07 Juli 2015

Kolumbien als Prototyp des Kapitalismus in Lateinamerika

Kolumbien ist in Lateinamerika der Prototyp zur Akkumulation von Land und Kapital, bei gleichzeitiger Bekämpfung der Bewegungen, die aktiven und passiven Widerstand gegen die Oligarchie und den Kapitalismus leisten. So wurden über die Jahrzehnte verschiedene Interventionsstrategien im Rahmen der Vernichtung von linken Bewegungen durchgeführt.
 
Die politische Situation in Lateinamerika ist geprägt durch die globale Situation auf der Erde. Als Teil dieser Erde beschleunigt sich auch die kapitalistische Akkumulation durch größere Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und Raubbau an der Natur, sowie durch Kriege, Konflikte oder Auseinandersetzungen. Innerpolitische Zuspitzungen bzw. Konflikte und Kriege werden geschürt, um über das Mittel der militärischen Repression Druck gegen die vermeintlichen Gegner ausüben und gleichzeitig die wirtschaftlichen Interessen  im Land durchsetzen zu können. Eine Intensivierung der Staatsterrorismus garantiert die kapitalistische Akkumulation. Diese Macht des Todes von offiziellen Armeen und ihrer jeweiligen paramilitärischen Werkzeuge ist spürbar in Ländern wie Mexiko, Kolumbien, Peru, Honduras und Paraguay.
 
Der Krieg gegen die sozialen und politischen Bewegungen verläuft oftmals unter dem Deckmantel des Anti-Drogenkrieges bzw. des Anti-Terrorkrieges. Dies ist insoweit zynisch, da organisierte Drogenkriminalität und staatliche Strukturen zusammenarbeiten. Sie sind der nützliche Gehilfe, bei dem alle Verdienen und die Gegner vernichtet werden können, ohne dass dies direkt auf die Oligarchie zurückfällt. Probleme gibt es nur, wenn die Kommunikationsstrukturen und Hierarchien auseinanderklaffen, so wie es in Kolumbien in den 1990er Jahren passierte und derzeit auch in Mexiko geschehen könnte.  Dabei erinnert Mexiko an das repressive Muster, wie es in Kolumbien seit Jahrzehnten  umgesetzt wird: Aufstieg des Drogenhandels mit staatliche Duldung sowie die Verwendung diesem bei der Förderung von mehr paramilitärischen Gruppen, die darauf abzielen, die Vernichtung der Kommunisten und anderer sozialer Aktivisten durchzuführen.
 
Die Anden-Amazonas-Region ist von großer Bedeutung für das transnationale Kapital. Kolumbien ist ein Land, das für seine immensen Ressourcen (Bergbau, Wasser, Biodiversität) und durch seine geostrategische Lage (Anden-Amazonas, mit Zugang zu zwei Ozeanen mit 5 Nachbarländern) sehr begehrt ist. Es zählt auch nach Brasilien und Mexiko zu den bevölkerungsreichsten auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Keine Frage, Kolumbien ist von großer Bedeutung für das transnationale Kapital und so zählt es auch eine Geschichte, die geprägt ist von Interventionen, Konflikten und Kriegen, die im Kontext der Interessensvertretung des Kapitalismus stehen. Schon sehr früh engagierten sich die US-Regierung und das Militär mit der Aufstandsbekämpfungs-Lehre und den Techniken im Krieg gegen die Zivilbevölkerung.
 
Die Aufstandsbekämpfung und die Einbindung von paramilitärischen Kräften haben eine lange Tradition in Kolumbien. Schon in den 1950er und 1960er Jahren gab es operative Maßnahmen zur Vernichtung des „inneren“ Feindes, den Andersdenkenden und Kommunisten. Im Mai 1964 führte das kolumbianische Militär unter Führung der USA eine Operation gegen liberale und kommunistische bäuerliche Gemeinschaften im Süden von Tolima durch. Dörfer wurden bombardiert, sowie die Bevölkerung vertrieben und ausgehungert. Es war bis dahin die größte Operation in der Aufstandsbekämpfung in Lateinamerika. Die Überlebenden durchbrachen die militärische Belagerung und gründeten die Guerilla FARC. Es war die Geburtsstunde einer der ältesten und aktivsten Guerillabewegungen in der Welt.
 
