26 März 2012

Solidarität mit Hungerstreikenden

Seit einigen Tagen gibt es einen landesweiten Hungerstreik in den kolumbianischen Gefängnissen. Im folgenden wird versucht, einen kurzer Überblick über die Situation zu geben. 


Seit Jahren gibt es in Kolumbien die politische Streitfrage, ob es politische Gefangene gibt oder nicht. Während nationale und internationale politische, soziale und aufständische Bewegungen betonen, dass es politische Gefangene und Kriegsgefangene in Kolumbien gibt, negiert die Regierung dies und behauptet, es gäbe keinen politischen Konflikt in Kolumbien sondern nur Terror von kriminellen Banden. Den politischen, sozialen und aufständischen Bewegungen wird somit der politische Anspruch abgesprochen.

In Kolumbien gibt es bis zu 9500 politische Gefangene und Kriegsgefangene. Der geringere Teil davon sind Gueriller@s, der größere Teil kommt aus den politischen und sozialen Bewegungen. Seit geraumer Zeit gibt es auch Versuche von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen, die Gefängnisse zu besuchen um über die Situation der Gefangenen aufzuklären. Bisher haben dies Regierung und die Haftanstalten verhindert.

Die Gefangenen beklagen schwere Verstöße gegen die Menschenrechte, Bedrohungen, Schläge und Gewalt gegen die politischen Gefangenen, ein fehlendes Gesundheitssystem, unhygienische Zustände, keinen rechtlichen und sozialen Beistand sowie Überbelegung, die sich zum Beispiel in folgenden Zahlen ausdrückt. So wurden im Jahr 2011 55112 neue Gefangene aufgenommen während nur 19231 Personen das Gefängnis verlassen konnten.

Am 26. Februar gab es eine Konferenz („Kolumbien hinter Gittern“), die die Agenda der politischen Gefangenen und deren miserabler Situation thematisierte. Hier wurde eine internationale Kommission gegründet. Schon im letzten Jahr initiierte eine Organisation von im öffentlichen Leben stehenden Frauen mit den FARC-EP die Vereinbarung für die einseitige Freilassung von Gefangenen, um somit den Prozess der Anerkennung der politischen Gefangenen zu beschleunigen. Am 28. Februar wurde bei einem Treffen mit dem Justizminister der Besuch einer Kommission in den Haftanstalten vereinbart, die er aber später ohne Begründung wieder zurücknahm.

Das Sekretariat der FARC-EP gab schließlich kurze Zeit später die Freilassung von 10 Kriegsgefangenen bekannt, verlangt aber dafür auch die Bestätigung zum Besuch einer humanitären Kommission in den Haftanstalten. Auch die politischen und sozialen Bewegungen erhöhten den Druck, um den Besuch zuzulassen und den Fakt und Status der politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen anzuerkennen. Die Antwort der Regierung war Zynismus und die Bekräftigung für eine Nichtlösung des Problems.

In Kolumbien hat die herrschende Oligarchie, also die Großgrundbesitzer, Unternehmer, korrupte Politiker und transnationale Konzerne, ein Rechts- und Repressionssystem festgelegt, mit denen sie ihre Interessen schützen und gewährleisten will. Es will die Vormachsstellung im immer weiter zunehmenden Kampf der Bevölkerung wahren und versucht dies durch extralegale Wege, Paramilitärs, durch einen „schmutzigen Krieg“, Repression und Medienpropaganda durchzusetzen. Das Aufbegehren dagegen und das Kämpfen für Gerechtigkeit wird als Terrorismus oder kriminelles Bandentum abgetan.

Um den Kampf nach außen zu tragen und um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, beschlossen am 19. März mehrere Hundert Gefangene am folgenden Tag in den Hungerstreik zu gehen. Die Hungerstreikenden verteilten sich auf folgende Gefängnisse:

1. Das Hochsicherheitsgefängnis von Combita,
2. das Gefängnis mittlerer Sicherheit El Barne,
3. das Gefängnis La Picota in Bogotá
4. das Gefängnis ERON La Picota in Bogotá,
5. das Gefängnis in Palmira,
6. das Hochsicherheitsgefängnis in Girón,
7. das Hochsicherheitsgefängnis in La Dorada,
8. das Gefängnis in Quibdó,
9. das Hochsicherheitsgefängnis La Tramacúa in Valledupar,
10. das Hochsicherheitsgefängnis Palo Gordo in der Region Santander,
11. das Gefängnis Villa Inés in Apartadó,
12. das Gefängnis in Girardot und
13. das Frauengefängnis El Buen Pastor in Bogotá.

