In der „ältesten Demokratie Lateinamerikas“, wie sich
Kolumbien gerne nennt, gibt es einen seit Jahrzehnten andauernden bewaffneten
Konflikt und eine der größten und ältesten Guerillabewegungen der Welt, die am
27. Mai 2014 50 Jahre alt wird. Ein Grund also, sich etwas mehr mit der
50jährigen Geschichte der FARC-EP zu befassen.
Heute: „Die Geschichte der FARC-EP von 2002 bis Heute“
Über die Militärstrategie der FARC-EP und ihre
Veränderungen in den Jahren von 2002 bis heute ist bei KolumbienInfo schon etwas
geschrieben worden, bzw. wird das Thema am Rande des Öfteren erwähnt. Trotzdem
gibt es immer wieder die Behauptungen, auch bei Zusendungen an uns, dass die
FARC-EP militärisch und politisch keine Rolle mehr im Land spielt. Dazu einige
Ausführungen…
Ja, die FARC-EP ist militärisch geschwächt worden, das
wollen wir überhaupt nicht abstreiten. Aber in den letzten Jahren hat sie,
besonders von 2011 bis 2013, mit einem Anstieg ihrer militärischen Aktionen und
Operationen gezeigt, dass ihr Stärke nicht weniger geworden ist. Ihre Taktik
veränderte sich von Militäroperationen mit Hunderten von Guerilleros hin zu
kleinen und beweglichen operativen Kräften. Außerdem kamen, vor allem unter
Alfonso Cano, ein Augenmerk auf den Ausbau der politischen Strukturen und das
Hineintragen von Themen in soziale und politische Bewegungen, die seit Jahren
von der FARC-EP besetzt sind oder von ihr ausdrücklich auf die politische
Agenda gesetzt wurden. Dies verdeutlicht, dass die FARC-EP ihre militärische
Komponente zwar nicht aufgegeben haben, aber die Priorität doch mehr auf
politische Arbeit und politische Strukturen gelegt haben.
Von 2002 bis 2012 hat die FARC-EP militärisch zwar einige
Regionen verloren, was aber nicht heißt, dass sie politisch nicht mehr präsent
wären. Hier findet aufgrund der enormen staatlichen Präsenz zwar keine
offensichtliche Anwesenheit mit Uniform, Gewehr und Gummistiefeln mehr statt,
doch klandestin und über Einflussnahme bei Guerilla-thematischen Themen wie
Agrarpolitik, Gewerkschaftsarbeit, politische Teilhabe, Bildung oder Repression
wird weiterhin gearbeitet.
Zu den Gebieten mit rückläufiger politisch-militärischer
Präsenz gehörten zum Beispiel Cundinamarca, Boyacá, sowie der Norden von Meta
und Tolima. Zwischen 2003 und 2005 unternahm die Regierung Uribe mittels der
Armee die Operationen „Libertad I“ und „Libertad II“, welche die Befreiung der
zentral um die Hauptstadt gelegenen Gebiete und strategisch wichtiger Korridore
und Wirtschaftszonen in den oben genannten Regionen als Ziel hatten.
Auch mit dem „Plan Candado“, der direkt auf die Befreiung
Bogotás abzielte und unter anderem die Installierung eines
Gebirgsjägerbataillons in den Bergen von Sumapaz beinhaltete, was vor den Toren
der Hauptstadt Bogotá gelegen ist, konnte die Guerilla zurückgedrängt werden.
Man darf nicht vergessen, dass zu den Zeiten des Plan Colombia von damals bis
heute die Zahl der staatlichen Sicherheitskräfte stetig gestiegen ist und mehr
als 450.000 Frauen und Männer unter Waffen standen. Dies ist 1% der
Bevölkerung. Nicht verschwiegen werden darf außerdem die permanente Aufrüstung
von Armee, Polizei und anderen Sicherheitsdiensten mit Geld und modernen
Waffensystemen. Hauptaufgabe besteht im Schutz von strategischen Verkehrswegen,
der Infrastruktur von Telekommunikation und Energiewirtschaft, sowie
wirtschaftsrelevanter Zonen wie Anbau- oder Fördergebiete natürlicher
Ressourcen.
Von 2005 bis 2008 erreichte der Krieg gegen die
aufständische Bewegung eine zweite Phase, in der eine Anzahl von
Führungspersonen aus der Kommandoebene getötet oder verhaftet wurde. Doch auch
nach 2008 war es vorrangiges Ziel, führende Köpfe zu jagen. Hierzu zählen unter
anderem
Negro Acacio, Raúl Reyes, Iván Ríos, Martín Sombra, Mono
Jojoy im Jahr 2010 und im Jahr 2011 Alfonso Cano. Im Jahr 2008 starb zudem
Manuel Marulanda eines natürlichen Todes. Der Schutz wichtiger Orte, Straßen
oder Gebiete wurde unter dem Militärplan „Plan Meteoro“ fortgeführt. Damit
konnten den transnationalen Konzernen die notwendigen Bedingungen
bereitgestellt werden, um die natürlichen Ressourcen auszubeuten. Gemeint sind
im speziellen der Bergbau, die Erdölforderung und die Agroindustrie. Nicht
erreicht wurde von Seiten der FARC-EP das Ziel, das Zentrum des Landes mit
Bogotá zu erreichen.
