburgen der Guerilla, in der es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen staatlichen Sicherheitskräften und der Guerillabewegung kommt.

Ebenfalls am Sonnabend kam es zu einem Angriff von Einheiten des militärischen Südblocks der FARC-EP auf die Armee in El Doncello in der Provinz Caquetá. Auch hier dringen staatliche Sicherheitskräfte immer wieder in die von der FARC-EP kontrollierten Gebiete ein, um angeblich die subversiven Kräfte zu vertreiben und die Bevölkerung zu schützen. Doch diese Militäroperationen führen zu Angst, Bedrohungen und Vertreibungen bei der lokalen Bevölkerung, die die Armee sowie die Polizei als Fremde und Besatzung aufgrund ihres Verhaltens ansieht. Bei den Gefechten wurden vier Soldaten getötet und weitere verletzt.

Am Wochenende wurde auch die Gefangennahme eines US-amerikanischen Staatsbürgers durch die FARC-EP bekannt. Laut einem Kommuniqué des Sekretariats des Zentralen Generalstabs der FARC-EP wurde der Soldat Kevin Scott Sutay am 20. Juni dieses Jahres von Einheiten der FARC-EP in der Gemeinde El Retorno in der Provinz San José del Guaviare festgenommen. In dem Kommuniqué heißt es, dass der US-Amerikaner nach seiner eigenen Aussage vom 17. November 2009 bis zum 22. März 2013 Mitglied der US-amerikanischen Streitkräfte war und zwischen 2010 und 2011 in Afghanistan  im Einsatz war. Dort war er als Anti-Sprengstoffexperte eingesetzt und spezialisiert auf Minenräumung. Doch was macht ein US-amerikanischer Staatsbürger und Minenexperte in San José del Guaviare, wenn er aktuell nicht mehr bei der Armee ist, er sich aber in einer Region bewegt, wo es viele Minenfelder, eine große US-Militärbasis und mehrere Armeeeinheiten und Anti-Drogeneinheiten der Polizei gibt?

Es ist kein Geheimnis, dass das US-Militär in Kolumbien Einsätze durchführt. Rund 2000 US-Beamte und Soldaten sind in sieben verschiedenen Basen in Kolumbien tätig und führen unter anderem Einsätze zur Aufstandsbekämpfung durch. In dem Kommuniqué kündigen die FARC-EP die Freilassung des Soldaten an eine humanitäre Kommission unter der Führung der Senatorin Piedad Córdoba an. Immer wieder werden gefangengenommene Mitglieder der staatlichen Sicherheitsorgane an humanitäre Kommissionen freigelassen, während Tausende Guerilleros in den kolumbianischen Gefängnissen keinen Rechtsstatus als Kriegsgefangene besitzen und ein menschenunwürdiges Dasein fristen.

18 Juli 2013

Wir sind in Havanna um den Konflikt zu beenden


Iván Márquez, Chefunterhändler der FARC-EP in den Friedensgesprächen mit der Regierung in Kuba, erklärt, dass die Guerilla in Havanna ist, um eine Lösung zu finden , die den kolumbianischen Konflikt beendet. Außerdem sagt er, dass die Guerilla nicht einseitig die Waffen niederlegt, die Linke im Land vereint kämpfen müsse und dass er mit einer Beteiligung der Guerilla ELN am Verhandlungstisch einverstanden wäre.

In einem Interview mit dem Radiosender RCN wird Iván Márquez zu verschiedenen Themen gefragt.
"Wir sind in Havanna, um eine Vereinbarung zu suchen, die zur Beendigung des Konflikts in Kolumbien führt ", sagte der Chefunterhändler der Friedensdelegation der FARC-EP in dem Interview.  Außerdem appelliert er an soziale Organisationen und Parteien, sich gemeinsam gegen die Feinde des Friedens zu stellen. Die FARC-EP suchen direkt den Kontakt zu den sozialen und politischen Organisationen und räumen der Guerillabewegung ELN ein, ebenfalls am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. Dies hängt jedoch davon ab, was das ELN und die Regierung davon hält.

