26 Mai 2014

Die FARC-EP von 2002 bis Heute


In der „ältesten Demokratie Lateinamerikas“, wie sich Kolumbien gerne nennt, gibt es einen seit Jahrzehnten andauernden bewaffneten Konflikt und eine der größten und ältesten Guerillabewegungen der Welt, die am 27. Mai 2014 50 Jahre alt wird. Ein Grund also, sich etwas mehr mit der 50jährigen Geschichte der FARC-EP zu befassen.
Heute: „Die Geschichte der FARC-EP von 2002 bis Heute“

Über die Militärstrategie der FARC-EP und ihre Veränderungen in den Jahren von 2002 bis heute ist bei KolumbienInfo schon etwas geschrieben worden, bzw. wird das Thema am Rande des Öfteren erwähnt. Trotzdem gibt es immer wieder die Behauptungen, auch bei Zusendungen an uns, dass die FARC-EP militärisch und politisch keine Rolle mehr im Land spielt. Dazu einige Ausführungen…

Ja, die FARC-EP ist militärisch geschwächt worden, das wollen wir überhaupt nicht abstreiten. Aber in den letzten Jahren hat sie, besonders von 2011 bis 2013, mit einem Anstieg ihrer militärischen Aktionen und Operationen gezeigt, dass ihr Stärke nicht weniger geworden ist. Ihre Taktik veränderte sich von Militäroperationen mit Hunderten von Guerilleros hin zu kleinen und beweglichen operativen Kräften. Außerdem kamen, vor allem unter Alfonso Cano, ein Augenmerk auf den Ausbau der politischen Strukturen und das Hineintragen von Themen in soziale und politische Bewegungen, die seit Jahren von der FARC-EP besetzt sind oder von ihr ausdrücklich auf die politische Agenda gesetzt wurden. Dies verdeutlicht, dass die FARC-EP ihre militärische Komponente zwar nicht aufgegeben haben, aber die Priorität doch mehr auf politische Arbeit und politische Strukturen gelegt haben.

Von 2002 bis 2012 hat die FARC-EP militärisch zwar einige Regionen verloren, was aber nicht heißt, dass sie politisch nicht mehr präsent wären. Hier findet aufgrund der enormen staatlichen Präsenz zwar keine offensichtliche Anwesenheit mit Uniform, Gewehr und Gummistiefeln mehr statt, doch klandestin und über Einflussnahme bei Guerilla-thematischen Themen wie Agrarpolitik, Gewerkschaftsarbeit, politische Teilhabe, Bildung oder Repression wird weiterhin gearbeitet.
Zu den Gebieten mit rückläufiger politisch-militärischer Präsenz gehörten zum Beispiel Cundinamarca, Boyacá, sowie der Norden von Meta und Tolima. Zwischen 2003 und 2005 unternahm die Regierung Uribe mittels der Armee die Operationen „Libertad I“ und „Libertad II“, welche die Befreiung der zentral um die Hauptstadt gelegenen Gebiete und strategisch wichtiger Korridore und Wirtschaftszonen in den oben genannten Regionen als Ziel hatten.

Auch mit dem „Plan Candado“, der direkt auf die Befreiung Bogotás abzielte und unter anderem die Installierung eines Gebirgsjägerbataillons in den Bergen von Sumapaz beinhaltete, was vor den Toren der Hauptstadt Bogotá gelegen ist, konnte die Guerilla zurückgedrängt werden. Man darf nicht vergessen, dass zu den Zeiten des Plan Colombia von damals bis heute die Zahl der staatlichen Sicherheitskräfte stetig gestiegen ist und mehr als 450.000 Frauen und Männer unter Waffen standen. Dies ist 1% der Bevölkerung. Nicht verschwiegen werden darf außerdem die permanente Aufrüstung von Armee, Polizei und anderen Sicherheitsdiensten mit Geld und modernen Waffensystemen. Hauptaufgabe besteht im Schutz von strategischen Verkehrswegen, der Infrastruktur von Telekommunikation und Energiewirtschaft, sowie wirtschaftsrelevanter Zonen wie Anbau- oder Fördergebiete natürlicher Ressourcen.

Von 2005 bis 2008 erreichte der Krieg gegen die aufständische Bewegung eine zweite Phase, in der eine Anzahl von Führungspersonen aus der Kommandoebene getötet oder verhaftet wurde. Doch auch nach 2008 war es vorrangiges Ziel, führende Köpfe zu jagen. Hierzu zählen unter anderem
Negro Acacio, Raúl Reyes, Iván Ríos, Martín Sombra, Mono Jojoy im Jahr 2010 und im Jahr 2011 Alfonso Cano. Im Jahr 2008 starb zudem Manuel Marulanda eines natürlichen Todes. Der Schutz wichtiger Orte, Straßen oder Gebiete wurde unter dem Militärplan „Plan Meteoro“ fortgeführt. Damit konnten den transnationalen Konzernen die notwendigen Bedingungen bereitgestellt werden, um die natürlichen Ressourcen auszubeuten. Gemeint sind im speziellen der Bergbau, die Erdölforderung und die Agroindustrie. Nicht erreicht wurde von Seiten der FARC-EP das Ziel, das Zentrum des Landes mit Bogotá zu erreichen. 

