06 Februar 2014

Zur Präsidentschaft von Santos


Die erste Amtszeit von Juan Manuel Santos neigt sich langsam dem Ende zu. Dabei verfolgte er eine neue Politik mit alten Zielen, durch einige Veränderungen wollte er erreichen, dass sich nichts verändert. Denn die Schicht, die bisher die politischen und ökonomischen Geschicke des Landes leitete, soll auch weiterhin die Führungsrolle innehaben und diejenigen, die diese Politik kritisieren und aufbegehren, sollen durch repressive Maßnahmen kaltgestellt werden. 

Seit dem Amtsantritt von Präsident Juan Manuel Santos versuchte er und seine Regierung einen bürgernahen und weniger konfrontativen Weg einzuschlagen, wie sein Vorgänger und Hardliner Álvaro Uribe. Er wollte den Dialog mit den sozialen Bewegungen suchen und für grundsätzliche Veränderungen in der Politik sorgen. Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Auftreten von Santos auch merklich gegenüber dem von Uribe. Zwar war Santos unter Uribe der Verteidigungsminister und damit maßgeblich an den Militärschlägen gegen Guerilla und Zivilbevölkerung beteiligt, doch trat er aus dem Schatten des Großgrundbesitzers und Parapolitikers Uribe hervor und sorgte mit einer Verbesserung der diplomatischen Beziehungen zu den Nachbarländern, politischen Reformen und Friedensverhandlungen mit der FARC-EP für ehrgeizige Ziele. Schnell entpuppte sich aber auch, dass sich für die politischen und sozialen Bewegungen im Land, sowie für die Guerilla die Bedingungen nur minimal zum Positiven verändert hatten, denn die Ziele standen im Blickpunkt einer neoliberalen Zielsetzung, wie dem Abschluss eines Freihandelsabkommens mit verschiedenen Ländern und einer Politik, um künftigen Investoren die Türen zu öffnen. Ideen, die sich mit Gerechtigkeit im Allgemeinen, den Arbeits- und Lebensbedingungen, politischer Teilhabe und der Entschädigung von Opfern der institutionellen Gewalt beschäftigten, waren hierbei fehl am Platz.

Doch nicht nur dieses leicht fühlbare Klima der Entspannung, sondern eher die neoliberale Ausrichtung der Politik, sorgten für das zahlreiche Entstehen von sogenannten populären Bewegungen. Auch wenn sich Statistiken der Medienmonopole damit rühmten, dass Kolumbien zu den glücklichsten Ländern der Welt gehört, auch wenn die Hälfte davon in Armut lebt, so zeigt alleine die Existenz der zahlreichen populären Bewegungen und der Guerilla, dass es im Land ernsthafte Defizite in der sozioökonomischen Situation, in der Bildung, in der Arbeit, im Gesundheitssystem, beim Wohnungswesen und bei der politischen Teilhabe gibt. Doch ein Land, das auf Investorensuche und Reichtum durch den Ausverkauf seiner natürlichen Ressourcen ist, braucht keinen Protest und eine aufmüpfige Bevölkerung. Und so macht die Regierung unter Santos genau das, was die anderen Regierungen vor ihm auch schon gemacht haben. Guerilleros werden als sogenannte Terroristen getötet, Gewerkschafter und Anführer der populären Bewegungen werden bedroht oder ermordet und neue politische Bewegungen wie der Marcha Patriótica unter Generalverdacht der Rebellion gestellt und verfolgt.

Erst kürzlich veröffentlichte die Guerilla FARC-EP eine Erklärung zur Vernichtung des Marcha Patriótica, in der sie die mangelnde Sicherheit für politische Betätigung und die Morde von 29 Aktivisten des Marcha Patriótica seit April 2012 anklagten. Zudem wurden bis dato 256 Aktivisten inhaftiert. Zuletzt wurde sogar das Parteibüro der Kommunistischen Partei Kolumbiens in Bogotá durch die Polizei gestürmt. Deutlich wird die Repression des Staates auch durch die Toten (12) und Verletzten (485), die allein der Agrarstreik im Sommer letzten Jahres hinterlassen hat. Keine Zahlen gibt es für die Hunderten Verhafteten Teilnehmer am Streik. Diese kurzen Beispiele zeigen, dass die Präsidentschaft von Juan Manuel Santos alles andere als eine friedfertige Politik führt, sondern die Repression und der schmutzige Krieg in der Tradition der vorherigen Regierungen stehen.

