09 November 2013

Friedensgespräche und neue Hoffnungen?

Seit mehr als einem Jahr finden in Kuba die Friedensgespräche der FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Columbia – Ejercito del Pueblo) mit der kolumbianischen Regierung statt. Es sind bereits die vierten Verhandlungen, die die FARC-EP seit ihrem Bestehen führt. Die FARC-EP ist die älteste Guerilla Lateinamerikas und zugleich eine der bedeutendste oppositionellen Widerstandsbewegungen im Land.

Hervorgegangen ist die Guerilla in den Fünfzigerjahren aus dem Bürgerkrieg zwischen den Liberalen und den Konservativen, den beiden großen traditionellen Parteien. Die kommunistisch orientierten Personen kämpften während des Bürgerkrieges an der Seite der Liberalen. Es kam jedoch schnell zu einer Spaltung der bewaffneten Verbände mit den Liberalen wegen unterschiedlicher Auffassungen zur Agrarfrage, aus der die Mehrheit der Kommunisten stammte. Mehrmals versuchten die Regierungen, die selbstverwalteten Schutzgebiete der kommunistischen Bauern zu zerstören. Doch erst 1964 gelang es der Armee, unter anderem die Region Marquetalia zu erobern. Die Bauern flohen aus diesem Gebiet und änderten ihre Strategie des politisch-militärischen Kampfes. 1964 formierte sich die Guerilla neu und es folgte die Gründung der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) unter der Leitung von Manuel Marulanda Vélez.

In den folgenden Jahren wuchs die Guerilla zum eigentlichen Volksheer und baute Einheiten im ganzen Territorium des Landes auf. Dabei erhielt sie Unterstützung, besonders von der Landbevölkerung. Militärischen Operationen sowie politische Arbeit in der Stadt und auf dem Land wurden Teil einer Gesamtstrategie. Auch wenn die Guerilla nach den Friedensverhandlungen von Caguán (1998-2002) militärisch an Spielraum verloren hatte, so zeigen die letzten Jahre, dass sowohl die militärische Schlagkraft und der Ausbau ihrer sozialen Base in einigen Regionen, als auch der soziale Protest im Land, der sich häufig in den Forderungen der FARC-EP wiederspiegelt, weiterhin präsent sind und sogar zugenommen haben. Die neuen Friedensgespräche sind sicherlich auch deswegen zustande gekommen, weil die Guerilla militärisch nicht besiegt werden kann und ihre Forderungen und der Anstieg der sozialen Kämpfe im Land Ausdruck von Ungerechtigkeit und Ungleichheit sind, die mit repressiven Mitteln nicht zu lösen sind.

Nun wurden vor wenigen Tagen verkündet, dass auch eine Einigung im zweiten Punkt der Agenda, dem der politischen Teilhabe, erfolgt ist. Dies würde die Gründung von politischen Organisationen, die Ausübung ihrer politischen Tätigkeit und deren Schutz bedeuten. Präsident Santos sagte, er würde die FARC-EP lieber im Kongress sehen, als mit Waffen. Doch wie ernsthaft können die Worte eines ehemaligen Verteidigungsministers sein und aktuellen Präsidenten sein, der weiterhin einen Krieg gegen Guerilla und Andersdenkende führt? Unter ihm wurden zwar die Friedensgespräche begonnen, aber unter ihm wird auch weiterhin ein blutiger und schmutziger Krieg geführt. Auch die Armee galt bisher nicht als eine Institution, die durch Neutralität oder Friedenszeichen auffiel. Im Gegenteil, große und namenhafte Generäle verkündeten ihre Version zur Beendigung des bewaffneten Konfliktes, nämlich mit Krieg als einzigem Mittel. Kann so die Sicherheit der Guerilleros und der politischen Opposition sichergestellt werden?

Bereits unter der Präsidentschaft von Betancur (1882-1986) wurden Friedensgespräche geführt und als Folge dieser entstand die Unión Patríotica (UP), die von Ex-Guerilleros der FARC-EP und anderen linken Gruppen und Personen gegründet wurde. Auf politischer Ebene und bei den Wahlen konnten erste Erfolge verbucht werden. Doch Ende 1984 formierte sich Widerstand in Armee und Wirtschaftskreisen. Ein klares Zeichen der Eskalation war die Zunahme der parastaatlichen Gewalt.
Bis zum heutigen Tage wurden rund 5000 Aktivisten und Sympathisanten der UP umgebracht, vor allem Kommunisten, Gewerkschafter und Bauern. Lange Zeit weigerte sich die Regierung, den politischen Genozid anzuerkennen. Letztendlich zogen sich die Guerilleros wieder in das illegale, aber sichere militärisch-politische Arbeit zurück. Weitere Gespräche Anfang der Neunzigerjahre und in Caguán scheiterten. Hoffen wir also, dass die Friedensgespräche und die eventuelle Umsetzung nicht wieder zu einem Desaster führen.