Die Karibikküste, aber vor allem die Pazifikküste Kolumbiens,
sind Regionen, in der eine große Anzahl von Gemeinden von Afroamerikanern
leben. Von Tumaco im Süden über Buenaventura in Valle del Cauca bis hoch in das
Department Chocó sind die Gemeinden der Afro´s zu Hause. Die Nachfahren der
afrikanischen Sklaven, die besonders im 17. und 18. Jahrhundert über die
Schiffswege ihrer Heimat entrissen und von Europäern zur Plantagenarbeit
gezwungen wurden, haben zwar in den letzten beiden Jahrzehnten erfolgreich für
ihre Anerkennung und Selbstbestimmung gekämpft, doch noch immer gibt es
Benachteiligung, Unterdrückung und fehlende Autonomie.
Unter anderem das Department Chocó, im Nordwesten
Kolumbiens an der Grenze zu Panama und zum Pazifik gelegen, gehört zu den
ärmsten und unterentwickelten Regionen des Landes. Kein Zufall besteht in dem
Zusammenhang, dass ausgerechnet in einer der ärmsten Regionen rund 80 Prozent
aller Afrokolumbianer zu Hause sind. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung
leben unterhalb der Armutsgrenze und in permanenter Misere. Sie sind
ausgeschlossen von kolumbianischen Sozial- und Fürsorgesystem. Stattdessen sind
Vertreibung vom Land, strukturelle Ungleichbehandlung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen
an der Tagesordnung.
Es ist paradox, denn im Gegenteil dazu gehört der Chocó
zu den naturreichsten Regionen des Landes mit einer immensen Anzahl an
natürlichen Ressourcen, wie Flora, Fauna, Wasser und Bodenschätzen. Der Chocó
gibt unzählige Flüsse, Wälder, ertragreiche Böden, aus der Region werden Gold,
Fisch, Energie und Holz exportiert, während Hunger, Misere, Vertreibung, Gewalt
und Tod für die Bevölkerung, für die Afrokolumbianer übrig bleiben. Nur eine
Minderheit, der Teil der Oligarchie, profitiert vom Reichtum des Chocó. Die
Gewalt und Ungerechtigkeit zeigt sich am deutlichsten bei den Zahlen der
Binnenflüchtlinge im Land. Von den insgesamt 4 Millionen in ganz Kolumbien sind
mehr als ein Drittel aus dem Chocó.
So alt wie der soziale Konflikt der Afrokolumbianer ist,
so alt ist auch der Widerstand. Afrikaner wurden wie Tiere gejagt und nach
Lateinamerika verfrachtet. Afrikaner hatten keine Rechte und wurden zur Arbeit
gezwungen. Palenques, sogenannte Gemeinden von geflohenen Sklaven, entstanden
auch an der kolumbianischen Küstenregion. Meist waren sie in schwer
zugänglichen Gegenden im Dschungel angelegt. Zu den palenques kam man nur über
geheime Pfade und durch Sümpfe. Befestigt waren die palenques mit Palisaden,
oftmals dienten diese Dörfer als Verpflegung- und Trainingslager für Kämpfe
gegen die Ausbeuter und Unterdrücker.
Benkos Bioho gilt als einer der ersten und bekanntesten
aufständischen Afro´s. Aus Cartagena de Indias von den Sklavengaleeren geflohen,
versteckter er sich in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts mit 30 Männern
und Frauen in der Region Arabuco und Ciénaga, wo er zwei kleine spanische
Expeditionsarmeen besiegte. Er ließ sich in einem palenque namens San Basilo
nieder. Von hier aus forderte er die spanischen Kolonialherren heraus, die
immer größere Truppen gegen ihn aufbieten mussten. Schließlich erreichte er in
Verhandlungen, dass keine Weißen, außer der Priester, dort leben durften. San
Basilo wurde zum Symbol des Widerstandes und zum ersten freien Dorf Amerikas.
In vielen kolumbianischen Regionen kam es immer wieder zu
Aufständen, wie in Zaragoza (Antioquia) 1598. Doch auch in Marinilla, Río Negro
und Giradota kam es im Jahr 1706 zu Rebellionen. In Popayán erreichte das
palenque von Castillo Berühmtheit und im Jahr 1703 die Aufstände in der Nähe
von Santa Marta an der Karibikküste. Doch auch im Chocó kam es zu regelmäßigen
Unmutsbekundungen und Aufständen. Mit der Zeit sorgten die Einheit und der
Anteil der Afro´s an den Unabhängigkeitskämpfen für eine erste formelle
Freiheit, die in der Konstitution von 1821, der spanischen Unabhängigkeit, zum
Ausdruck kamen.
Die wichtigsten Schritte zu einer Gleichberechtigung und
Anerkennung der Afro´s als Kolumbianer wurden jedoch später gelegt. Zwar kam es
mit dem Gesetz 21 von 1851 zum Verbot der Sklaverei, doch erst mit dem Gesetz
70 von 1993 wurde den Afrokolumbianern eine kulturelle Autonomie, die
Anerkennung ihrer Kultur, ihrer Territorien, ihrer Rechte und Gleichheit
gebilligt. In den vergangenen Jahren seit der Verabschiedung kam es immer
wieder zu Modifikationen und zu Kämpfen der Afrokolumbianer, das Gesetz den
Bedürfnissen der Afro´s anzugleichen. Doch zwischen Theorie und Praxis besteht
oftmals ein Unterschied, so auch bei der sozialen Situation der Afrokolumbianer.
Der Widerstand der Afrokolumbianer drückt sich auch im
Widerstand der Guerilla FARC-EP und der Beteiligung der Afro´s gegen das
kolumbianische Regime aus. Signifikant hierfür ist die Organisierung der
FARC-EP an der sozialen und politischen Mobilisierung von 2013 bis heute. Es
ist kein Geheimnis, sondern aktive politische und militärische Arbeit, dass die
Guerilla die Teilhabe in der Bevölkerung im Chocó ausgebaut hat und durch
Streiks, Proteste, Straßenblockaden, Friedensmärsche und Veranstaltungen
präsent ist. Kämpfende Strukturen der FARC-EP im Chocó sind die „Compañia móvil
Limón“ sowie die „Compañia móvil Manuel Cepeda Vargas“, der „Bloque móvil
Arturo Ruíz“ sowie die 57. Kampffront.