Am 21. März kamen weitere über 60 Hungersreikende aus der Haftanstalt ERON La Picota in Bogotá dazu, so dass sich die Gesamtzahl auf über 600 Hungerstreikende erhöhte. Aktionen gab es zudem in anderen Gefängnissen des Landes, so dass deutlich mehr als ein Dutzend Haftanstalten beteiligt waren. Zwischendurch gab es Berichte und Erklärungen von politischen Gefangenen, die ihren Hungerstreik aufgrund des Gesundheitszustandes und der psychischen Situation beendet hatten.

Aktuell steht die Entscheidung der Regierung aus, den Besuch der internationalen Kommission in den Gefängnissen zuzulassen.

In einem Land wie Kolumbien trifft dieser Satz zu, der in einem dortigen Gefängnis in die Wand eingerizt war: Die Rebellion ist kein Verbrechen, sie ist ein Recht.


Anbei ein Kommuniqúe aus den ersten Tagen:

Die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen des Landes informieren die nationale und internationale Öffentlichkeit über die Entscheidung eines Aktes von Ungehorsam und eines Hungerstreiks mit der Forderung an die Regierung, die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen als ein Resultat des sozialen und bewaffneten Konflikts anzuerkennen, den unser Land erleidet. Außerdem fordern wir die Erlaubnis zur Überprüfung der aktuellen Situation der Gefangenen durch die internationale Kommission, begleitet durch die Organisation “Kolumbianer und Kolumbianerinnen für den Frieden.”

Wir glauben, diese Entscheidung ist ein Schritt auf diesem langen Weg, um Lösungen für unsere alltäglichen Probleme zu finden, die alle Gefängnisinsassen des Landes betreffen, die hygienischen Bedingungen, die Überfüllung, die rechtliche Situation, die Verletzung der Menschenrechte und vieles mehr.

An diesem nationalen Gefägniskampf beteiligen sich 17 Gefägnisse mit Unterstützung und angebotener Begleitung durch Nichtregierungsorganisationen und Massenbewegungen wie die Kooperation “Neue und bessere Wege aufbauend” (Corporación Construyendo Nuevos y Mejores Caminos – CNMC), die Koalition für die Freiheit der politischen Gefangenen (Coalición por la Libertad de las Prisioneras y los Prisoneros Políticos – Larga Vida a las Mariposas), die Fundation Band der Würde (Fundación Lazos de Dignidad), die Rechtsbrigade Eduardo Umaña Mendoza (Brigada Jurídica Eduardo Umaña Mendoza), das Solidaritätskomitee für die politischen Gefangenen, die Kommunistische Partei, der Unterbau der Partei Polo Democrático, Kolumbianer und Kolumbianerinnen für den Frieden, die Bauernbewegung, die Gewerkschaftsbewegung, die Studentenbewegung und verschiedene Solidaritätsdemonstrationen von verschiedenen politischen und anderen öffentlichen Organisationen aus aller Welt.

Mit dieser geplanten Aktion wollen wir gegenüber Kolumbien und der Welt zeigen, dass es in Kolumbien politische Gefangene und Kriegsgefangene gibt, die politisch engagiert für die soziale Veränderung und den politischen dialogbereiten Ausweg aus dem schweren Konflikt sind, der uns ausbluten lässt. Damit wollen wir bewirken, dass der Grundstein für eine Diskussion um das Thema des politischen Delikts in Kolumbien gelegt wird.

Wir sind bereit zu kämpfen in einer beständigen Auseinandersetzung, bis die Regierung und die Verantwortlichen der Gefängnisse unsere gerechten Einsprüche und Petitionen beschließen.

Wir fordern die Gefangenen, die Familien und sozialen Organisationen auf, uns zu begleiten bei der Errichtung einer Gefängnisbewegung im Land um den Kämpfe bis zum erreichten Ziel fortzuführen.


