In der „ältesten Demokratie Lateinamerikas“, wie sich
Kolumbien gerne nennt, gibt es einen seit Jahrzehnten andauernden bewaffneten
Konflikt und eine der größten und ältesten Guerillabewegungen der Welt, die am
27. Mai 2014 50 Jahre alt wird. Ein Grund also, sich etwas mehr mit der
50jährigen Geschichte der FARC-EP zu befassen.
Heute: „Marquetalia – Symbol des Widerstandes“
Aus: Resistencia International, Deutsche Ausgabe, Nr. 00
– Sonderausgabe, Januar 2000
In Kolumbien bestand schon lange vor der Erhebung der
Guerilla eine große Unzufriedenheit unter der ländlichen Bevölkerung mit ihrer
sozialen Lage. Unter dem Kommando von Oberst Hernando Currea Cubides,
Kommandeur der sechsten Brigade der kolumbianischen Armee, wurde daher vor 35
Jahren der Plan LASO (Latin American Security Operation) gegen die Gebiete
ländlicher Selbstverteidigung in Kolumbien in die Praxis umgesetzt. Dieser Plan
- auch bekannt als Öldoktrin der Nationalen Sicherheit" - beinhaltete die
konkrete Umsetzung des Programms zur militärischen Hilfe der USA für
Lateinamerika und charakterisierte die Rahmenbedingungen der neuen
militärischen Strategie der Vereinigten Staaten in den siebziger Jahren.
Ausgangspunkt war die Militärschule "de las Americas" mit Hauptsitz
in Panama. Der Plan stellte eine Ergänzung der sogenannten "Allianz für
den Fortschritte zwischen den Vereinigten Staaten und einigen
lateinamerikanischen verbündeten Regierungen dar. Das militärische Ziel hieß
Marquetalia.
Die Besetzung des Ortes begann mit der Bereitstellung von
16 000 bewaffneten Männern, ausgestattet mit modernem Kriegsgerät wie
Hubschraubern, unterschiedlichen Aufklärungs- und Kriegsflugzeugen, die von den
Vereinigten Staaten zur Verfügung gewellt wurden. Auch führten sie Ausrüstung
mit, um die Belagerung in den Gegenden der Verwaltungsbezirke Huila, Valle del
Cauca und Sur del Tolima auszudehnen, mit dem Ziel, den Belagerungsring bis zur
Eliminierung der ländlichen Oppositionszentren einzuengen.
Die Marquetalianos arbeiten für ihren eigenen
Lebensunterhalt. Um ihre Lebensbedingungen zu verbessern, belieferten sie zudem
die Ortschaften in der näheren Umgebung, wie z.B. Gaitania, Planadas und Neiva.
Einige Marquetalianos gehörten der Verwaltung zur Verbesserung des öffentlichen
Lebens an, andere arbeiteten in der Kommission für die Vorbereitung zum Bau
öffentlicher und geistlicher Bauten. Alles, worum sie zu jener Zeit die
Regierung baten, war materielle Hilfe für den Fortschritt in der Region,
Kredite zum Wohle der gesamten Gemeinschaft und Garantien gegen die Aktionen
regionalen Machthaber und ihrer "pajaros" (Auftragskiller, wörtl.:
"Vögel" ), die die Aggressionen gegen die Bewohner dieser Zone nicht
einstellten.
Trotzdem entschied sich die Regierung durch Waffengewalt
das zu liquidieren, was sie als "kommunistischen Herd von Maquetalia"
beurteilte. Für sie war das, was dort existierte, Subversion, fremde Idee und
Bandit, die es galt, im Namen der „Demokratie“ und der Verteidigung der
Institutionen zu vernichten Diese Entscheidung teilten Parlamentarier, unter
ihnen Alvaro Gomez Hurtado, ein Führer während der großen Auseinandersetzungen
gegen die selbstdeklarierten nun abhängigen Republiken", die der
Rechtfertigung der Aggression dienten.
Verschiedene demokratische Gruppen und Persönlichkeiten
des Landes wandten sich gegen die Operation "Marquetalia": Kurz vor
Ausbruch des Konfliktes bot sich der Priester Camilo Torres als Vermittler für
eine friedliche Lösung an, aber die militärischen Führer und die Hierarchie der
Kirche stellten sich dem entgegen. Die Landbewohner verschiedener Regionen
formierten sich, um einen anderen Ausweg, als die Konfrontation zu finden.
Eine Gruppe französischer Intellektueller unter Führung
von Jean Paul Satre, Jaque Duclos und Simon de Beauvier wendeten sich mit einem
Brief an die Regierung und solidarisierten sich mit den angegriffenen Bauern.
