Das Jahr 2014, welches mit viel Kraft und neuen
Anstrengungen begann, um mit den Verhandlungen und dem Suchen nach einer Lösung
für den sozialen und bewaffneten Konfliktes fortzufahren, wird auch ein Jahr werden,
in dem die FARC-EP und ihre Solidaritätsorganisationen die politische und
diplomatische Arbeit auf dem sogenannten „alten Kontinent“ verstärken. Doch
warum werden die politisch-diplomatischen Anstrengungen verstärkt?
Um zu verstehen, warum die FARC-EP und ihre
Solidaritätsorganisationen ihre politisch-diplomatische Arbeit besonders in
Europa verstärken, müssen wir den historischen und politisch-militärischen
Kontext der aufständischen Organisation verstehen, die seit Jahren dafür kämpft,
von der schwarzen Liste, der Liste der terroristischen Organisationen, entfernt
zu werden. Ein Fokus dabei liegt in Europa, die im Vergleich zu den USA keine
militärische Interventionspolitik in Kolumbien vollziehen und wo die Chancen
auf Diplomatie und Anerkennung der FARC-EP als politische Organisation einen
besseren Standpunkt haben. Auf der anderen Seite des Atlantiks besteht mehr Bewusstsein
für die Realität Kolumbiens, das revolutionäre Projekt und den Kampf der
FARC-EP für grundlegende Veränderungen im Land.
Die internationale Arbeit der FARC-EP erhielt ihren
Aufschwung mit der Achten Nationalen Konferenz der FARC-EP im Jahr 1993, als
Guerilleros und Kommandierende beschlossen, der internationalen Arbeit einen
strategischen Charakter zu geben und eine Internationale Kommission zu
installieren. Dies geschah im Kontext der Friedensgespräche von Cravo Norte,
Caracas und Tlaxcala, die von 1991 bis 1992 stattfanden und in einer Periode,
als der demokratische Weg durch den systematischen Massenmord von Politikern,
Mitgliedern und Sympathisanten der linken Partei Unión Patriótica (Patriotische
Union) durch Staat und Paramilitarismus versperrt wurde. Mit dem Ausscheiden
des Realsozialismus 1989/90 aus der Weltpolitik und dem Aufschwung des
Neoliberalismus vollzogen sich auch international wichtige Entwicklungen, die
zu diesen strategischen Überlegungen führten.
So wurde der internationale Faktor ein wichtiger Punkt im
strategischen Plan der FARC-EP von 1993, der die Machteroberung in Kolumbien
vorsah. Die Widersprüche zwischen den ehemaligen Weltblöcken waren Geschichte,
die weltweite revolutionäre Bewegung geschwächt und mit dem Ergreifen der Macht
durch den Imperialismus auch die kolumbianische Gesellschaft und Politik stark beeinflusst.
Doch war Kolumbien in Bezug auf den sozialen und bewaffneten Konflikt und seine
aufständische Bewegung eine Ausnahme. Die FARC-EP konnte politisch und
militärisch an Boden gewinnen und schien losgelöst vom geopolitischen
Weltgeschehen ihre Basis in Kolumbien und damit auch ihre Existenzberechtigung
auszubauen. Mit der Offensive der FARC-EP in den 1990er Jahren, mit dem Sieg
von Hugo Chávez bei den Präsidentschaftswahlen in Venezuela 1998 und dem Beginn
von Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung von Pastrana
und der FARC-EP im selben Jahr erlebte die internationale Diplomatie der
Guerilla einen Höhepunkt.
Schon einmal, im Jahr 1984, erreichte die FARC-EP den
Status als anerkannte kriegsführende Partei. Dies geschah zu den
Friedensgesprächen unter dem Präsident Belisario Betancur. Am Wesen der
Guerilla hat sich nicht viel geändert und all jene Faktoren, die gemäß den
Zusatzprotokollen der Genfer Konventionen, eine kriegsführende Partei ausmachen,
sind weiterhin existent. Dazu gehört innerhalb der Organisation eine strenge
Ordnung und Reglementierung. Es werden Uniformen und Waffen öffentlich getragen.
Es gibt einen Zentralen Generalstab, der mit seinem Nationalen Sekretariat die politische
und militärische Leitung innehat. Eine Kommandostruktur ist für die Normen und
die Kontrolle darüber verantwortlich. Diese Argumentationsstruktur war in den
1990er Jahren, wie heute auch noch, elementar in der Debatte.
In den Jahren von 1998 bis 2002 webte die Internationale
Kommission um Raúl Reyes und seine Kollegen ein Netz aus politischen
Beziehungen und arbeitete diplomatisch mit der größtmöglichen Zahl von
Regierungen und politischen und sozialen Kräfte in der Welt für die Anerkennung
der FARC-EP als kriegsführende Kraft. Ziel war es in den ersten Jahren vor
allem in Europa die Geschichte Kolumbiens, die Kolonialzeit, die Unabhängigkeit
von Spanien, die Bürgerkriege der Oligarchie und die Ursachen des sozialen und
bewaffneten Konfliktes der europäischen Öffentlichkeit zu erläutern. So fand zum
Beispiel eine Rundreise von Mitgliedern der FARC-EP in Europa statt. Und es
bestand vielseitiges Interesse an dem Kennenlernen und am Profil der ältesten
Guerilla Lateinamerikas, die im Vergleich zu anderen Guerillabewegungen immer
noch aktiv war.