Politische Gefangene und Kriegsgefangene aus den Gefängnissen:

CÁRCEL DE ALTA SEGURIDA DE PALO GORDO GIRON - SANTANDER
PENITENCIARIA DE ALTA SEGURIDAD DOÑA JUANA- LA DORADA
CARCEL BELLAVISTA – MEDELLIN
CARCEL ANAYANSI DE QUIBDO – CHOCO
CARCEL EL RESPOSO SANTA ELENA - URABA
ERON BOGOTÁ
PENITENCIARIA LA PICOTA BOGOTA
CARCEL DE PALMIRA - VALLE
PENITENCIARIA EL BARNE - BOYACA
CARCEL LA VEGA SINCELEJO - SUCRE
CARCEL LAS MERCEDES MONTERÍA
CARCEL LA MODELO - BUCARAMANGA
CARCEL LA MODELO - CUCUTA
ERON CUCUTA – NORTE DE SANTANDER
RECLUSION DE MUJERES EL BUEN PASTOR - BOGOTA
CARCEL DE POPAYAN – VALLE DEL CAUCA
PENITENCIARIA DE ALTA SEGURIDAD ALTA - COMBITA
RECLUSION DE MUJERES EL PEDREGAL –MEDELLÍN
RECLUSION DE MUJERES DE JAMUNDÍ – VALE DEL CAUCA

25 März 2012

Mit Vorurteilen aufräumen!

Im folgenden Artikel soll versucht werden, Antworten auf typisch vorurteilsbehaftete Fragen in Bezug auf die kolumbianischen Aufständischen der FARC-EP zu geben. Der Frage-Antwortkatalog dient zum Hinterfragen der üblichen staatlichen Propaganda und der unreflektierten vorherrschenden Meinung und bietet eine andere Sichtweise über die Guerilla und den bewaffneten Konflikt in Kolumbien.


Warum und wofür kämpfen die FARC-EP?

Der Kampf der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee (FARC-EP) ist der des kolumbianischen Volkes und jener Lateinamerikas. Es ist die Antwort von unten gegen die systematische Repression und Gewalt von oben, der Oligarchie. Die FARC-EP suchen Alternativen wie demokratischen Zusammenleben mit sozialer Gerechtigkeit unter voller Ausübung der Souveränität des Landes. Dies bedeutet die politische und soziale Teilhabe der Bevölkerung hin zu den sozialistischen Werten einer Gesellschaft.
Die Gründe für den Kampf der FARC-EP sind immer noch die gleichen wie bei der Gründung im Jahr 1964. Seit dem ist die Repression, Unterdrückung und institutionalisierte Gewalt von oben nicht weniger geworden. Die Armut wurde nicht beseitigt, die Ausbeutung des Landes, der Ausschluss der Bevölkerung an Entscheidungen, an Teilhabe und Wohlstand und die Verletzung der Menschenrechte sind weiterhin aktuell.
Die armen Menschen, die einfachen Menschen, Arbeitende, Bauern, Frauen, Indígenas, Studierende und andere benachteiligte Gruppen haben keine Möglichkeit für ein Leben in Würde und mit Optionen auf grundlegende Verbesserungen. Ihre fundamentalen Rechte ergründen sich nur auf dem Papier, in der Realität jedoch interessieren sie niemanden. Die FARC-EP kämpfen für ein neues Kolumbien, an den bolivarischen, lateinamerikanischen und sozialistischen Werten orientiert. Deshalb wollen sie zusammen mit allen KolumbianerInnen die Macht erobern, um soziale Gerechtigkeit zu erreichen.


Ein Drogenkartell oder eine revolutionäre Organisation?