In Bezug auf eine Niederlegung der Waffen gibt er sich sehr reserviert.  Die FARC-EP analysiert zwar andere Konflikte in der Welt und hat sich unter anderem mit einer Delegation aus Irland getroffen, aber die Erfahrungen aus der Geschichte zeugen von Vorsicht. Der Frieden braucht seine Zeit, sagt er, ein schlecht gemachter Frieden ist schlimmer als der Krieg. Der fünfte Punkt der Verhandlungsagenda, jener der Opfer des Konfliktes, soll dann besprochen werden, wenn der Moment gekommen ist. Ein Punkt, der schon von der FARC-EP öffentlich gemacht wurde, ist die Bildung einer Kommission der historischen Verantwortung, in der die Menschen und die Opfer beteiligt werden sollen.

Während der Verhandlungen beharren die FARC-EP auf eine verfassungsgebende Nationalversammlung als Instrument der Legitimität. Sie soll Ausdruck des Friedensabkommens sein, eines politischen Abkommens mit institutionellen Veränderungen und einer Diskussion mit allen. Ziel der Guerilla ist der Übergang zu einem demokratischen System in der die FARC-EP und alle anderen Menschen und Organisationen teilhaben können. Auch hierzu gibt es noch Gespräche mit der Regierung. Die Anerkennung der Rechtsstellung der Unión Patriótica durch die Regierung ist ein erster Schritt in diese Richtung, auch wenn er sehr spät kommt. Wichtig sind Garantien des Staates für die Sicherheit einer politischen Beteiligung. Hier gibt es bereits Überlegungen an einer möglichen Beteiligung der FARC-EP und einer Verschiebung der bevorstehenden Wahlen.

Am Ende werden Fragen aus der ländlichen Thematik diskutiert. Zur Krise in Catatumbo sagt er, dass es nicht gut ist die Proteste der Bauern durch Infiltration seitens der FARC-EP zu stigmatisieren. Die Schutzzonen für Bauern, für welche unter anderem in Catatumbo gekämpft wird, gehören jedoch legalisiert. Mit diesen Agrar-Schutzzonen sollen keine unabhängigen Republiken abseits des Gesetzes entstehen, sondern Gebiete, in denen die Bevölkerung am kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben mitbestimmen kann. Diese Zonen müssen behutsam und unter der Teilhabe der lokalen Gemeinden entwickelt werden, so der Chefunterhändler der FARC-EP.

16 Juli 2013

Der Spirit von 1999


Auch in Kolumbien gab und gibt es im Fußball linke Aktivitäten. Ereignisreich waren die letzten beiden Jahrzehnte, tonangebende Fangruppen aus den Kurven, den Barras, positionierten sich offen gegen soziale Missstände, Krieg und Bedrohungen durch Paramilitärs und Staatsmacht. Das Jahr 1999 in der Region Valle del Cauca gilt als exemplarisch, weil kurzzeitig die Einheit vormals rivalisierender Fangruppen zu einer Politisierung vieler Menschen führte. Heute gibt es nicht wenige, die sehnsüchtig auf diese Jahre zurückblicken.

Das Jahr 1999 war eine besondere Zeit für die Provinz Valle del Cauca im Westen Kolumbiens. Die Bevölkerung erlebte die Ankunft des Blockes Calima der Vereinten Paramilitärischen Kräfte Kolumbiens (AUC), eine berüchtigte rechtsextreme und paramilitärische Einheit, in der Region. In Zusammenarbeit mit der Bourgeoisie aus der hier stark vertretenen Zuckerrohrindustrie, der Dritten Division der staatlichen Armee und Hunderten von Paramilitärs, die aus Urabá und Córdoba hierherkamen, begannen die Operationen, Vertreibungen, soziale Säuberungen und Massaker in den Dörfern und Städten.