Die Repräsentanten der FARC-EP konnten dabei nicht nur
die Bewunderung von politischen und sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und
Parteien für ihre diplomatischen Fähigkeiten und die Kraft und Ausdauer ihres
Kampfes gewinnen, sondern auch Regierungen zeugten der Guerilla Respekt für
ihre Arbeit und politischen Ziele. Hunderte beteiligten sich an Tagungen,
Foren, Konferenzen, Seminaren und Demonstrationen für die aufständische
Bewegung, die dabei Beifall, internationale Solidarität und Unterstützung
erhielt. Aber natürlich gab es auch diejenigen, die auf den Friedensprozess mit
scharfer Munition schossen, jene, die durch Desinformation und Propaganda ein
falsches Bild vom revolutionären Kampf in Kolumbien darstellen wollten.
Im Jahr 1998 veröffentlichte der amerikanische
Geheimdienst eine Studie, wonach die FARC-EP in fünf Jahren die Macht erobern
könnte. Dies galt als Anlass für die Aufrüstung Kolumbiens unter dem Deckmantel
des Plan Colombia (Kolumbienplan). Vordergründig sollte ein Kampf gegen die
Drogen geführt werden, doch noch während der Friedensverhandlungen begann der
Krieg gegen die Guerilla und die Zivilbevölkerung. Besonders bedrohend wirkten
dabei die Versuche der kolumbianischen Regierung und Washingtons, nicht nur den
Friedensprozess zu torpedieren, sondern auch den politischen Charakter der
FARC-EP abzusprechen und ihre Arbeit zu diskreditieren. Unter Ausnutzung der
Anschläge vom 11. September 2001 in den USA, der Militarisierung Kolumbiens und
dem Plan Colombia, sowie dem Scheitern des Friedensgespräche von Caguán im Februar
2002, sah sich die FARC-EP plötzlich auf der Liste der „terroristischen“
Organisationen der EU und anderer Länder.
Nicht nur, dass die internationale politische Arbeit in
Kolumbien dadurch geschwächt wurde, durch das Bennen der FARC-EP als
„terroristische Organisation“ wurden Genossen und kolumbianische Flüchtlinge,
Solidaritätsorganisationen und soziale Bewegungen selbst in Europa verfolgt und
bedroht. Die Medien wurden neben der Armee zum Hauptkampfmittel. In einer
internationalen Kampagne stellte man die Guerilla als kriminelle Drogenhändler
und Entführer dar. Präsident Uribe behauptete, es gebe in Kolumbien keinen bewaffneten
Konflikt, sondern ein Problem mit Terroristen. Damit negierte er einen
politischen und sozialen Konflikt im Land. Die FARC-EP wurde für nachweislich
nicht durchgeführte Massaker, schwarze Geschäfte, Entführungen und politische
Verbindungen verantwortlich gemacht. Da wurden Bomben im öffentlichen
Nahverkehr von Bogotá gelegt, der Präsidentschaftswahlkampf in Brasilien für
Lula und seine PT mitfinanziert und in anderen Ländern Menschen entführt. Es
war nicht nur ein Kreuzzug gegen die kolumbianische, sondern gegen die
lateinamerikanische Linke.
Unter der „demokratischen Sicherheit“, wie der Präsident
Uribe seine paramilitärische Politik von 2002 bis 2010 nannte, folgte der nun
zur zweiten Amtszeit gewählte Präsident Santos. Auch wenn die Politik der
politischen Isolierung unter Santos fortgeführt wurde, so konnte die Guerilla
national und international neue Kontakte knüpfen und schließlich die politische
Arbeit neu organisieren. Ziel der Internationalen Kommission war es, in Briefen
und Mitteilungen die internationale Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass der
soziale und bewaffnete Konflikt nur über den politischen Weg gelöst werden kann
und die FARC-EP dafür als gleichberechtigter Partner und als kriegsführende
politisch-militärische Organisation anerkannt werden müssen. Im Zuge der
Friedensgespräche von Havanna in Kuba wird diese Aufgabe zur Erreichung des
Ziels nun weiter intensiviert.
Auch wenn mit den Friedensgesprächen die FARC-EP als ein
politischer Partner anerkannt und der Prozess international begleitet wird, so
ergibt es keinen Sinn, dass die Aufständischen weiterhin als Terroristen
gelten. Mit mehreren Maßnahmen in den letzten Jahren, wie die Einstellung von
Entführungen auf finanzieller Grundlage, Freilassung von Kriegsgefangenen und
einseitigen Waffenstillständen hat die FARC-EP ihren Willen für eine friedliche
Lösung bekräftigt und gezeigt, dass sie als kriegsführende Partei anerkannt
gehören. Nun ist es Zeit für die Europäische Union, die FARC-EP von der
schwarzen Liste der „terroristischen Organisationen“ zu entfernen und damit die
Diplomatie der Guerilla mit allen relevanten Garantien zu ermöglichen. Das wäre
der beste Beitrag zum Frieden in Kolumbien.
Solidarität mit der aufständischen Bewegung FARC-EP!