Die kolumbianische Oligarchie und die USA, hier insbesondere das Pentagon und die CIA, betonen ein ums andere Mal, dass die FARC-EP eine Drogenbande, ein Drogenkartell seien und keine kommunistische Guerilla. Aber ist es wirklich so? Was ist der Ursprung dieser Terminologie und der falschen Anschuldigungen, um die Aufständischen politisch zu delegitimieren?
Im November 1983 ordnete der General Luis Eduardo Roca Maichel (vom US-Militär ausgebildet) die Verlegung einer Einheit zur Aufstandsbekämpfung an, um die Beseitigung eines Drogenlabors zur Herstellung von Kokain durchzuführen, es aber anschließend an der brasilianisch-kolumbianischen Grenze wieder neu zu errichten. Diese Operation dauerte zwei Monate und wurde „Misión Rompedor 83“ getauft. Die dafür vorhergesehenen Flugzeuge kamen von der Basis in Apiay. Im März 1984 kam die ganze Geschichte heraus und wurde ein internationaler Skandal. Das Labor wurde entdeckt und als „Tranquilandia“ (ruhiges Land) bezeichnet. Nach dem die Generäle in frag anti dabei erwischt wurden versuchten sich diese herauszureden, dass das Labor der Guerilla gehöre, was aber vollkommen falsch war. Das politische Wochenmagazin „Semana“ zum Beispiel veröffentlichte Berichte, dass ihre Reporter absolut nichts gefunden hätten, was mit der Guerilla zusammenhängen könnte. Aber seit dem versuchen Offizielle aus Staat und Militär eine Verbindung zwischen Guerilla und einem Drogenkartell aufrecht zu erhalten.


Kommunistische Ideologie oder Drogen?

Es ist ungeheuerlich und eine Schande, einer politisch-militärischen Organisation, die sich auf kommunistische und bolivarische Ideale beruft, und die sich nach Marx, Lenin und Che Guevara richtet, als eine Drogenbande darzustellen, wie es viele Repräsentanten der kolumbianischen Politik tun.
Das es aber auch anders geht und vielseitige Meinungen über die FARC-EP vorherrschen, soll nicht unter den Tisch gekehrt werden. 1997, als es zu möglichen Gesprächen zwischen den FARC-EP und der Regierung des Präsidenten Samper kommen sollte, erklärte Daniel García Peña, Direktor einer Kommission um die Möglichkeiten von Friedensverhandlungen auszuloten, dass es falsch sei zigmal zu behaupten, die Guerilla sei ohne Ideale und entwickle sich zu einer Mafia-Organisation. Vielmehr handelt es sich um eine politisch-militärische Organisation, die den Krieg damit bezahlt, dass sie revolutionäre Steuern zum Beispiel auf die Ernte der Koka-Blätter erhebt, aber im Drogenhandel nicht tätig ist und den Anbau von Koka auch nicht fördert. Wenn es sich um ein Drogenkartell handeln würde, dann hätten sie keinen Rückhalt in der Bevölkerung und könnten auch keine großen politischen und militärischen Operationen durchführen. Dies sagt also jemand, der keine Sympathie für Bolívar, Marx oder Marulanda Vélez hegt.
Am 18. Mai 2003 erklärt der Sondergesandte des Sekretariats der Vereinten Nationen, James Lemoyne, dass das Rückgrat der größten Guerilla des Landes [also der FARC-EP] aus Personen besteht, die politisch engagiert und ideologisch gefestigt sind.
Dies sind nur zwei Beispiele von Personen, die die FARC-EP in einem anderen Licht sehen. Solche Denkweisen werden in den Medien aber nicht anzutreffen sein, weil sie die offizielle Doktrin kontrakarieren würden.


Anbau von Drogen, warum?

Die FARC-EP haben nie und werden nie die großen Drogenbosse verteidigen. Sie haben sogar bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Drogenbaronen gehabt, die meist auch Teil der kolumbianischen Oligarchie sind und deswegen auch von den FARC-EP mit Revolutionssteuern belegt worden sind. Aber die FARC-EP unterdrücken nicht die kleinen Bauern, die Drogen anbauen, weil sie verstehen, dass es soziale Ursachen hat und politische Lösungen von Nöten sind. Sie versuchen die Bauern davon zu überzeugen, andere Pflanzen anzubauen, zum einen, weil Nahrungsmittel in einigen Gegenden knapp und teuer sind, zum anderen sind die FARC-EP selbst natürlich auch von essbaren Nutzpflanzen abhängig.
Die FARC-EP schlagen deshalb vor, das Problem in einer umfassenden Art und Weise zu lösen. Ihr Vorschlag zielt darauf, die sozialen Bedingungen des Konsums von Drogen zu verändern, die in einer Sucht enden können. Um den Konsum in der kolumbianischen Jugend positiv beeinflussen zu können, schlagen sie Aufklärungskampagnen und systematische und langfristige Bildung vor. Dafür haben sie zum Beispiel Aufklärungs- und Lehrvideos für das Internet produziert, in denen Guerilleros und Guerilleras Jugendliche gleichen Alters auf dem Land aufklären. Die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen soll durch Bildung und Aufklärung gemindert werden.
Weiterhin haben die FARC-EP spezielle Projekte für die Ersetzung von Pflanzen zur Herstellung von Drogen durch Nutzpflanzen erarbeitet. Der Vorschlag sieht vor, dass arme Bauern vom Land andere rentable Pflanzen wie Kautschuk oder Kakao anbauen. Hierfür ist aber staatliche und internationale Hilfe erforderlich. Doch nicht nur mit den Bauern, auch der international gestiegene Konsum in anderen Ländern auf der einen Seite und die repressive Politik der USA, den Kokaanbau ohne Alternativen zu vernichten, sind Punkte, die einer Klärung bedürfen.