In den gleichen Jahren erlebte Cali, die Hauptstadt der Region, eine beeindruckende Welle der Jugendrebellion. Es war die Zeit der großen Streiks von Arbeitern bei Emcali, die der Rebellionen in den Stadtteilen und Nachbarschaften und die der Auseinandersetzungen an der Universität Valle in Cali (Univalle). Es entstanden neue Punkte der Begegnung und Sozialisation und es wurden generell politische und soziale Themen aufgegriffen. Aber es war auch die Zeit des Krieges der Farben, ein erbitterter Streit zwischen den Fußballfangruppen.

In jedem Viertel der Stadt Cali waren die Fahnen  mit den zwei verschiedenen Farben des jeweiligen Temas zu sehen. Die Grünen, Bewunderer der englischen Hooligans und italienischen Tifosi,in der Mehrzahl Metallfans, aber auch viele Rapper und Skinheads, vereint in der „Frente Radical“ vom Team Deportivo Cali. Die Roten, Anhänger der Fanbewegung aus dem Süden des lateinamerikanischen Kontinents, Punks und Kampferprobte aus den Kämpfen an der Univalle, organisiert in der nach der spanischen Metallband benannten Organisation „Barón Rojo“, zugehörig zum Verein América Cali. Die Farbe Grün oder Rot stand für territoriale Kontrolle, Loyalität und zur Gemeinschaft des jeweiligen Teams, zu dem sie gehörten. Tote und Verletzte in Hunderten von Schlachten waren die Folge, dazu unzählige Graffiti-Kämpfe um Mauern und Wände.

Und von einem Moment zum anderen kündigte der Calima-Block öffentlich die beiden Fangruppen zu einem militärischen Ziel an. Die „Frente Radical“ und „Barón Rojo“, zwei Massenbewegungen, sollten von den rechtsextremen Schlägern und Mördern  vernichtet werden. Doch diese Rechnung hatten sie ohne diese jungen Menschen gemacht. Und plötzlich wurde aus dem Krieg der Farben ein neues Phänomen, denn nun erkannten die Fans, dass sie, egal welche Farbe und welches T-Shirt sie trugen, selbst Teil einer Unterdrückung und Bedrohung werden konnten. Bisher kannten sie dies maximal aus dem Fußballumfeld oder aus dem Kontext von Erzählungen von den Vertriebenen, die vor dem Terror auf dem Land in die Stadt flüchteten. Trotz der unterschiedlichen Farben erkannten sie nun, dass es einen gemeinsamen Feind gab, der ihnen den Krieg erklärt hatte.

Es kam zu einer Einheit, zu gemeinsamen Blöcken auf der 1. Mai-Demonstration, zu Workshops über Menschenrechte, zur Unterstützung sozialer Kämpfe, die die Stadt überflutet hatten, es erfolgte die antifaschistische Aktionseinheit und schließlich die Suche nach einer eigenen Fußballfankultur als ein Spiegelbild der kolumbianischen Gesellschaft.

Die Jahre und die Meisterschaften vergingen. Die Wege trennten viele der damals Aktiven. Heute sind einige Bürokraten in der Politik, andere haben führende Positionen im Sport übernommen. Viele haben ein scheinbar normales Leben, Jobs, Familie, Kinder oder müssen zusehen, wie sie überleben.  Sie sehen den kolumbianischen Alltag, den bewaffneten und sozialen Konflikt. Aber es gibt auch jene, die den Spirit von 1999 gefolgt sind und die der Einheit des Kampfes gehen. Einige beschreiten die Pfade der Guerilla auf dem Land. Andere sind Wortführer sozialer und politischer Organisationen. Andere übernehmen  Aufgaben der Stadtguerilla. Aber alle eint, dass sie 1999 mit der Überzeugung für eine gemeinsame Sache gekämpft haben und sie im Fußball, der schönsten Sache der Welt, eine Politisierung für ihr zukünftiges Leben erfahren haben. Revolutionär und Fußballfan, ja das geht!