Kolumbien ist eines der sozial ungleichen Länder, und das obwohl es, gemessen an den Bodenschätzen und der Natur zu den reichsten gehört. Im Land gibt es rund 20 Millionen arme Menschen und ca. 8 Millionen Obdachlose und Vertriebene.  Tausende Kinder sterben jährlich an Hunger, trotz des immensen Reichtums des Landes. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Derzeit leidet die indigene Wayúu-Gemeinschaft, besonders die Jungen und Alten der Gemeinschaft an Hunger und Durst, sie sterben an Krankheiten und Wassermangel. Die Vernichtung steht im Zusammenhang mit der Kohleförderung in den Minen von La Guajira und Cesar, wobei natürliches Flusswasser zur Förderung umgeleitet wird.
 
Es sind multinationale Unternehmen wie BHP Billiton, Glencore Xstrata, Anglogold, Drummond, Gold Fields, OXY, BP, Repsol und andere, die in Kolumbien Flüsse umleiten, Gewässer vergiften, Berge zerstören und auf der anderen Seite Millionen in den Aufbau von paramilitärischen Einheiten investieren, die dann Gewerkschafter und Kritiker töten. Auch das Militär profitiert von den transnationalen Konzernen und sichert nicht nur ihre Infrastruktur, sondern unternimmt auch militärische Operationen gegen die Gemeinden. So sichert das 18. Bataillon der kolumbianischen Armee die Erdölinfrastruktur von OXY. Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung  und Umweltzerstörung gehen ineinander über. Diese Situation der Verarmung der Mehrheit zugunsten einer Handvoll der Oligarchie und die Konzentration von Land in den Händen weniger ist ebenso systematischer Staatsterrorismus und der Ursprung des sozialen und bewaffneten Konflikts in Kolumbien. Die FARC ist aus der repressiven und sozial ungleichen Politik heraus entstanden.
 
Über den Staatsterrorismus werden derzeit jedoch wenige Worte verloren. Ebenso werden wenige Worte über die Ursachen und Bedingungen des bewaffneten Konfliktes verloren. Zwar gibt es Friedensverhandlungen zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung, doch der Konflikt und die Ursachen des Konfliktes sind damit noch lange nicht vorbei. Während die FARC im Zuge der Friedensverhandlungen mehrfach durch einseitig ausgerufene Waffenstillstände die Bereitschaft zu einer politischen Lösung demonstriert hat, setzt die Regierung weiterhin auf Aufstandsbekämpfung und Krieg. Der Kapitalismus an sich lebt vom Krieg und in Kolumbien profitieren viele an ihm. Und letztendlich will die kolumbianische Oligarchie und die transnationalen Konzerne keine Teilung der Macht und ihrer Profite.
 
Während einiger Monate versuchten beide Parteien, Guerilla und Regierung, den Konflikt zu deeskalieren. Die FARC verabschiedete eine unbefristete Waffenruhe und die Regierung veranlasste die Einstellung von Bombardierungen auf Lager der FARC, obgleich weiterhin militärische Operationen von Seiten der staatlichen Sicherheitskräfte stattfanden. Doch nach einem Verteidigungsangriff der FARC auf in ihrem Hinterland operierende Soldaten, bei dem 11 Militärs starben, sowie darauf folgenden Bombenangriffen auf Lager der FARC, ist die Ruhe vorbei. Nun fordern auch die Garantenländer des Friedensprozesses wie Kuba und Norwegen beide Seiten auf, nach einer beidseitigen Waffenruhe zu suchen.
 
FARC-Kommandant Iván Márquez sagte unterdessen, dass die FARC denjenigen keinen Raum geben wollen, die mit ihrer Stimme das Scheitern der Friedensgespräche vorhersagen.  Er sagte, dass er es vorzog, von Optimismus zu sprechen und das es notwendig ist, an dem Prozess festzuhalten, um einen Friedensabkommen zu unterzeichnen. Er beruft sich damit auf die Stimmen und Medien, die permanent Unruhe stiften und mittels Meinungsmache den Friedensprozess torpedieren wollen. Dafür ist es nicht nötig, weiter unnötige Hindernisse für dieses noble Ziel des Friedens mit sozialer Gerechtigkeit zu verursachen. Es ist wichtig, den Paramilitarismus zu zerschlagen, so der Guerillakommandant. Doch genauso wichtig ist es, notwendige Reformen einzuleiten, die Gesellschaft grundlegend umzustrukturieren und politische und wirtschaftliche Teilhabe für Alle zu garantieren. Nur ein Frieden mit sozialer Gerechtigkeit kann ein dauerhafter Frieden sein.