Kriminelle oder Aufständische?

Zusammen mit den revolutionären Steuern, die die FARC-EP an die kolumbianische Bourgeoisie erheben, um den revolutionären Kampf zu finanzieren (dazu gehört auch der Kauf von Waffen, Munition und Kommunikationsmitteln), leben die KämpferInnen von ihrer eigenen Arbeit. Sie selber produzieren, züchten, und ernten den größten Teil ihrer Nahrung, stellen die Uniformen selber her, waschen ihre Kleidung, bereiten die Nahrungsmittel selber zu, machen notwendige Reparaturen und bauen ein ums andere Mal ihre mobilen Camps auf und ab. Die FARC-EP leben nicht auf den Kosten der Bauern. Jedes Mal, wenn eine Leistung von den Bauern in Anspruch genommen wird, dann wird der Bauer oder die arbeitende Person auch bezahlt.
So genießen sie Ansehen und Respekt bei den ärmeren Bevölkerungsschichten, weil sie im Gegensatz zu Armee, Polizei oder Paramilitärs, die häufig benötigte Dinge einfach entschädigungslos akquirieren, für eine Leistung bezahlen und so die Arbeit und die Menschen wert geschätzt werden.
Wie kann die kolumbianische Regierung den Krieg aufrechterhalten? Wie finanzieren sich die staatlichen Streitkräfte? Wie werden ihre Waffen gekauft? Auf zweierlei Wegen: Durch direkte Unterstützung und Investitionen aus den USA oder durch die Steuern, welche Pflicht für jede kolumbianische BürgerIn sind und die sie Monat für Monat und Jahr für Jahr zahlen müssen. Wer die Steuern nicht zahlt, muss mit Konsequenzen rechnen, verliert seine Wohnung, verliert den Zugang zu den öffentlichen Dienstleistungen oder kommt ins Gefängnis. Und alle halten es für normal und niemand fragt, warum man Monat für Monat dafür bezahlt, dass Soldaten oder Polizisten Menschen töten.


Die FARC-EP: Eine kommunistische Guerilla?

Der militärische Sicherheitsdienst aus Kolumbien und die Komplizen aus den USA versuchen die FARC-EP als Gangster, Mafiosi und Drogenhändler darzustellen. Doch die FARC-EP sind weit davon entfernt, eine Bande von Gesetzlosen und Kriminellen zu sein, eine Bande, die entpolitisiert ist und keine Prinzipien hat. Die FARC-EP sind auch keine bewaffnete Gruppe, die durch den Durst nach Gewalt und Adrenalin gelenkt werden, wie sie in einigen Filmen aus Hollywood dargestellt werden. Im Gegensatz zu diesen Legenden gilt in der Guerilla eine verbindliche Norm für alle KämpferInnen. Diese Norm ist im Statut und im Reglement festgelegt und beinhaltet auch Sanktionen für alle Angehörigen der FARC-EP.
Wenn die FARC-EP über das Statut diskutieren, abstimmen und es schließlich verabschieden, dann beabsichtigen sie damit nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Stärkung der revolutionären Organisation. Im Statut werden die ideologischen Grundlagen für den politisch-militärischen Kampf formuliert. Diese Grundlagen verstehen sich in der Tradition von Bolívar und  Marx, aber auch orientiert an Marulanda Vélez und Lenin. Das Statut der Aufständischen definiert außerdem die Struktur der Organisation, das interne Wirken der Zellen (die FARC-EP verstehen sich als eine kommunistische Partei unter Waffen), genau wie die Rechte und Pflichten eines Kämpfers und Disziplinlosigkeit vermeiden zu können.