Als ein Fußballfan und Revolutionär galt Esteban Ramírez, Guerillero des westlichen Militärblocks der FARC-EP „Comandante Alfonso Cano“. Mit 31 Jahren starb er im November 2012 in den Bergen Caucas, nicht weit von Cali entfernt. Hier in Valle del Cauca, begann er auf den staubigen Fußballplätzen seine Leidenschaft für den Fußball, die ihn Ende der 1990er Jahre in Cali auf die Tribünen des Stadions führten. Hier war er Bestandteil bei der Entwicklung der neuen Fußballfangeneration.

Doch Esteban wurde nicht nur im Fußballstadion sozialisiert, sondern die rebellische Zeit sorgte für große Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht und soziale Kämpfe in den Vierteln von Cali. Auch die Bibliothek der Universität Valle entwickelte sich zum Schlachtfeld für ihn. Schon früh begann er für die Zeitung „Identidad“ des Movimiento Bolivariano zu schreiben. Zu Letzt war er aufgrund seiner Poesie und Schreibfähigkeit sogar für die Hommage des gefallenen Oberkommandierenden Alfonso Cano zuständig. Irgendwann war die konspirative Arbeit im Stadion, in der Universität und auf den Straßen in Cali zu gefährlich geworden und er tauschte das Fußballtrikot gegen ein Camouflage-Hemd der Guerilla ein.

10 Juli 2013

Gegen die Kriminalisierung der Proteste

In den kolumbianischen Medien wurde in den letzten Tagen viel über die Proteste der Landbevölkerung in Catatumbo/Kolumbien berichtet. Dabei ging es jedoch nicht um ihre Forderungen nach einer Entmilitarisierung, bessere Lebensbedingungen, Mitbestimmung und der Schaffung eines Schutzgebietes für die Landbevölkerung, sondern hauptsächlich um die Kriminalisierung der Proteste und die angeblichen Beziehungen eines der Wortführer zur Guerilla FARC-EP. 

Die Delegitimierung und Kriminalisierung von sozialen Protesten, aber auch Drohungen und Angriffe gegen Linke und Aktivisten, sind alltäglich in der kolumbianischen Politik. Ein wichtiges Argument dabei ist die oftmals vorgebrachte Behauptung, dass die Proteste oder in ihr tätige Personen Beziehungen zur FARC-EP hätten. Häufig erweisen sich diese Anschuldigungen als unhaltbar heraus. Doch selbst wenn es Kontakte zwischen den politischen Wortführern und der Guerilla gäbe, die wir auch nicht verneinen wollen, so spricht dass nur dafür, dass politische und soziale Organisationen einen Austausch pflegen, der in einer politischen und sozialen Auseinandersetzung nur allzu natürlich ist. Warum soll auch nicht Kontakt zur FARC-EP bestehen, die sich seit Jahrzehnten unter anderem für die politischen Rechte der Landbevölkerung einsetzen und in ihr auch ihren Ursprung haben? Deswegen aber Proteste ganzer Regionen ihren politischen Charakter abzusprechen, zeugt von Überheblichkeit und Missachtung.

In einer Erklärung der FARC-EP heißt es Anfang der Woche an den Innenminister: „Um die Repression zu rechtfertigen, sollten Sie nicht die Bauern und ihre Sprecher als Infiltrierte oder Angehörige der FARC beschuldigen. Man muss sie nicht stigmatisieren, sondern man muss nur auf die Leute sehen was sie sind: Bauern, bescheidene Menschen, die vor langer Zeit, lange vor dem Beginn des Prozesses von Havanna, mit gerechter Agenda und eigener Stimme friedlich ihre verletzten Rechte einforderten.“ Und tatsächlich ist es so, dass sich die Bevölkerung von Catatumbo nicht mit oder aufgrund einer Initiative von der FARC-EP erhebt, sondern dies autonom und unabhängig von der Präsenz der Guerilla geschieht. Und tatsächlich ist es aber auch so, dass sich die Guerilla aber aufgrund der Lebensbedingungen solidarisch mit den Protestierenden zeigt und der ein oder andere durchaus ein Mitglied oder Sympathisant der Guerilla oder ihrer nahestehenden Organisationen sein wird.
Link zur Erklärung der FARC-EP (Spanisch)

