Vor den Wahlen zur Legislative am 9. März und den
Präsidentschaftswahlen am 25. Mai dieses Jahr wird Kolumbien von antidemokratischen
Ereignissen und einer Welle der Gewalt und gegen oppositionelle Gruppen und
Parteien überschattet. Neuester Vorfall ist der Attentatsversuch gegen die
linke Präsidentschaftskandidatin der Unión Patriótica Aída Avella in Arauca.
Ihr Wahlkampfteam wurde mit Maschinengewehren angegriffen. Erst 2013 kehrte
Avella nach Kolumbien zurück. Sie lebte 17 Jahre im Exil außerhalb des Landes,
nachdem sie bereits schon einmal ein Attentatsversuch überlebte. Seit ihrer
Rückkehr wurde sie mehrmals von paramilitärischen Gruppen wie den „Los
Rastrojos“ bedroht.
Doch dieser Attentatsversuch ist kein Einzelfall. Immer
wieder werden Bauern, Gewerkschafter und Anführer von sozialen und politischen
Bewegungen bedroht oder ermordet. Auch die ehemalige linke Politikerin Piedad
Córdoba, die sich stets für einen Dialog und Verhandlungen mit der FARC-EP
aussprach, wurde wiederholt bedroht und ihre Familie angegriffen. Dabei wurde
ein Familienmitglied der Rechtsanwältin, Politikerin und
Menschenrechtskämpferin durch rechte Paramilitärs im Nordwesten Kolumbiens
getötet. Piedad Córdoba war bis 2010 Senatorin, musste dann aber alle ihre
politischen Ämter nach einem Prozess wegen Vermittlungsbemühungen zwischen der
kolumbianischen Regierung und der FARC aufgeben.
Wegen einem anderen Vorfall bereitet sie derzeit eine
Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und bei der Menschenrechtskommission vor. So
hat das kolumbianische Militär elektronische Daten der Regierung und der FARC
während der aktuell laufenden Friedensverhandlungen ausspioniert. Die
Spionagetätigkeiten des Militärs wurden bei Recherchen der Zeitschrift Semana
entdeckt und veröffentlicht. Die Regierung verneinte einen Zusammenhang mit den
Ereignissen und leitete Untersuchungen ein. Mehrere hohe Armeefunktionäre,
darunter der Geheimdienstchef der Armee, mussten bereits ihre Ämter aufgeben. In
einer Zentrale im Hauptstadtviertel Galerías spionierte eine Gruppe von
Militärangehörigen unter anderem Emails, elektronische Daten und Telefongespräche
aus. Noch wird untersucht, wer die Auftraggeber sind. Die FARC jedenfalls
bezichtigen Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, der ein erklärter Gegner des
Friedensprozesses ist. Außerdem wird das Militär derzeit von einem Korruptionsskandal
überschattet.
Die anhaltende Gewalt und die antidemokratischen
Ereignisse, hier nur einige Beispiele aufgeführt, zeigen deutlich, dass das
politische Klima alles andere als friedfertig und partizipativ ist. Wie soll
man den Menschen erklären, dass eine Guerilla wie die FARC-EP die Waffen
niederlegen soll, wenn im ganzen Land Oppositionelle bedroht und ermordet
werden? Wie soll eine politische Beteiligung der Menschen geschehen, wenn sie
in permanenter Angst leben müssen? Solange die Bedingungen für eine politische
Beteiligung nicht gegeben sind, braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn
die Guerilla alle Friedensabsichten der Regierung mit Vorsicht betrachtet und
viele ihrer Guerilleros die Waffen als Schutz vorerst nicht ablegen werden. Die
Beteiligung des Volkes ist die einzige Garantie, so die Friedensdelegation der
FARC-EP nach der 20. Gesprächsrunde mit der Regierung.