Stark umkämpft und teilweise weiter ausgebaut hat die FARC-EP ihre politisch-militärische Präsenz in Regionen, die schon seit jeher Stammgebiete der Guerilla sind. Ein Großteil der militärischen Einheiten befindet sich in zum Beispiel in Cauca, Meta, Caquetá, Putumayo, Nariño, Arauca und Norte de Santander. Was jedoch in den letzten Jahren zu beobachten war ist das Phänomen, das selten über Kämpfe, Präsenz der Guerilla oder Verluste der staatlichen Sicherheitskräfte berichtet wird oder die Zahlen verdreht werden. Erinnert sei an den Besuch von Präsident Santos in Toribío/Cauca, als er direkt in den Ort geflogen wurde, er eine Ansprache über die Sicherheit hielt und nur wenige Kilometer außerhalb der Kleinstadt Journalisten die Guerilleros an ihren Straßenkontrollpunkten interviewten. Auch heute noch werden eher Verluste der Guerilla in den Medien präsentiert, als die der eigenen Truppen.

Innerhalb der FARC-EP fand in den letzten Jahren, spätestens jedoch unter Alfonso Cano ab 2010, eine Umstrukturierung und Änderung der Militärstrategie statt. Die großen Militärblöcke, die in den 1980er Jahren etabliert wurden und die in den 1990er Jahren Militäroperationen mit Bataillonsstärke durchführten, sind Geschichte. Zwar sind die Blöcke in ihrer geostrategischen Lage weiterhin die militärische Struktur der FARC-EP, doch sind die Kommandoebenen und Strukturen mehr und mehr den aktuellen Gegebenheiten angepasst und mehr auf regionaler bzw. lokaler Ebene aktiv. Es sind zentrale operative Regionalkommandos geschaffen worden. Die operativen militärischen Einheiten sind mobiler geworden, was auch auf die Größe von 10 bis 15 Personen zurückzuführen ist. Sie sind speziell für operative Aktionen ausgebildet und stehen im engen Kontakt untereinander. Die militärische Schlagkraft konnten sie immer wieder in den letzten Jahren unter Beweis stellen.

Ebenso wurde in den Medien thematisiert, dass die FARC-EP keine Einheit seien und die Befürchtung geäußert, dass die nach einen Friedensprozess in mehrere unabhängige Strukturen zerfallen würde. Auch hier sagen wir, dass man keine Sorge haben muss. Die unilateralen Waffenstillstände, die von der FARC-EP in den zurückliegenden Jahren unter anderem zu Weihnachten/Neujahr und aktuell zu den Präsidentschaftswahlen im Mai 2014 ausgerufen wurden haben gezeigt, dass alle Strukturen der FARC-EP an die Kommandoebene angebunden sind. Mit der Teilnahme von relevanten Kadern an den Friedensgesprächen werden zudem alle politisch-militärischen Strukturen in den Friedensprozess und die Zukunft der Guerilla eingebunden. Der Zusammenhalt und die Koordination untereinander sind trotz gegenteiliger Meinungen der Medien weiterhin aktiv, wie die oben genannten Beispiele verdeutlichen.

Politisch ist die FARC-EP, nicht nur durch den derzeit stattfindenden Friedensprozess, derzeit so präsent, wie schon lange nicht mehr. Mit der konspirativen Arbeit, der halblegalen Zusammenarbeit und den personellen Überschneidungen zwischen Guerilla und den Volksbewegungen und sozialen Bewegungen werden Themen in die Öffentlichkeit getragen und bearbeitet, die auf beiden Seiten ein langjähriges politisches Fundament bilden. Die Foren, die im Zuge des Friedensprozesses mit den sozialen Bewegungen zu Themen wie Agrarpolitik oder politische Teilhabe durchgeführt wurden, bestätigen die enge Bindung – nicht zwischen allen Einzelmitgliedern oder sozialen Bewegungen – doch aber zumindest mit einem Großteil der Bewegungen und der Guerilla. Die FARC-EP verweist hier auf die Einbindung der sozialen Bewegungen in den Friedensprozess und versucht, ihre Themen aufzugreifen und in die Agenda mit aufzunehmen.

Mit der Entscheidung, keine Entführungen mehr aufgrund des revolutionären Steuergesetzes vorzunehmen, mit den unilateralen Waffenstillständen, mit der Freilassung von kriegsgefangenen Polizisten und Soldaten, und zuletzt mit dem Verzicht auf den Drogenhandel, aber auch mit der Einigung in verschiedenen Punkten des Friedensprozesses, hat die FARC-EP gezeigt, dass nur in einer politischen Lösung der Jahrzehnte alte Konflikt beenden werden kann. Es liegt nun auch an der Regierung und an Teilen der kolumbianischen Politik und Gesellschaft, diesen Weg zum Frieden zu vollziehen. Die FARC-EP gilt immer noch als terroristische Gruppe, eine politische Arbeit ist deswegen weiterhin nur unter schwierigen Bedingungen möglich, obwohl die Guerilla alle Merkmale einer politisch-militärischen Organisation und anerkannten kriegsführenden Partei nach den Genfer Konventionen erfüllt. Nach 50 Jahren müssen endlich die politische Anerkennung und damit ein Weg zu einem dauerhaften Frieden erfolgen.