Doch auch durch Drohungen und Angriffe gegen Wortführer, Linke und andere Aktivisten sollen soziale Proteste beendet und ihre Teilnehmenden eingeschüchtert werden. Kolumbien ist für politisch Engagierte ein gefährliches Land. Für Politiker, Guerilleros, Gewerkschafter, Anführer der Organisationen von Bauern oder Minderheiten, Studenten oder Basisaktivisten, also all jene, die sich kritisch mit der Regierung auseinandersetzen und zu ihr in Opposition stehen, gehören Drohungen und Angriffe zum Alltag. Zum typischen Bild für eine Bedrohungssituation gehört es, wenn zwei Personen auf einem Motorrad neben einem Aktivisten auftauchen, ihn mit Namen ansprechen, eine Waffe auf ihn richten und Morddrohungen sowie Einschüchterungen aussprechen. Häufig bekommen die bedrohten Aktivisten zudem mittels Schlägen eine Lektion erteilt, die beim nächsten Mal für den Fall einer weiteren politischen Betätigung den Tod bedeuten könnte.

Dies ist eine von vielen Szenarien, die täglich in Kolumbien, sowohl auf dem Land, als auch in der Stadt passieren. Die Bedrohungen gibt es nicht nur dort, wo sich Gebiete mit Reichtum von natürlichen Ressourcen befinden, sondern betreffen jede Ecke des Landes. Es ist egal, ob es sich dabei um Bauern handelt, die ihr geraubtes Land wieder haben möchten, um Mitglieder linker Parteien, Künstler, die die kolumbianische Politik kritisieren oder Familienmitglieder von Guerilleros, die seit Jahren in den Bergen kämpfen. Wer für den Frieden ist, der gilt automatisch als Sympathisant der Guerilla. Während in Havanna Friedensgespräche zwischen der FARC-EP und der Regierung stattfinden, der Staat große Geldsummen für den Schutz von ihren wichtigen Personen oder strategisch wichtigen Gebieten ausgibt, werden die einfachen Menschen und Aktivisten mit dem Leben bedroht. Immer wieder, aktuell aus Catatumbo, Cesar oder Caquetá, tauchen Berichte oder Videos von Übergriffen der staatlichen Sicherheitskräfte auf Menschen und Aktivisten auf.

Einige Nichtregierungsorganisationen haben Zahlen veröffentlicht, wonach bereits in den ersten drei Monaten des Jahres 2013 fünfzehn Aktivisten aus bekannten linken Organisationen ermordet wurden, drei mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres zuvor. Gegen 20 weitere Aktivisten wurden Drohungen gerichtet. Nicht mitgerechnet sind die Opfer der Guerilla, der unabhängigen Aktivisten innerhalb der Gewerkschaften und jene, die sich aus Angst vor weiteren Bedrohungen nicht öffentlich äußern. Obwohl die Regierung Sicherheitsgarantien beteuerte, hören die Morde und Angriffe nicht auf. Besonders in den Gebieten der ländlichen Großprojekte und im Einflussbereich der transnationalen Konzerne zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcenwerden immer wieder Drohungen und Angriffe durch die extreme Rechte, paramilitärische Gruppen und den staatlichen Sicherheitsorganen bekannt. 

08 Juli 2013

Die Ausbildungszentren der FARC-EP


Seit dem Bestehen der FARC-EP gibt es Bestrebungen, ihre Kämpfer und Kämpferinnen politisch und militärisch zu schulen. Schon frühzeitig wurden diese Bestrebungen umgesetzt, doch erst seit den 1980er Jahren entstanden im ganzen Land Ausbildungszentren, in denen professionelle Schulungen und Kurse abgehalten wurden.