Was in den Medien und von der Regierung als Einzelfälle hingestellt werden, ist in Wirklichkeit die Strategie der Demokratischen Sicherheit (früher die Doktrin der Nationalen Sicherheit), nämlich mit dem politischen Gegner aufzuräumen, das heißt, die Guerilla und die aufsässige Bevölkerung zu bekämpfen. Dabei geht die Regierung und das Militär getreu dem Motto vor, welches in gewissen Büchern zur Aufstandbekämpfung und zum Krieg gegen die Zivilbevölkerung wiederzufinden ist. „In der Zivilbevölkerung fundamentiert sich die Existenz der subversiven Gruppen; Die Zivilbevölkerung ist das prinzipielle Ziel im irregulären Krieg; Die aufständische Bevölkerung organisiert sich regulärerweise in der Gewerkschaftsbewegung; Der Einwohner befindet sich inmitten des Konflikts (…) und konvertiert zu einem Kämpfer;“ sind nur einige der gehaltvollen Sätze aus einem Handbuch des Militärs. Häuser der Zivilbevölkerung werden als Schutz bei militärischen Operationen genutzt, Zivilpersonen werden zum Transport und zur Arbeit für das Militär rekrutiert und Zivilfahrzeuge als Absicherung von Konvois missbraucht. Die Zivilbevölkerung steht unter dem Generalverdacht, mit der Guerilla zu kollaborieren. Wer sich der Zwangsrekuritierung durch das Militär und der Zusammenarbeit verweigert, der gilt automatisch als Feind, als Guerillero. Wie wichtig die staatlichen Sicherheitskräfte in der Politik des Präsidenten sind, zeigt die Aufstockung der Personenzahl von 436.538 im Jahr 2010 auf 446.919 im letzten Jahr.

Unter dem Generalverdacht des Terrorismus und der Rebellion werden wahllos Personen aus den politischen und sozialen Bewegungen bedroht, eingeschüchtert und verhaftet. Von wegen Einzelfälle, eine Systematik hat die Repression gegen den unbequemen politischen Gegner, der mehr und mehr an Zulauf gewinnt. Kein Wunder also, dass man hart durchgreifen muss, um die Interessen der Oligarchie nicht zu gefährden. Und dort, wo der Staat als Institution nicht weiterkommt, da helfen ihm die paramilitärischen Einheiten, um die schmutzige Arbeit zu verrichten. Die Kolumbianer lassen keine Zweifel erkennen, dass sich hinter den sogenannten „kriminellen Banden“, also den paramilitärischen Einheiten, die Versuche von Narcopolitikern, Oligarchen und Regierungsvertretern verbergen, um ein effizienteres Mittel zur Verteidigung ihrer Nation zu haben. Es ist diese Rolle, die Verbände wie „Águilas Negras“, „Autodefensas Gaitanistas“ oder „Los Rastrojos“ neben ihren kriminellen Machenschaften auch spielen.

Mittels Militärprogrammen, die nach Außen einen sozialen Auftrag haben, mit einmaligen (Wahl-)Geschenken und Bestechungen und dem gezielten Verteilen von Posten versucht man sich nicht nur intern, sondern auch extern abzusichern und Vertrauen in Teilen der Bevölkerung zu gewinnen. Das Netz von Informaten wird weiter gespannt und die Medien dafür missbraucht, dass sie die Regierungspropaganda in alle Ecken des Landes tragen. Letztendlich hat die Regierung also nicht viel dafür getan, dass sich die Konditionen für eine aktive politische Opposition verbessert hätten. Doch die politischen und sozialen Bewegungen und die Guerilla müssen in der Konsequenz geeinter, aufmerksamer und vorsichtiger agieren, sich aber nicht von Regierung und ihren Instrumenten einschüchtern und separieren lassen. Seit mehreren Jahrzehnten schon versucht das kolumbianische Regime, die USA und die paramilitärischen Einheiten, das kolumbianische Volk zu bekämpfen. Doch wie sagte schon der FARC-EP-Kommandant Jorge Briceño dazu: „Es ist das Volk und das Volk ist unbesiegbar.“