Wie finanziert sich eine revolutionäre Volksarmee?

Der kolumbianische Staat finanziert seinen Krieg gegen die Aufständischen mit militärischen Investitionen aus den USA (Kolumbien ist das Land mit dem dritthöchsten Anteil an Militärhilfe aus den USA weltweit und die Nummer Eins in Lateinamerika) und mit dem Auferlegen von Steuern an die kolumbianische Bevölkerung. So gesehen bezahlt die Bevölkerung den Bürgerkrieg und hält den Staat aufrecht, der sich die Aufstandsbekämpfung als oberste Staatspflicht auf die Fahnen geschrieben hat.
Wie finanziert sich nun eine revolutionäre Volksarmee, die jahrzehntelang einen Krieg gegen die Oligarchie führt? Ein langer Krieg, in dem die Aufständischen eine soziale Funktion ausüben und befreite Gebiete schaffen, die denen von selbständigen Staaten gleichen, hat das Problem der Finanzierung. Die Aufständischen der FARC-EP versuchen die Reichen bzw. die Oligarchie dort anzugreifen, wo es ihnen am meisten weh tut, bei ihren Finanzgeschäften und prallgefüllten Bankkonten. Die Revolutionssteuern sind ein beträchtlicher Teil der Einnahmen der Guerilla. Andere Quellen der Finanzierung sind geheime Projekte innerhalb der verschiedenen Zweige der nationalen Wirtschaft. Hinzu kommen andere Möglichkeiten wie Gewinnbeteiligung an Firmen von Sympathisanten und UnterstützerInnen oder Spenden.


Terroristen oder Revolutionäre?

Dieselbe kolumbianische Machtclique, die verantwortlich ist für mehr als 300.000 Tote und Verschwundene und für mehrere Millionen Vertriebene, nennt  soziale Bewegungen, die FARC-EP und jene, die für ihre Rechte kämpfen, Terroristen. Nach ihrer Ideologie nennen sie den Krieg und die Aufstandsbekämpfung, also die systematische staatliche Gewalt, eine Befriedung des Landes. Die Antwort der Bevölkerung von unten gegen die da oben nennt sie Terrorismus.
Eine neue Bedeutung hat dieses Wort mit dem 11. September 2001 bekommen, als weltweit der Kampf gegen den Terror ausgerufen wurde und auch in Kolumbien der Vorwand genutzt wurde, um sozialen und politischen Protest zu delegitimieren und den Kampf dagegen zu rechtfertigen.
So wurden die FARC-EP im Zuge des 11. September 2001 auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt und der politische Anspruch der Organisation negiert. Mit stetiger Propaganda soll der kolumbianischen Bevölkerung suggeriert werden, die Revolutionäre der FARC-EP seinen Terroristen. Die internationalen Medien übernehmen meist vorbehaltslos die Meldungen der kolumbianischen Medien. Dass die Guerilla eine Konsequenz der sozialen und politischen Probleme des Landes ist und sie in der Bevölkerung durchaus verankert ist, wird außen vorgelassen.

19 März 2012

Freilassung kann beginnen

In einem von den FARC-EP veröffentlichten Kommuniqué erklären sie sich bereit, mit dem Prozess der Freilassung zu beginnen. Die Aufständischen sind nun bereit, die Freilassung an zwei verschiedenen Tagen durchzuführen. In einem zweiten Punkt verlangen sie von Präsident Santos, den Besuch einer Menschenrechtskommission in den kolumbianischen Gefängnissen zuzulassen, um den Zustand der politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen begutachten zu können. Zuvor wurde einer Kommission mehrmals der Besuch verwehrt. Die Freilassung soll noch vor dem 3. April erfolgen.

Unterdessen geht der bewaffnete Konflikt in Kolumbien weiter. Am Sonnabend Nachmittag starben bei einem Angriff der FARC-EP auf eine Militärpatrouille in der Region Arauca 11 Soldaten. Der Angriff der 10. Front der FARC-EP gehört damit zu den größten Schlägen gegen das kolumbianische Militär.
In der Region Chocó sollen nun zusätzliche Soldaten verlegt werden. Hier konnten die FARC-EP in den letzten Monaten ebenfalls ihre Schlagkraft unter Beweis stellen.