Auch wenn in Zeiten der Militarisierung des Landes und der zunehmenden Operationen von staatlichen Sicherheitskräften sowie angesichts der technologischen Überlegenheit der Waffensysteme des Staates die Guerilla mehr um ihre Sicherheit fürchten muss, als noch vor 20 Jahren, so spielt die Bildung und Ausbildung von Bevölkerung und Guerilleros weiterhin eine große Rolle. Viele der Schulen und Ausbildungszentren befinden sich nicht mehr in den großen Camps der FARC-EP, sondern werden mehr oder weniger geheim und gut versteckt in den ländlichen Regionen des Landes betrieben, in denen die Guerilla eine große soziale Basis hat und sie unter der Bevölkerung solidarische und gleichgesinnte Leute findet. So gibt es weiterhin Unterricht und Alphabetisierungskampagnen für die Landbevölkerung, aber auch Basis- und Spezialkurse für Guerilleros der FARC-EP.

Dass die Bildung und Ausbildung  im alltäglichen Leben eines Guerilleros groß geschrieben wird, zeigt nicht nur die täglich durchgeführte kulturelle Stunde am Abend eines jeden Tages, sondern die weitreichende Auseinandersetzung mit politischen, sozialen und kulturellen Themen in der Ausbildung. Aktuell werden besonders im Rahmen der Friedensgespräche die Vorschläge von der Friedensdelegation der FARC-EP und der Regierung erörtert, diskutiert und gegeben falls ergänzt. Im Zuge dessen wurde auch die politische Arbeit mit der Bevölkerung erhöht. In mehr oder wenigen offenen und großen Versammlungen werden in den Dörfern die verschiedenen Meinungen und Vorschläge ausgetauscht, sowie die Bevölkerung über den aktuellen Stand informiert. Leider ist es in Kolumbien so, dass die Massenmedien recht einseitig und regierungsnah über die Ereignisse während der Friedensverhandlungen berichten.

Organisationen, die sich mit dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien beschäftigen, gehen in der Vergangenheit von mindestens neun großen bekannten Ausbildungszentren in Kolumbien aus. Die meisten Zentren entstanden in den 1980er Jahren, als die Guerilla schnell wuchs und die Ausbildung ein wichtiger Bestandteil innerhalb der Guerilla wurde. Besonders in den historischen Einzugsgebieten der FARC-EP, wie in Zentralkolumbien, im Osten des Landes oder im Magdalena Medio waren diese angesiedelt. Die meisten befanden sich in den Schlüsselregionen von La Macarena (Meta) und in San Vicente del Caguán (Caquetá).  Auch heute noch werden Ausbildungszentren von der FARC-EP am Leben erhalten, denn die Ausbildung und Schulung spielt weiterhin eine wichtige Rolle im Leben der Guerilla.

Die Kurse der Guerilla sind höchst unterschiedlich. Es gibt Kurse für Sprachen, Geschichte und Kultur, also Kurse, die sich mit der Allgemeinbildung beschäftigen. Ein Teil der Guerilleros kommt aus ärmlichen Verhältnissen vom Land, wo die Bildung keine Rolle gespielt und der Staat keine Investitionen in das Bildungssystem unternommen hat. Auf der anderen Seite werden Kurse und Schulungen speziell für das Leben in der Guerilla angeboten. Diese haben meist einen politischen und militärischen Charakter. Es wird taktisches Verhalten gelehrt, der Umgang und die Herstellung von Waffen bzw. Waffensystemen geübt und es gibt Kurse zur Aufklärung. Des Weiteren werden Schulungen zur politischen Ideologie des Sozialismus, zum Bolivarismus, zum Rechtswesen und zur politischen Arbeit mit der Bevölkerung abgehalten.