Trotzdem rief die Regierung den Krieg offiziell aus.
Die höchsten Militärs wurden umgehend autorisiert, die Gebiete
um Marquetalia, Riochiquito und El Pato zu besetzen und all die Bewohner zu
eliminieren, die der offiziellen Politik nicht folgten. In der Nähe von
Planadas, in El Dorado, wurden Hunderte von Bauern, unter dem Vorwurf des
"Banditentums" erschossen. Die ursprünglich für drei Wochen geplante
militärische Operation wurde zu einem Krieg, der nun über drei Jahrzehnte
anhält.
Mit dem in die Aggression investierten Geld gegen die
sogenannten "48 Männer von Marquetalia", hätte die Regierung die
Lebensbedingungen der Bewohner dieser Region verbessern können und den
Ortschaften Gaitania, Planadas, Sur de Ata, Santa Rita, Praga, Chapinero, San
Luis, Aipesito, Organos, La Estrella und anderen Hilfe leisten können. Aber sie
folgte den reaktionären Kräften und begann ein neues Kapitel der Gewalt, die
wir heute in jedem Teil des nationalen Territoriums erleben.
Doch bald mußten sie das Ausmaß der Operationen erkennen.
Die bewaffneten Verbände bereiteten ihre Antwort vor, sie evakuierten Frauen,
Kinder und Greise und alle Familienmitglieder der Bauern, die nicht in der Lage
waren zu kämpfen, in den Dschungel.
Währenddessen versuchten sich die Männer und Frauen in
dieser Region zu einer mobilen Guerilla zu organisieren. Zur Unterstützung
dieser Bewegung schickte die kommunistische Partei Jacobo Arenas, Mitglied des
Exekutiv-Komitees, als politischen Kommissar, der sich zuvor zu einem der
höchsten Führer der FARC entwickelt hatte, und Hernando Gonzales, Student an
der Freien Universität und Mitglied der Kommunistischen Jugend, der ein Jahr
später in der Region von Riochiquito in einem Hinterhalt fiel.
Am 20. Juli 1964 entwarfen die Kämpfer von Marquetalia
unter Kampfbedingungen in einer beratenden Versammlung die ersten taktischen
und strategischen Linien der mobilen Guerilla und entwickelten konkrete Pläne
zur Weiterführung des Kampfes und des Beginns der Ausweitung in der Region.
Gleichzeitig verabschiedete die Versammlung den "Agrarplan der
Guerilla", der sich über die Jahre zu unserem heutigen Agrarprogramm
entwickelte.
In diesem Programm ist der Kampf für eine revolutionäre
Agrarreform verankert, die die Grundlagen des Eigentums der Latifundistas
beseitigt, das Land den Bauern überträgt und dabei die Bedingungen für die
ökonomische Nutzung garantiert. Außerdem wurde die Notwendigkeit des Schaffens
einer einheitlichen Front aller demokratischen, progressiven und revolutionären
Kräfte des Landes, um demokratische Veränderungen herbeiführen zu können,
aufgezeigt.
Die Operation Marquetalia - gegen eine kleine Gruppe von
Bauern, die zu den Waffen griffen, um sich zu verteidigen und mit Hilfe der
Massen Bedingungen für eine Auseinandersetzung auf gleicher Ebene zu schaffen -
entwickelte sich für die Herrschenden und die Regierung zu einem völligen
Desaster.
Marquetalia wurde zur Bestätigung, daß es in unserem Land
notwendig war, sich gegen solche Verbrechen der Zwei-Parteien-Regierung aus
Liberalen und Konservativen zu organisieren und sich bewaffnet zu erheben, um
so die Ziele eines demokratischen Zusammenlebens zu erreichen.
Inzwischen sind die fundamentale Bastion der politischen
Opposition gegen das oligarchische Regime die von der Guerilla kontrollierten
Berge. In diesen letzten Jahren wurden zwei ganze Generationen von populären
Führern, die ihr Streben nach sozialem Wechsel und Veränderungen
manifestierten, vom bewaffneten Apparat des Staates, der bei seiner schmutzigen
Mordtätigkeit keine Waffenruhe gewährte, umgebracht.
Eben aus diesem Grunde bleibt der revolutionäre
Guerillakampf ein wertvolles Instrument des Kampfes um demokratische
Veränderungen in unserem Land. Und solange die Regierungen die Politik des
"internem Krieges" weiter betreiben, wird er auch die einzige
Möglichkeit bleiben.