Link zum Kommuniqué der FARC-EP

15 März 2012

Ist Frieden möglich?

Es schien so, als wäre mit der Ankündigung der FARC-EP, alle Kriegsgefangenen freizulassen und zukünftig die Entführungen beenden zu wollen, die Zeit reif für einen neuen Dialog zwischen Aufständischen und Regierung. Doch es mehren sich die Zeichen, dass die Regierung weiterhin kein Interesse an Frieden für den jahrzehntelangen Konflikt hat.


Das Sekretariat des Zentralen Generalstabs der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC-EP) informierte in einem Kommuniqué über die Freilassung der letzten 10 Kriegsgefangenen in den kommenden Tagen, die sich noch in ihren Händen befinden.
Diese Nachricht wurde mit einiger Verwunderung in Washington und in Europa aufgenommen und war Gegenstand mehrerer Spekulationen.

Es war bekannt, dass die ausgeklügelten elektronische Hilfsmittel der kolumbianischen Luftwaffe, die durch das Pentagon zur Verfügung gestellt werden, es jetzt einfacher machen, die mobilen Camps der FARC-EP in den Bergen und im Dschungel genau zu lokalisieren, in denen sich die letzten Kriegsgefangenen befinden.

Gleichzeitig wurde Verrat durch die Regierung in Bogotá ermöglicht, die Belohnungen von Millionen Dollar anboten, für Informationen und Auslieferungen von Gefangenen und Befehlshabern der Guerilleros an das Militär. Ingrid Betancourt gilt als prominentes Beispiel von vielen anderen, bei denen riesige Geldsummen geflossen sind.

Die Erklärung, zukünftig auf Entführungen in Bezug auf das Eintreiben der Revolutionssteuer zu verzichten, schürte ebenfalls verschiedenartige Kommentare und Behauptungen in den Medien. Einige sehen mit dieser Erklärung die FARC-EP kurz vor ihrem drohenden Untergang. Es sei noch einmal daran erinnert, dass dieser drohende Untergang der FARC-EP in den letzten Jahrzehnten zu einer Dauerschleife in den Medien wurde.

Sicher, die FARC-EP erlitten schwere Schläge in den letzten Jahren. Mit der Militarisierung des Landes und den Militärprogrammen der Regierung Uribe, und aktuell unter Santos, verloren die FARC-EP ein Teil ihrer KämpferInnen, wichtige Kommandierende wie Raúl Reyes, Mono Jojoy und Alfonso Cano, aber auch Strukturen wie einige Kampffronten, hier insbesondere jene in Cundinamarca, Boyacá und die städtische Front „Antonio Nariño“ in Bogotá. Aber ein halbes Jahrhundert sozialer Kämpfe in den Bergen, Wäldern und Dörfern und Städten eines Landes sind nicht sofort auszulöschen. Heute, nach mehr als 48 Jahren des bewaffneten Kampfes in Kolumbien und nach einer Änderung ihrer Strategie hin zu den Grundwerten der Guerilla mit Schwerpunkten in der sozial-politischen Basisarbeit, hat sich die Guerilla konsolidiert, sie verfügen über mehr als 10000 KämpferInnen und haben Einfluss in einem Fünftel der insgesamt 1100 kommunalen Gemeinden im gesamten Land und eine kontinuierliche Präsenz in 18 der 32 Departamentos.

Und wiederholt haben die FARC-EP, und jetzt kommen wir auf das Kommuniqué zur Freilassung der Kriegsgefangenen und zur Einstellung der Entführungen zurück, der Regierung die Notwendigkeit vorgeschlagen, Wege nach einem friedlichen Ende des Konflikts zu suchen. Der Schritt der einseitigen Freilassung aller Kriegsgefangenen und die Einstellung der Entführungen zum Eintreiben der Revolutionssteuer können daher als große symbolische und ernsthafte Geste angesehen werden, bestimmte Forderungen der Regierung zu erfüllen, die diese als Vorbedingung für die Möglichkeit von Gesprächen ansieht. 

