13 Juni 2014

Afro-Gemeinden im Widerstand


Die Karibikküste, aber vor allem die Pazifikküste Kolumbiens, sind Regionen, in der eine große Anzahl von Gemeinden von Afroamerikanern leben. Von Tumaco im Süden über Buenaventura in Valle del Cauca bis hoch in das Department Chocó sind die Gemeinden der Afro´s zu Hause. Die Nachfahren der afrikanischen Sklaven, die besonders im 17. und 18. Jahrhundert über die Schiffswege ihrer Heimat entrissen und von Europäern zur Plantagenarbeit gezwungen wurden, haben zwar in den letzten beiden Jahrzehnten erfolgreich für ihre Anerkennung und Selbstbestimmung gekämpft, doch noch immer gibt es Benachteiligung, Unterdrückung und fehlende Autonomie.

Unter anderem das Department Chocó, im Nordwesten Kolumbiens an der Grenze zu Panama und zum Pazifik gelegen, gehört zu den ärmsten und unterentwickelten Regionen des Landes. Kein Zufall besteht in dem Zusammenhang, dass ausgerechnet in einer der ärmsten Regionen rund 80 Prozent aller Afrokolumbianer zu Hause sind. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze und in permanenter Misere. Sie sind ausgeschlossen von kolumbianischen Sozial- und Fürsorgesystem. Stattdessen sind Vertreibung vom Land, strukturelle Ungleichbehandlung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung.

Es ist paradox, denn im Gegenteil dazu gehört der Chocó zu den naturreichsten Regionen des Landes mit einer immensen Anzahl an natürlichen Ressourcen, wie Flora, Fauna, Wasser und Bodenschätzen. Der Chocó gibt unzählige Flüsse, Wälder, ertragreiche Böden, aus der Region werden Gold, Fisch, Energie und Holz exportiert, während Hunger, Misere, Vertreibung, Gewalt und Tod für die Bevölkerung, für die Afrokolumbianer übrig bleiben. Nur eine Minderheit, der Teil der Oligarchie, profitiert vom Reichtum des Chocó. Die Gewalt und Ungerechtigkeit zeigt sich am deutlichsten bei den Zahlen der Binnenflüchtlinge im Land. Von den insgesamt 4 Millionen in ganz Kolumbien sind mehr als ein Drittel aus dem Chocó. 

So alt wie der soziale Konflikt der Afrokolumbianer ist, so alt ist auch der Widerstand. Afrikaner wurden wie Tiere gejagt und nach Lateinamerika verfrachtet. Afrikaner hatten keine Rechte und wurden zur Arbeit gezwungen. Palenques, sogenannte Gemeinden von geflohenen Sklaven, entstanden auch an der kolumbianischen Küstenregion. Meist waren sie in schwer zugänglichen Gegenden im Dschungel angelegt. Zu den palenques kam man nur über geheime Pfade und durch Sümpfe. Befestigt waren die palenques mit Palisaden, oftmals dienten diese Dörfer als Verpflegung- und Trainingslager für Kämpfe gegen die Ausbeuter und Unterdrücker.

Benkos Bioho gilt als einer der ersten und bekanntesten aufständischen Afro´s. Aus Cartagena de Indias von den Sklavengaleeren geflohen, versteckter er sich in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts mit 30 Männern und Frauen in der Region Arabuco und Ciénaga, wo er zwei kleine spanische Expeditionsarmeen besiegte. Er ließ sich in einem palenque namens San Basilo nieder. Von hier aus forderte er die spanischen Kolonialherren heraus, die immer größere Truppen gegen ihn aufbieten mussten. Schließlich erreichte er in Verhandlungen, dass keine Weißen, außer der Priester, dort leben durften. San Basilo wurde zum Symbol des Widerstandes und zum ersten freien Dorf Amerikas.

In vielen kolumbianischen Regionen kam es immer wieder zu Aufständen, wie in Zaragoza (Antioquia) 1598. Doch auch in Marinilla, Río Negro und Giradota kam es im Jahr 1706 zu Rebellionen. In Popayán erreichte das palenque von Castillo Berühmtheit und im Jahr 1703 die Aufstände in der Nähe von Santa Marta an der Karibikküste. Doch auch im Chocó kam es zu regelmäßigen Unmutsbekundungen und Aufständen. Mit der Zeit sorgten die Einheit und der Anteil der Afro´s an den Unabhängigkeitskämpfen für eine erste formelle Freiheit, die in der Konstitution von 1821, der spanischen Unabhängigkeit, zum Ausdruck kamen.

Die wichtigsten Schritte zu einer Gleichberechtigung und Anerkennung der Afro´s als Kolumbianer wurden jedoch später gelegt. Zwar kam es mit dem Gesetz 21 von 1851 zum Verbot der Sklaverei, doch erst mit dem Gesetz 70 von 1993 wurde den Afrokolumbianern eine kulturelle Autonomie, die Anerkennung ihrer Kultur, ihrer Territorien, ihrer Rechte und Gleichheit gebilligt. In den vergangenen Jahren seit der Verabschiedung kam es immer wieder zu Modifikationen und zu Kämpfen der Afrokolumbianer, das Gesetz den Bedürfnissen der Afro´s anzugleichen. Doch zwischen Theorie und Praxis besteht oftmals ein Unterschied, so auch bei der sozialen Situation der Afrokolumbianer.

Der Widerstand der Afrokolumbianer drückt sich auch im Widerstand der Guerilla FARC-EP und der Beteiligung der Afro´s gegen das kolumbianische Regime aus. Signifikant hierfür ist die Organisierung der FARC-EP an der sozialen und politischen Mobilisierung von 2013 bis heute. Es ist kein Geheimnis, sondern aktive politische und militärische Arbeit, dass die Guerilla die Teilhabe in der Bevölkerung im Chocó ausgebaut hat und durch Streiks, Proteste, Straßenblockaden, Friedensmärsche und Veranstaltungen präsent ist. Kämpfende Strukturen der FARC-EP im Chocó sind die „Compañia móvil Limón“ sowie die „Compañia móvil Manuel Cepeda Vargas“, der „Bloque móvil Arturo Ruíz“ sowie die 57. Kampffront.