Stark umkämpft und teilweise weiter ausgebaut hat die
FARC-EP ihre politisch-militärische Präsenz in Regionen, die schon seit jeher
Stammgebiete der Guerilla sind. Ein Großteil der militärischen Einheiten
befindet sich in zum Beispiel in Cauca, Meta, Caquetá, Putumayo, Nariño, Arauca
und Norte de Santander. Was jedoch in den letzten Jahren zu beobachten war ist
das Phänomen, das selten über Kämpfe, Präsenz der Guerilla oder Verluste der
staatlichen Sicherheitskräfte berichtet wird oder die Zahlen verdreht werden.
Erinnert sei an den Besuch von Präsident Santos in Toribío/Cauca, als er direkt
in den Ort geflogen wurde, er eine Ansprache über die Sicherheit hielt und nur
wenige Kilometer außerhalb der Kleinstadt Journalisten die Guerilleros an ihren
Straßenkontrollpunkten interviewten. Auch heute noch werden eher Verluste der
Guerilla in den Medien präsentiert, als die der eigenen Truppen.
Innerhalb der FARC-EP fand in den letzten Jahren,
spätestens jedoch unter Alfonso Cano ab 2010, eine Umstrukturierung und Änderung
der Militärstrategie statt. Die großen Militärblöcke, die in den 1980er Jahren
etabliert wurden und die in den 1990er Jahren Militäroperationen mit
Bataillonsstärke durchführten, sind Geschichte. Zwar sind die Blöcke in ihrer
geostrategischen Lage weiterhin die militärische Struktur der FARC-EP, doch sind
die Kommandoebenen und Strukturen mehr und mehr den aktuellen Gegebenheiten
angepasst und mehr auf regionaler bzw. lokaler Ebene aktiv. Es sind zentrale
operative Regionalkommandos geschaffen worden. Die operativen militärischen
Einheiten sind mobiler geworden, was auch auf die Größe von 10 bis 15 Personen
zurückzuführen ist. Sie sind speziell für operative Aktionen ausgebildet und
stehen im engen Kontakt untereinander. Die militärische Schlagkraft konnten sie
immer wieder in den letzten Jahren unter Beweis stellen.
Ebenso wurde in den Medien thematisiert, dass die FARC-EP
keine Einheit seien und die Befürchtung geäußert, dass die nach einen
Friedensprozess in mehrere unabhängige Strukturen zerfallen würde. Auch hier
sagen wir, dass man keine Sorge haben muss. Die unilateralen Waffenstillstände,
die von der FARC-EP in den zurückliegenden Jahren unter anderem zu
Weihnachten/Neujahr und aktuell zu den Präsidentschaftswahlen im Mai 2014 ausgerufen
wurden haben gezeigt, dass alle Strukturen der FARC-EP an die Kommandoebene
angebunden sind. Mit der Teilnahme von relevanten Kadern an den
Friedensgesprächen werden zudem alle politisch-militärischen Strukturen in den
Friedensprozess und die Zukunft der Guerilla eingebunden. Der Zusammenhalt und
die Koordination untereinander sind trotz gegenteiliger Meinungen der Medien
weiterhin aktiv, wie die oben genannten Beispiele verdeutlichen.
Politisch ist die FARC-EP, nicht nur durch den derzeit
stattfindenden Friedensprozess, derzeit so präsent, wie schon lange nicht mehr.
Mit der konspirativen Arbeit, der halblegalen Zusammenarbeit und den
personellen Überschneidungen zwischen Guerilla und den Volksbewegungen und
sozialen Bewegungen werden Themen in die Öffentlichkeit getragen und
bearbeitet, die auf beiden Seiten ein langjähriges politisches Fundament
bilden. Die Foren, die im Zuge des Friedensprozesses mit den sozialen
Bewegungen zu Themen wie Agrarpolitik oder politische Teilhabe durchgeführt
wurden, bestätigen die enge Bindung – nicht zwischen allen Einzelmitgliedern
oder sozialen Bewegungen – doch aber zumindest mit einem Großteil der
Bewegungen und der Guerilla. Die FARC-EP verweist hier auf die Einbindung der
sozialen Bewegungen in den Friedensprozess und versucht, ihre Themen
aufzugreifen und in die Agenda mit aufzunehmen.
Mit der Entscheidung, keine Entführungen mehr aufgrund
des revolutionären Steuergesetzes vorzunehmen, mit den unilateralen
Waffenstillständen, mit der Freilassung von kriegsgefangenen Polizisten und
Soldaten, und zuletzt mit dem Verzicht auf den Drogenhandel, aber auch mit der
Einigung in verschiedenen Punkten des Friedensprozesses, hat die FARC-EP
gezeigt, dass nur in einer politischen Lösung der Jahrzehnte alte Konflikt
beenden werden kann. Es liegt nun auch an der Regierung und an Teilen der
kolumbianischen Politik und Gesellschaft, diesen Weg zum Frieden zu vollziehen.
Die FARC-EP gilt immer noch als terroristische Gruppe, eine politische Arbeit
ist deswegen weiterhin nur unter schwierigen Bedingungen möglich, obwohl die
Guerilla alle Merkmale einer politisch-militärischen Organisation und
anerkannten kriegsführenden Partei nach den Genfer Konventionen erfüllt. Nach
50 Jahren müssen endlich die politische Anerkennung und damit ein Weg zu einem
dauerhaften Frieden erfolgen.