Auch die kolumbianische Gesellschaft mobilisiert mehr und mehr für eine Dialog-Lösung als zu einem Hochrüsten. Militärisch, so scheint es, kann die Guerilla nur schwerlich geschlagen werden. Dafür ist sie in vielen Regionen des Landes zu sehr Teil der Bevölkerung. Doch lässt sich die Regierung von Juan Manuel Santos, nach den gescheiterten Versuchen von San Vicente del Caguán (1998-2002), noch einmal dazu hinreißen?

Ein Dialog würde die Gleichbehandlung der FARC-EP als einen politischen Partner bedeuten. Dies steht jedoch konträr zur aktuellen Politik der Regierung, die die FARC-EP als Drogenterroristen darstellen und ihr jegliche politische und soziale Programmatik abzusprechen. Zuletzt konnte jenes Phänomen bei der missglückten Befreiung von Kriegsgefangenen aus den Händen der FARC-EP im November letzes Jahr beobachtet werden. Diese Scheuklappenpolitik steht also im Widerspruch zur Politik eines dialogfördernden Weges.

Andere befürchten während der Friedensverhandlungen eine Stärkung der FARC-EP, sowohl auf militärischer, als auch auf politisch-anerkannter Ebene. Genau wie die Regierungen, haben auch die FARC-EP Phasen von Gesprächen genutzt, um sich neu zu organisieren und aufstellen zu können. Die in Friedensgesprächen meist einhergehende Waffenruhe sorgt dafür, dass die FARC-EP in ihren Basen und Camps keine vorsätzliche Angst vor dem Militär zu haben braucht und Verschiebungen vornehmen oder ihre Basen und Camps weiter ausbauen kann. Auf politischer Ebene wären die FARC-EP nun in der Lage, ganz legal und offiziell Kontakt zu den sozialen Bewegungen halten zu können. Schon jetzt, wo in Kolumbien die sozialen Bewegungen stetig an Kraft gewinnen, spielen die FARC-EP eine große Rolle um Kontakt und Einfluss. Will die Regierung diese Kraft, die gegen sie gerichtet ist, weiter ausbauen?

International gibt es derzeitig so viele Möglichkeiten wie noch nie, um eine Unterstützung für eine politische Lösung des Konflikts zu bekommen. Mit Correa, Chávez, Morales, Ortega oder Rouseff stehen einige in der Schlange, die sich zum Konflikt geäußert haben und denen es ideologisch zu Gute kommen würde, wenn der Konflikt politisch und friedlich gelöst werden würde. Santos hat es immerhin geschafft, das Verhältnis zu seinen Nachbarländern glätten zu können. Doch innenpolitisch lässt er sich nicht in die Karten schauen und nur mit Zähne knirschen darf Brasilien mit dem Internationalen Roten Kreuz als neutraler Vermittler bei der Freilassung der Kriegsgefangenen aktiv werden.

Eine ernsthafte Lösung des Problems seitens der Regierung darf bezweifelt werden. Mit immer neuen halboffiziellen und eigentlich auch kaum einlösbaren Forderungen an die Guerilla, ihr gleichzeitig im Ton aber unverändert diskriminierend gegenüber, wird man keine offenen Ohren gewinnen können.  Im Gegenteil, bisher zeigen einzig und allein die Aufständischen ihr Bekenntnis zu eventuellen Friedensgesprächen, während die Regierung gute Miene zum bösen Spiel zeigt. Frieden wird im Land offensichtlich nicht gebraucht.

08 März 2012

Zum Internationalen Frauenkampftag

Zur Ehrung an die glorreichen Kämpferinnen, Mitglieder und Unterstützerinnen in der Guerilla, in den Milizen, in der Klandestinen Kommunistischen Partei Kolumbiens (PCCC), im Movimiento Bolivariano und an die Kriegsgefangenen und politischen Gefangenen in den Knästen Kolumbiens und anderswo.

01 März 2012

Piedad Córdoba: Historischer Moment der FARC-EP


Piedad Córdoba, Ex-Senatorin Kolumbiens und Menschenrechtsaktivistin, betont auf dem Kongress "Kolumbien hinter Gittern" den einzigartigen Schritt der FARC-EP, alle Kriegsgefangenen ohne Bedingungen freizulassen und bemängelt zugleich die Situation der Opposition und der politischen Gefangenen in Kolumbien.