Hinzu kommen Spezialkurse für Guerrileros, die sich in einem bestimmten Fachgebiet verorten bzw. verorten wollen. Dazu zählen Personen, die in den Sanitätsbrigaden tätig sind und vorrangig auf dem Land unterwegs sind, um die Bevölkerung medizinisch zu versorgen und Präventionsmaßnahmen zu leisten. Auch im kulturellen Bereich gibt es Ausbildungsangebote. Mittels von Liedern oder Theaterstücken können leicht politische Inhalte transportiert und der Kontakt zur Bevölkerung gehalten werden. Alle Kurse und Schulungen haben gemein, dass die Ideen und Schlussfolgerungen der Guerillakonferenzen und des Sekretariats des Zentralen Generalstabs diskutiert werden und politische Themen aus Kolumbien und der ganzen Welt in die Diskussionsrunden miteinbezogen werden. Je nach Themengebiet können die Kurse von einem bis zu acht Monate dauern.

Die Schule „Isaías Pardo“ wurde im Juni 1984 gegründet und befand sich an der Grenze der Region La Macarena (Meta) zur Region Cartagena del Chaira (Caquetá). Diese Schule nutzte man hauptsächlich zur Ausbildung von Führungspersonen und Kommandierenden der militärischen Einheiten im östlichen und südlichen Militärblock. „Isaías Pardo II“ war eine weitere Schule selben Namens, war aber in der Region von San Vicente del Caguán (Caquetá) und wurde während der späten 1990er Jahre erbaut. Sie diente der politischen und militärischen Schulung von Guerilleros. Mehrere Hundert Personen durchliefen die Angebote des Bildungszentrums. Im April 2012 wurde die Schule und Teilnehmende höheren Ranges eines gerade stattfindenden Kurses durch einen Militärangriff getötet.

Ebenfalls im Jahr 1984 wurde das Ausbildungszentrum „Hernando González Acosta“ durch die Oberkommandierenden der Guerilla gegründet. Die Schule befand sich in La Macarena (Meta) an der Grenze zur Region San José del Guaviare. Aufgrund der Lage wurden hauptsächlich Guerilleros aus dem südlichen und östlichen Militärblock geschult. Auch in diesem Ausbildungszentrum, das man für politische und militärische Schulungen nutzte, durchliefen sowohl Kader als auch Guerilleros. Die Schule „Hernán Murillo Toro“ hingegen befand sich in der Region Tolima (Zentralkolumbien), entstand 1997 und hatte mehrere Ausbildungsstätten auf verschiedene Dörfer verteilt. Sie war Bestandteil des zentralen Militärblocks der FARC-EP. In ihr fand ein sechsmonatiger Basiskurs für Guerilleros, aber auch Sport-, Erste Hilfe- und Kartografiekurse statt. Für erfahrene Guerilleros gab es Spezialausbildungen für Kämpfe in den Bergen und im offenen Gelände. Hinzu kamen Kurse zur Spionage, politischen Massenarbeit und Rekrutierung zukünftiger Kämpfer, die ebenfalls sechs Monate dauerten. 2005 wurden einige Ausbildungscamps durch das Militär zerstört. 

Weitere wichtige Schulen befanden sich im Norden Kolumbiens, die unter der Kontrolle des Blocks Magdalena Medio standen. Ein weit verzweigtes Netz von Zentren befand sich unter anderem in den Regionen Antioquia, Bolívar, Norte de Santander und Santander. Viele der Schulen hatten Namen, die sich auf die indigene und kolumbianische Kultur beriefen. So hieß zum Beispiel eine Schule in Antioquia „Cacique Pipatón“, nach einem lokalen Anführer der Indígenas. Auch in den Montes de María oder in Catatumbo, beides historische Widerstandsregionen der Guerilla, errichtete die aufständische Bewegung Ausbildungszentren. Die meisten Schulen dienten politischen und militärischen Basiskursen, die zwischen einem und vier Monaten dauerten. Bekannt war ein Ausbildungszentrum in La Esperanza (Norte de Santander), in welchem Kurse zu Funk- und Radiotechnik angeboten wurden.